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# taz.de -- Kongress für Nachhaltigkeit: Mehlwurm statt Mehrwert
> Der Rat für Nachhaltigkeit will eine Förderung für grüne Finanzprojekte.
> Führende Ökonomen der G20 fordern einen CO2-Mindestpreis von 40 Dollar.
Bild: „Die Preise lügen“ auf dem Acker, sagt der Nachhaltigkeitsrat
Berlin taz | Ina Henkel von der Uni Potsdam hatte die ungeteilte
Aufmerksamkeit ihres Publikums: „Wagen Sie den Blick über den Tellerrand!“,
rief die Gründerin der Firma „TeneTrio“ den Besuchern des 17.
Nachhaltigkeitskongresses zu. Wer den Fleischkonsum senken wolle, solle
gern mal Gerichte aus Insekten probieren. Im Publikum gab es skeptische
Blicke. Aber die Cupcakes aus Grillen und Mehlwurmpasta gingen in der
Mittagspause „weg wie warme Semmeln“, sagte Henkel. In Zukunft könnte ein
Viertel des Eiweißbedarfs bei uns von Grillen und Würmern gedeckt werden.
So wie bisher mit der Landwirtschaft geht es nicht weiter, sagte Alexander
Müller, Mitglied im Nachhaltigkeitsrat. „Mit dem jetzigen System schaffen
wir weder die Klima- noch die weltweiten Nachhaltigkeitsziele“, hieß es bei
der Debatte zur Agrarpolitik. „Die Preise lügen einfach.“
Damit das zumindest bei der Finanzwirtschaft aufhört, will der
Nachhaltigkeitsrat eine „Plattform für nachhaltige Finanzen“ (H4SF) ins
Leben rufen. Da sollen „alle interessierten Kreise aus der
Finanzwirtschaft“ darüber reden, wie auch privates Kapital in grüne
Projekte fließen kann. „Vom Negativkriterium beim Abzug von Kapital, dem
Divestment, wollen wir zu positiven Beispielen kommen“, so Achim Steiner,
designierter Chef des UN-Entwicklungsprogramms UNDP und Ratsmitglied.
Und mit den 6,2 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss will die Ratschefin
Marlehn Thieme die Nachhaltigkeit voranbringen. Einen Teil davon solle die
Regierung in grüne Mobilität, ökologischen Stadtumbau und Bildung
investieren. Die Regierung solle in der Nachhaltigkeitspolitik vom „Projekt
zur Struktur“ kommen – allerdings bleibt der Rat bei den Finanzen auch im
Projekt stecken. Denn weder gibt es im Wahljahr eine Empfehlung etwa zum
Abbau von umweltschädlichen Subventionen („damit hat der Rat sich nicht
befasst“) noch eine klare Forderung nach höheren CO2-Preisen.
## Weiter fordern
Die wiederum wurde einen Kilometer weiter erhoben. In der „European School
of Management“ präsentierten die führenden Ökonomen der G20, unter ihnen
die Nobelpreisträger Nicholas Stern und Joseph Stiglitz, die
finanzpolitischen Forderungen der globalen Thinktanks an die G20: Für den
Klimaschutz brauche es schon 2020 einen CO2-Preis zwischen 40 und 80 Dollar
pro Tonne CO2. Der Preis müsse bis 2030 auf 50 bis 100 Dollar steigen. „Das
sichert das Klima, bekämpft die Armut und bringt Wachstum“, so Stern. Nur
weil die US-Regierung sich nicht von Fakten leiten lasse, sei das kein
Grund, von diesen Forderungen abzurücken. „Der Übergang zu einer CO2-armen
Wirtschaft ist die Wachstumsgeschichte des 21. Jahrhunderts“, so Stiglitz.
„Die US-Regierung ist dabei, diese Geschichte zu verpassen.“
Das meinte auch Angela Merkel, als sie wie immer beim Rat vorsprach. Sie
lobte ihre eigene Regierung, die die UN-Nachhaltigkeitsziele SDG bereits im
Frühjahr in einer nationalen Strategie umgesetzt hat – und gab auch zu,
dass nur wenige Kriterien bereits voll erfüllt sind. In der G20 solle es
einen „Mechanismus des gegenseitigen Lernens“ bei diesen Fragen geben. Zum
Rat gewandt meinte die Kanzlerin: „Bleiben Sie unbequem! Aber nicht zu
sehr, damit wir nicht bockig werden.“
30 May 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Nachhaltigkeit
Finanzen
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
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