| # taz.de -- Was kostet das Berliner Flughafenchaos?: Blackbox BER | |
| > Der Flughafen gilt als Milliardengrab – aber was die Baustelle wirklich | |
| > verschlingt, ist unklar. Die Frage ist: Fließt irgendwann Geld zurück ans | |
| > Land? | |
| Bild: Schöne Scheiße: Das einzige, was am BER regelmäßig landet, sind die T… | |
| Berlin taz | Am Eingang zur unteren Ebene des BER-Terminals sitzt ein | |
| Wachmann auf einem Plastikstuhl. Auf dem Tisch mit der elektronischen | |
| Stechuhr liegen eine Stulle und ein Sudokuheft, daneben ist ein Foto des | |
| neuen Flughafengeschäftsführers Engelbert Lütke Daldrup in Klarsichtfolie | |
| an die rohe Wand gepinnt. Damit er den neuen Chef erkennt, wenn der | |
| reinkommt? „Ick war det nich“, sagt der Flughafenhüter und zuckt mit den | |
| Schultern. | |
| In dem Gebäude, das er bewacht, an den Check-in-Schaltern unter dem | |
| Flachdach des Terminals, in den Gängen der Piers und im unterirdischen | |
| Bahnhof, passiert kaum noch etwas. Das berüchtigte Entrauchungssystem ist | |
| in beherrschbare Segmente zerschlagen, die automatischen Türen sollen | |
| mittlerweile ihren Dienst tun. | |
| Jetzt muss noch der Wasserdruck in der unzählige Male veränderten | |
| Sprinkleranlage Rohr für Rohr, Windung für Windung nachgerechnet werden, | |
| manchmal wird eine Justierung fällig. Das dauert. Bei | |
| öffentlich-rechtlichen Bauprojekten nähmen es die Aufsichtsbehörden eben | |
| ausgesprochen genau, sagt Lütke Daldrup, seit März Geschäftsführer der | |
| Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) in leicht leidendem Ton. Die | |
| Inbetriebnahme im kommenden Jahr kippelt längst. | |
| Von Hartmut Mehdorn, Lütke Daldrups Vorvorgänger, stammte die Behauptung, | |
| jeder Monat Nichteröffnung verschlinge 34 Millionen Euro: 20 Millionen für | |
| die Instandhaltung – wer hat nicht schon von den Bahnen gehört, die | |
| regelmäßig in den Bahnhof fahren müssen, um Schimmelbildung zu vermeiden? – | |
| und 14 Millionen durch entgangene Mieteinnahmen. | |
| ## Betriebsgeheimnis! | |
| Kann sein, dass die Zahlen stimmten, kann sein, dass nicht. Heute teilt | |
| FBB-Sprecher Lars Wagner mit, die Instandhaltung des leeren Airports koste | |
| monatlich „zehn bis 13 Millionen Euro“, für entgangene Mieten gelte das | |
| Betriebsgeheimnis. Was im Einzelnen wie viel Geld verschlingt, ist für | |
| Außenstehende oft eine Blackbox. | |
| Aber was kostet der BER eigentlich unterm Strich? Was kosten uns | |
| BerlinerInnen die Verschiebung der Eröffnung, die Umbauten, der jahrelange | |
| Leerlauf? Je genauer man hinsieht, umso komplexer werden die Fragen, umso | |
| schwammiger die Auskünfte. | |
| Eine Zahl, die immer wieder genannt wird, ist die des | |
| Gesamtfinanzierungsrahmens: 6,5 Milliarden Euro. Aber kostet der BER | |
| tatsächlich diese Summe? Die Flughafengesellschaft antwortet auf Nachfrage | |
| wie folgt: „Der Finanzierungsrahmen des BER beträgt 5,34 Milliarden EUR. | |
| Dies entspricht der aktuellen Kostenprognose. Die Angabe von 6,5 Milliarden | |
| EUR stammt nicht von der FBB.“ | |
| Aber die Gesellschafter der FBB – Berlin, Brandenburg und Bund – haben doch | |
| 2015 bei der EU-Kommission die Erlaubnis neuer öffentlicher Zuschüsse | |
| beantragt, die sich mit den bisherigen Summen auf 6,5 Milliarden addieren? | |
| Gibt es einen Puffer von 1,1 Milliarden, der möglicherweise nie abgerufen | |
| wird? | |
| „Die 5,34 Milliarden sind die Summe, die es kostet, den planfestgestellten | |
| BER fertig zu bauen“, erklärt FBB-Sprecher Lars Wagner auf Nachfrage. Aber | |
| es müsse ja schon zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme in erste | |
| Erweiterungsbauten investiert werden – geplant sind der Umbau der Anlagen | |
| von Schönefeld (Alt) und der Neubau des Satellitenterminals T1-E. Dafür | |
| habe der Aufsichtsrat bereits 700 Millionen Euro bewilligt. | |
| So ganz geht die Rechnung auch damit noch nicht auf. Vor zwei Jahren hatte | |
| Hartmut Mehdorn in einem Rundfunkinterview von „Netto-“ und „Bruttokosten… | |
| gesprochen und angedeutet, in der Differenz seien außer den Mitteln für | |
| Erweiterungsbauten auch der Finanzierungsaufwand – also Schuldendienst für | |
| die Kredite – enthalten. Genauer wollten es damals einige grüne | |
| Bundestagsabgeordnete wissen, aber auch die Bundesregierung konnte ihnen | |
| nicht helfen: Diese Zahlen unterlägen mal wieder „dem Betriebs- und | |
| Geschäftsgeheimnis der FBB“, hieß es in Beantwortung der Kleinen Anfrage. | |
| ## Teure Verschiebung | |
| Und was hat der massive Planungspfusch gekostet, der am Ende in einer | |
| sieben oder sogar acht Jahre verspäteten Inbetriebnahme enden wird? Schwer | |
| zu sagen. Als nach der geplatzten Eröffnung von 2012 die Trias | |
| Berlin-Brandenburg-Bund 1,2 Milliarden Euro Gesellschafterkapital zuschoss, | |
| machte der Tagesspiegel ohne Verweis auf Quellen folgende Rechnung auf: | |
| „343 Millionen Euro zusätzliche Baukosten, davon verschiebungsbedingt 67 | |
| Millionen Euro. Weitere 230 Millionen Euro Belastungen aus dem (nicht) | |
| laufenden Betrieb, ebenfalls durch die Verschiebung verursacht. Dann noch | |
| 305 Millionen Euro für einen verbesserten Schallschutz und eine | |
| Risikovorsorge von 322 Millionen Euro.“ 2015 mussten die Gesellschafter | |
| noch einmal 1,1 Milliarden Euro nachschießen, diesmal allerdings in Form | |
| eines Darlehens, das innerhalb von 20 Jahren von der Flughafengesellschaft | |
| zurückzuzahlen ist. | |
| Natürlich steht den gestiegenen Kosten teilweise ein materieller Nutzen | |
| gegenüber. Flughafenchef Lütke Daldrup hat sich längst ein Argument seiner | |
| schillernden Vorgänger zu eigen gemacht: Ja, der neue Airport habe einmal | |
| lediglich 2,4 Milliarden Euro kosten sollen – „aber damals waren auch nur | |
| 200.000 Quadratmeter Gebäudefläche geplant. Heute sind es 360.000 | |
| Quadratmeter.“ Manches wie die Erweiterung der Check-in-Bereiche war | |
| aufgrund gestiegener Sicherheitsanforderungen unumgänglich geworden. Auch | |
| die auf rund 700 Millionen Euro angewachsenen Schallschutzkosten kann man | |
| in keinem Fall als herausgeworfenes Geld betrachten. | |
| Ob diese Milliardenkosten am Ende „uns“, also den Steuerzahlern, auf die | |
| Füße fallen, ist eine knifflige Frage. Es ist ja nicht einfach so, dass | |
| „wir“ jeden Euro, der in Schönefeld verbaut wird, in ein großes BER-Fass | |
| ohne Boden stecken. Erstens: Die Hälfte des Geldes stammt aus Bankkrediten. | |
| Zwar bürgen die Gesellschafter zu 100 Prozent für diesen Betrag, aber | |
| solange der BER irgendwann abhebt, wird der Haftungsfall nicht eintreten. | |
| Zweitens: Der mit 1,63 Milliarden Euro sehr hohe Eigenkapitalanteil aus | |
| Steuermitteln von Berlin, Brandenburg und dem Bund ist kein Geschenk, | |
| sondern eine Investition in ein Unternehmen, das damit Erträge | |
| erwirtschaftet und dieses Kapital verzinst. | |
| Fragt sich nur: Kommt bei den schwindelerregend angestiegenen Gesamtkosten | |
| irgendwann etwas zurück? Oder bleibt die Flughafengesellschaft ewig ein | |
| Verlustgeschäft? Das hatte der Chemnitzer Finanzwissenschaftlers Friedrich | |
| Thießen 2014 in einer von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie zur | |
| Wirtschaftlichkeit prognostiziert – bei einem damaligen Kostenrahmen von | |
| 4,7 Milliarden Euro. Die könnten durch den Betrieb nie verdient werden, so | |
| sein Ergebnis, es sei denn, die Flughafengesellschaft erhöhe ihre Start- | |
| und Landegebühren deutlich. | |
| Zugute kommen der Flughafengesellschaft nun allerdings die in den | |
| vergangenen Jahren stark gewachsenen Passagierzahlen: Jeder zusätzliche | |
| Fluggast spült zusätzliches Geld in die FBB-Kasse. Gegenüber der taz sagt | |
| Thießen nun auch, der Schuldendienst werde nicht zum eigentlichen Problem. | |
| „Wenn der Betrieb erst einmal losgeht, schwimmt so ein Flughafen quasi im | |
| Geld.“ | |
| Das liege am kapitalintensiven Betrieb: Die Anlagen sind da und halten ein | |
| paar Jahrzehnte, die Personalkosten fallen vergleichsweise wenig in | |
| Gewicht. Auch Vorgängerchef Karsten Mühlenfeld hatte schon prophezeit: „Ab | |
| 2020 können wir uns selber finanzieren, und ab Mitte der 20er Jahre werden | |
| wir in der Lage sein, unsere Schulden zurückzuzahlen.“ | |
| Die 1,63 Milliarden, die direkt aus den öffentlichen Haushalten in das | |
| Projekt gesteckt wurden, werden dadurch aber noch nicht gemehrt. „Beim | |
| Eigenkapital kann die Politik dem Steuerzahler verschleiern, ob es noch | |
| werthaltig ist“, erklärt Thießen, „sie muss weder eine erhaltene Dividende | |
| nachweisen noch einen Wertbeweis erbringen.“ | |
| Eigentlich sollte sich eine Investition wie die in den BER mit jährlich 6 | |
| oder 7 Prozent verzinsen, rechnet der Finanzwissenschaftler vor, „bei drei | |
| Milliarden Euro müssten also rund 200 Millionen im Jahr herauskommen. Das | |
| wird aber wahrscheinlich nicht der Fall sein. Es wird wohl keine adäquate | |
| Rendite geben, und das ist der Betrug am Steuerzahler.“ Berlins | |
| 37-prozentiger Anteil am Eigenkapital – rund 600 Millionen Euro – wäre | |
| damit komplett unrentabel angelegt. Aber immerhin gäbe es einen Flughafen. | |
| Den Grünen-Abgeordneten Andreas Otto, der Obmann seiner Fraktion im | |
| BER-Untersuchungsausschuss war, ärgert das. „Allein aus den laufenden | |
| Einnahmen aus Tegel könnte man jedes Jahr ein paar Schulen finanzieren – | |
| und jetzt pumpen wir das in den BER.“ Die Gretchenfrage „Wann geht’s los … | |
| BER?“, die mit der Frage „Wird das Ding noch teurer?“ untrennbar verbunden | |
| ist, kann er genauso wenig beantworten wie die anderen Beobachter. Ist er | |
| wenigstens optimistisch? „Ich bin immer optimistisch“, knurrt Otto. | |
| 3 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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