Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Behelfsetikett: Natur im freien Lauf
> Mogelpackung, Wundertüte: Die Internationale Gartenausstellung ist
> beides. Und kann für berauschende Gefühle sorgen.
Bild: Bunte Blumenwiese unten, Seilbahn oben: Die IGA, ein Rausch
Ein berauschendes Gefühl für Flachlandbewohner, so abzuheben. Unten gleitet
das Gelände der Internationalen Gartenausstellung – kurz: IGA – vorbei. In
der gläsernen Gondel der Seilbahn geht es sanft bis zu 30 Meter hoch
hinauf. Ein fantastischer Rundumblick! Die Plattenbauten, die das riesige
IGA-Gelände in Marzahn rahmen, stören nicht, sie scheinen weit weg.
Die Fahrt geht vom IGA-Haupteingang am U-Bahnhof „Kienberg – Gärten der
Welt“ den 102 Meter hohen Kienberg hinauf und dann weiter ans andere Ende
der IGA. Man könnte den Hügel auch hinauflaufen, erzählt eine etwa
50-jährige Frau in der Kabine. „Aber das ist ganz schön steil“, gibt sie …
bedenken, „danach sind sie fix und fertig.“
Unten zieht derweil eine Art Auenland vorbei, der Wuhleteich, überschwemmte
Wiesen und Schilfland, weidende Pferde und Schafe – das Wuhletal. Eine
riesige Brücke überspannt den Teich und den hier abfließenden Fluss. Ach
was, es ist eher ein Bächlein. Ein Reizthema für die mitfahrende
Marzahnerin, die gerade Freunde über die IGA führt.
„Früher war die Wuhle ein richtiger Fluss, jetzt nach den ganzen Arbeiten
zur IGA ist nur noch ein stinkendes Rinnsal übrig geblieben. Und sie haben
das Wuhletal eingezäunt, früher konnte da jeder langlaufen, jetzt muss man
dafür Eintritt zahlen“, echauffiert sie sich. „Dafür gibt’s an der Wuhle
entlang einen Fahrradweg für 40 Millionen.“
Okay, die Zahl stimmt, aber nicht so: Die ganze IGA kostet 40 Millionen
Euro, nicht allein der Fahrradweg. 40 Millionen: das sieht man dem rund 104
Hektar großen IGA-Gelände – eine Fläche so groß wie fast 140 Fußballfeld…
– an. Aber irgendwie auch nicht.
## Ein Erholungspark
Ich kenne die Gegend seit mehr als 15 Jahren. Das verwilderte Wuhletal als
abenteuerliches Spazierareal und die „Gärten der Welt“ als
Naherholungsgebiet. Anfangs hat der Eintritt einen Euro betragen, der stieg
dann mit den Jahren. Berechtigterweise. Immer mehr Themengärten entstanden.
Der Chinesische Garten, der erste, eröffnete 2000. Seitdem heißt der
ehemalige Erholungspark Marzahn (1987 noch zu DDR-Zeiten eröffnet) „Gärten
der Welt“.
Der Eintritt zur IGA kostet 20 Euro – erstaunlich viel. Vor allem, wenn man
bedenkt, das ein gut Teil der angepriesenen Attraktionen alles andere als
neu sind. Wer wie ich den japanischen, koreanischen, chinesischen,
balinesischen, orientalischen und christlichen Garten und auch das
Labyrinth, den Rosengarten und den Karl-Foerster-Garten seit Langem bestens
kennt, fühlt sich gelinde gesagt – betrogen. Mit anderen Worten: Die IGA
ist eine Mogelpackung.
## Einfach zum Verlieben
Und zugleich eine Wundertüte. Denn die IGA bietet viele neue Sensationen
wie eben die Seilbahn. Oder „Wolkenhain“, die futuristisch anmutende
Ausguckplattform oben auf dem Kienberg. Auch das englische Cottagehaus mit
Schau- und Nutzgarten ist einfach zum Verlieben. Allein die Wassergärten
„Promenade Aquatica“ sind einen IGA-Abstecher wert; sie thematisieren
Wasser als gestalterisches Element in verschiedensten Formen: Mal ist man
in Nebel gehüllt, mal tropft es wie wild, mal brodelt das Wasser, am Ende
fließt es meditativ still vor sich hin. Das ist unerwartet und innovativ.
Das gilt ebenso für die acht Internationalen Gartenkabinette – hier endlich
verdient sich die Internationale Gartenausstellung ihren Beinamen. Poetisch
und kontemplativ wirken die Minigärten von thailändischen, libanesischen
und chinesischen Gartenarchitekten, die gern mit Wasser und Spiegeln
arbeiten.
Die Beiträge aus Südafrika und Australien haben mit Gärten, wie wir sie aus
Europa kennen, schönerweise nichts mehr gemein, sie thematisieren
Vergangenheit und Zukunft zugleich. Und bei Teresa Moller aus Chile geht es
verwunschen zu. Ihr Gartenkabinett „Being under the Trees“ überlässt der
Natur freien Lauf, nichts wird eingeengt – kalkulierter Wildwuchs. Inmitten
von akkuratesten Beeten allüberall ein starkes Statement.
Am witzigsten ist das Kunstprojekt „Los Angeles Garden“ von Martin
Kaltwasser. Ein detailgetreuer Nachbau eines Miniparks, der mitten in einem
Parkplatz in Berlins ältester Partnerstadt Los Angeles liegt. Das bisschen
Rasen und die paar Palmen mit Sitzbank, umgeben von Teer und Autos,
verdeutlichen vor allem eins: wie gut es die BerlinerInnen in ihrer doch
recht grünen Stadt haben.
14 May 2017
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
IGA 2017
Berlin Marzahn-Hellersdorf
Reiseland China
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Flughafeneröffnung
Fête de la musique
Schwerpunkt Artenschutz
IGA 2017
IGA 2017
## ARTIKEL ZUM THEMA
Im chinesischen Restaurant in Hellersdorf: Chop Suey und ein Hauch von Luxus
Rundherum ist wenig los in der Hellersdorfer Promenade, das Hui Feng aber
hält durch. Zhang Hua ist Chef des Chinarestaurants in prekären Lage. Sein
Rezept: Zuhören.
Kolumne Behelfsetikett: Der Traum einer Schönefelder Freiheit
Der BER wird nie und nimmer eröffnen. Und das soll er auch nicht! Denn man
könnte so viele tolle Dinge auf diesem Gelände machen.
Kolumne „Behelfsetikett“: Aus der Gerüchteküche
Niedliche Pandabären, ein ausschweifendes Bierfestival, der nie eröffnende
BER und die Mär von den (Ostberliner) Tramfahrern in einer Kolumne!
Kolumne Behelfsetikett: Der ganze Kiez vibriert
Zur Fête de la Musique am Sommeranfangsmittwoch ist die Stadt so voll wie
nie – aber auch so entspannt wie nie. Das hätte unser Autor gerne öfter
Artenschutz für aussterbende Pflanzen: Oh Bauer, nimm mich mit
Viele Pflanzen überleben auf dem Land nur noch schwer. Das Projekt
„Urbanität und Vielfalt“ will ihnen in Städten neue Lebensräume schaffen.
IGA in Berlin-Marzahn: Nur die Harten komm' in‘ Garten
Die Internationale Gartenausstellung öffnet, als gerade die Kälte
zurückkehrt. Zu Besuch bei Mährobotern, Bärenfellgras und Schneeflocken.
Gartenausstellung in Berlin-Marzahn: Bahnt sich da was an?
Am Donnerstag eröffnet die IGA. Zwei Millionen Besucher wollen die
Veranstalter an den Stadtrand locken und das Bild des Bezirks bunter
machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.