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# taz.de -- Kommentar Wahl in Schleswig-Holstein: Der Habeck-Effekt
> Gegen den Trend erzielen die Nord-Grünen ein starkes Ergebnis. Aber eine
> Koalition mit der CDU würde zum Problem für die Partei im Bund.
Bild: Torsten Albig hat verloren, da hilft auch kein Schulz-Effekt
Das Beste zuerst: Die AfD schrumpft. Aus allen westdeutschen Landtagswahlen
des vergangenen Jahres ist sie mit zweistelligen Stimmenanteilen
hervorgegangen. Rheinland-Pfalz 12,6 Prozent. Berlin 14,2.
Baden-Württemberg 15,1. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern
bejubelten die rechten Retros Zwanziger-Werte. Die 6 Prozent vor ein paar
Wochen im Saarland redete Alexander Gauland noch mit Sonderfaktoren wie
Oskar Lafontaine schön. Davon kann keine Rede mehr sein. Die Partei ist
eingelaufen wie ein zu heiß gewaschenes Hemd.
[1][Schleswig-Holstein zeigt]: Wenn personelle und inhaltliche Alternativen
zwischen den anderen Parteien deutlich werden, dann hat die selbst ernannte
einzige Alternative nichts mehr zu melden, dann laufen dem rechten Zirkus
die Zuschauer weg.
Im Norden gab es anderswo mehr zu sehen. Und mehr zu entscheiden. Zum
Beispiel über die Abwahl des Ministerpräsidenten Torsten Albig von der SPD.
Er war einst mit dem Anspruch angetreten, in einer Regierung Alltagssorgen
zu lösen: Schlaglöcher, kaputte Fenster in Schulen, solche Sachen.
Vielleicht ist Albig jetzt auch an diesen kleinen Dingen gescheitert.
Gewonnen hat der 43-jährige Daniel Günther von der CDU. Dass den drahtigen
Newcomer vorher bisher kaum jemand kannte, war möglicherweise sogar von
Vorteil: Ein frisches Gesicht, das Projektionsfläche für alles Mögliche
sein kann, zieht zurzeit mehr als Erfahrung. Und Günther hat durch Themen
wie die Rückkehr zum Abi nach 13 Jahren klare Bruchkanten zur Konkurrenz
geschaffen.
Nun hat die CDU, die zuletzt bloß noch vier Landesregierungen geführt hat,
einen neuen Star. Ministerpräsidenten sind die harte Währung in dieser
Machtpartei. Ein neuer Regierungschef in Kiel würde Merkel gut tun. Klar,
es gab keine Alternative zur Kanzlerin. Aber das verdruckste
„Sie-muss-weg!“-Murren an der Basis wird nun weniger werden. Der Sieg im
Norden kann selbst jene motivieren, die keine Lust hatten, für Angela
Merkel noch Plakate zu kleben.
Aber Motivation einer Partei ist nicht alles. Den Sozialdemokraten hat der
sogenannte Schulz-Effekt in Schleswig-Holstein überhaupt nichts gebracht.
Nach seiner prunkvollen Kandidatenkür hat Martin Schulz den Fehler
begangenen, keine Programmatik zu liefern, an der sich Kontroversen
entzünden. Die ganze Aufmerksamkeit nutzte er nicht. Er lächelte, statt zu
sprechen. Er fuhr hin und her, statt zu sagen, wo er steht. Unnötig war es
auch, dass Schulz die rot-rot-grüne Machtoption klein gemacht hat.
## Doch kein Superheld
War's das jetzt mit Schulz? Auf keinen Fall. Ausgemacht ist nur, dass er
nicht nach Berlin schweben kann wie ein Superheld. Er wird die Landstraße
nehmen müssen.
Dass die SPD in Schleswig-Holstein so kümmerlich dasteht, dürfte auch in
der Stärke der Grünen begründet liegen. Dass aus einer Regierung der
kleinere Partner gestärkt hervorgeht, ist selten. Ihr stattliches Ergebnis
haben die Grünen im Norden gegen den Bundestrend erzielt. Der Erfolg liegt
aber nicht an Äußerlichkeiten, er rührt nicht allein daher, dass der
Energiewendeminister Habeck so nett ausschaut wie Jamie Oliver. Wobei der
Vergleich mit dem Starkoch insofern stimmt, als er einfache, aber geniale
Rezepte hat.
Rezept eins: Gehe über die Stammklientel hinaus! In den fünf
Regierungsjahren haben die Grünen in Schleswig-Holstein sich um skeptische
Bauern genauso bemüht wie um urbane Akademiker, um Wurstesser genauso wie
um Veganer. Im Bund mussten sie an Papiere und Präsentationen arbeiten, im
Norden ging es um Praxis.
Rezept zwei: Schaffe die Flügel ab! Die Nord-Grünen um Habeck, die
Finanzministerin Monika Heinold und den Bundestagsabgeordneten Konstantin
von Notz, haben die Zweiteilung der Partei abgeschafft. In Berlin war der
Antagonismus zwischen Linksgrün und Realogrün vier Jahre die zentrale
Frage. Während sie dort flügellahm sind, waren die Nord-Grünen flügelfrei.
Flügelfreiheit heißt auch, kein Bündnis auszuschließen. Deshalb ist es
denkbar, dass Habeck ein Bündnis unter Führung der CDU eingeht. Er würde
weiter gestalten können. Er würde eine große Koalition verhindern. Aber
wenn im hitzigen Wahljahr der neue grüne Hoffnungsträger Habeck mit der CDU
koalieren würde, dann verlöre die Partei viele Wähler, die sich als links
verstehen. Die Grünen im Bund würden noch tiefer ins Schlamassel rutschen.
Das wäre er dann: der Habeck-Effekt.
7 May 2017
## LINKS
[1] /Landtagswahl-in-Schleswig-Holstein/!5407471
## AUTOREN
Georg Löwisch
## TAGS
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