| # taz.de -- Die Wahrheit: Donner und Doria | |
| > Heavy Seefahrt: Mit 2.000 Headbangern und jeder Menge Antriebsstoffen auf | |
| > krachender Metal-Kreuzfahrt im Mittelmeer. | |
| Bild: Es ist wie Wacken auf dem Wasser: Rund um den Pool des Kreuzfahrtschiffs … | |
| Eine Full Metal Cruise ist ein bisschen wie eine Teenagerparty, bei der die | |
| Feiernden stolz die weggenuckelten Biere zählen. „Sieben Jollen, die achte | |
| gildet nicht, kam dann ja gleich wieder hoch.“ | |
| Bei der nun bereits fünften Metal-Kreuzfahrt darf es wieder etwas mehr | |
| sein: 27.000 Liter Fassbier und 45.000 Büchsen Beck’s hat der Luxusclipper | |
| „Mein Schiff 2“ getankt, 20 Liter pro Nase, vom edleren Sprit gar nicht zu | |
| reden. Aber hier geht alles seinen geregelten peristaltischen Gang, wir | |
| sind ja schließlich keine Pennäler mehr. Wer am nächsten Tag doch mal das | |
| Frühstück schwänzt, muss sich eine gute Ausrede einfallen lassen: „Ich habe | |
| die Currywurst im Verdacht!“ | |
| Bereits im Anflug nach Malle, dem Start- und Zielhafen dieser Kreuzfahrt im | |
| Namen des Stahls, zeigt das Duty-free-Likörchen bei einigen mit hübsch | |
| gelochten Beinkleidern und gewaltverherrlichenden T-Shirts angetanen Damen | |
| Wirkung. Sie singen fröhliche Kampftrinkerlieder und stehen bereits im | |
| Gang, da haben noch gar nicht alle drei Räder unseres Jets den Boden | |
| berührt, um als Erster bei der nächsten Flughafentränke nachfassen zu | |
| können. | |
| ## Fröhliche Ladykracher | |
| Aber der braungebrannte Billig-Airline-Käpt’n fliegt die Route | |
| Hannover–Mallorca zweimal am Tag, seit zehn Jahren, entsprechend | |
| aufgerebbelt ist sein Geduldsfaden durchs viele Zupfen der üblichen | |
| Notabiturienten-, Jungbullen- und Swingerclub-Bagage. Er tippt ein paar Mal | |
| forsch auf die Bremse, sodass die Ladykracher fröhlich übereinanderpurzeln. | |
| So haben alle etwas davon. | |
| Es zahlt sich von Anfang aus, dass hier so viele weibliche Gäste mit von | |
| der Partie sind. Das wilde Dixieland der Open-Air-Festivals wird von ihnen | |
| ja oft gemieden. Auf der Cruise hingegen ist in Bad und WC alles okay. Und | |
| den großen, blutunterlaufenen Augen der männlichen Teilnehmer kann man | |
| ablesen, dass sie gegen die ausgeglichenere Geschlechterverteilung absolut | |
| nichts einzuwenden haben. | |
| Unsere ganze Flugmannschaft schifft sich geschlossen ein und feiert auf dem | |
| Pooldeck weiter, jetzt endlich all inclusive. So verlassen wir den sicheren | |
| Hafen. Das ist durchaus symbolisch zu verstehen. Unser Einpeitscher gibt | |
| deshalb schon früh Entwarnung: „Was auf der Cruise passiert, bleibt auf der | |
| Cruise!“ Metalheads sind manchmal etwas naiv, tatsächlich glauben sie ihm | |
| das und lassen jetzt erst richtig die Leinen los. | |
| ## Kotztüten im Dauereinsatz | |
| Das erste Ziel ist die Briefmarken-Kolonie Gibraltar, genau der richtige | |
| Ort für diese nicht mehr ganz so aufnahmefähige Entourage. Zweimal lang | |
| hingeschlagen, und man ist da durch. Aber so weit kommen wir gar nicht, die | |
| Brandung wird schwer, richtige Wellen schwappen gegen unsere 300 Meter | |
| lange Nussschale, ein paar Gläser rutschen, in der Küche gehen Tellerstapel | |
| zu Bruch und einige Metalheads kommen der Aufforderung auf dem | |
| Sea-Sickness-Tütchen nach: „Calm down, Fill up, Bang on!“ „Titanic“-Fe… | |
| pur. Jedenfalls dürfen wir nicht in den Hafen einlaufen. Aber der Kapitän | |
| bleibt gelassen, dreht bei und schippert gleich nach Málaga weiter. | |
| Die Enttäuschung hält sich in Grenzen. Der Flüssigvorrat reicht noch eine | |
| Weile, wenigstens bis Málaga, „and the bands played on“, wie die | |
| Metal-Veteranen von Saxon wissen. Man trifft fast alle Musiker nach der | |
| Show an der Bar oder in den Fluren, weil sie die Kajüte gleich nebenan | |
| belegen, man ist wirklich in einem Boot. Vielleicht sorgt das dafür, dass | |
| hier alle korrekt abliefern. Nur Black Metal hat es etwas schwer. „Klingt | |
| ja wie ne Seelöwenfütterung“, meint eine vom Seegang oder einfach nur so | |
| schwankende Grazie neben uns. „Üöwöwöwö.“ | |
| Bevor es für die Crew zu ruhig wird, weil die 2.000 Schwarzgewandeten | |
| einfach nicht mehr können nach fünf Tagen Donner und Doria, legen wir | |
| wieder in Palma an. Es kommt viel zu junges, unsympathisch lebendiges | |
| Hipster-Volk an Bord. „Es ist eine Schande“, höre ich einen Altrocker | |
| sagen, der mit mir an Land geht. Ein anderer mischt sich ein, er sieht aus | |
| wie Jürgen Prochnow. „Das muss das Boot abkönnen!“ | |
| 5 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Schäfer | |
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