| # taz.de -- Pferde in der Stadt: Sind Kutschen noch zeitgemäß? | |
| > Eine Petition fordert ein Droschkenverbot im Zentrum. Knapp 70.000 | |
| > Menschen haben unterschrieben. Der Senat sieht für ein Verbot keine | |
| > Rechtsgrundlage. | |
| Bild: Flair wie zu Fontanes Zeiten: Pferdedroschke in Neuruppin | |
| Jetzt haben sie wieder Hochsaison, die Pferdekutschen, die im Sommer vor | |
| allem am Brandenburger Tor auf zahlende Touristen warten. Tierschützern ist | |
| der Anblick der Droschkenkutscher hingegen eine Qual: der dichte | |
| Straßenverkehr, der Großstadtlärm, das lange Laufen auf hartem Asphalt | |
| statt auf Weidegrün, das sei Tierquälerei. So argumentiert nun auch eine | |
| Petition für ein Pferdekutschenverbot, die vergangene Woche an den | |
| Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses übergeben wurde. | |
| Knapp 70.000 Menschen [1][haben den Online-Petitionsbrief der Münchnerin | |
| Julia Maier,] nach eigener Aussage ehrenamtliche Tierschützerin und | |
| ehemalige Reiterin, unterschrieben: „Pferde sind Fluchttiere die in einer | |
| Großstadt wie Berlin nichts verloren haben!“, heißt es in dem Brief. Auch | |
| seien die Kutschen – an den zentralen Standplätzen rund um den Pariser | |
| Platz, den Gendarmenmarkt und den Berliner Dom sind laut Senatsangaben bis | |
| zu zehn Kutschen mit rund 20 Pferden im Einsatz – ein unnötiges | |
| Unfallrisiko. Bei einem durchgehenden Gespann sei „die Verletzungsgefahr | |
| für Mensch und Tier“ hoch. | |
| Ursprünglich sollten die Unterschriften vergangenen Mittwoch an | |
| Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) übergeben werden – doch der ist gar | |
| nicht zuständig. Die Droschken sind Sache der Senatsverwaltung für Justiz | |
| und Verbraucherschutz, beziehungsweise der Bezirke. Dort soll sich die | |
| jeweilige Veterinäraufsicht darum kümmern, dass die Droschkenbetreiber die | |
| Berliner Kutschen-Verordnung einhalten. | |
| Denn tatsächlich gibt es bereits seit 2009 „Leitlinen für | |
| Pferdefuhrwerksbetriebe“, die etwa Pausenzeiten für die Tiere festlegt – | |
| alle zwei Stunden bei heißen Temperaturen, maximal neun Stunden Einsatzzeit | |
| pro Gespann sind erlaubt – und geeignete Standplätze für die Pferde | |
| beschreibt: schattig, mit einer Tränkmöglichkeit. Die Kutscher müssen das | |
| Deutsche Fahrabzeichen, eine Art Kutschenführerschein, vorzeigen können. | |
| Auch dürfen keine ganz jungen, unerfahrenen Tiere angeschirrt werden: | |
| mindestens fünf Jahre müssen die Pferde alt sein. | |
| ## Auflagen zeigen offenbar Wirkung | |
| Auf die Leitlinien hatte sich der Senat geeinigt, nachdem es zuvor einen | |
| Unfall mit einem durchgehenden Pferd gegeben hatte und ein anderes Tier | |
| geschwächt vor der Kutsche zusammengebrochen war. Bis zu 2.000 Euro Bußgeld | |
| können die Bezirke verhängen, wenn ein Kutscher gegen die Auflagen | |
| verstoße. Das zeigt offenbar auch Wirkung: Hatte der Bezirk Mitte laut | |
| Zahlen der zuständigen Senatsverwaltung in den Jahren 2013/14 noch zwölfmal | |
| ein Bußgeld verhängt – etwa weil der Kutscher keine Fahrerlaubnis hatte | |
| oder die Pausenzeiten für die Pferde nicht eingehalten wurden – war das im | |
| vergangenen Jahr nur einmal der Fall, sagt Mittes Amtstierarzt Ulrich | |
| Lindemann. | |
| Das Argument der Tierschützer, Pferde seien Fluchttiere und deshalb per se | |
| nicht gemacht für den Straßenverkehr, mag Lindemann allerdings nur zum Teil | |
| gelten lassen: der Lärm sei zwar eine „erhöhte Stressbelastung“ für die | |
| Tiere, durch Training ließe sich das aber „minimieren“. Ein Problem seien | |
| vielmehr „unbelehrbare Wiederholungstäter“ – trotz Kutschen-Verordnung w… | |
| erst im Sommer 2014 erneut ein Pferd in der Mittagshitze kollabiert. | |
| Unterdessen gibt es im Netz schon die entsprechende Gegenpetition zum | |
| geforderten Kutschenverbot: statt „pauschal“ die Droschken zu verbieten, | |
| solle der Senat lieber bei den „Mindeststandards“ in der | |
| Kutschen-Verordnung nachbessern, [2][fordert die Petition einer Berlinerin | |
| auf der Online-Plattform change.org]. | |
| Rechtlich gesehen dürfte das Kutschenverbot ohnehin nicht leicht | |
| durchzusetzen sein: Für ein Verbot gebe es weder in der | |
| Straßenverkehrsordnung noch im Tierschutzgesetz eine rechtliche Grundlage, | |
| teilt die Senatsjustizverwaltung mit. Vielmehr gebe es „eine | |
| Erlaubnispflicht, die mit Auflagen erteilt werden kann“, sagt eine | |
| Sprecherin auf Anfrage. | |
| 8 May 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.change.org/p/michael-m%C3%BCller-stoppen-sie-die-qu%C3%A4lerei-e… | |
| [2] http://www.change.org/p/steffi-reimann-gegen-ein-generelles-kutschenverbot-… | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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