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# taz.de -- Die Wahrheit: Drei Atü auf der Nille
> Gunther ist der wahrscheinlich coolste Ticketverkäufer der Welt. Er hat
> schon alles gesehen und gehört – bis dieser dringende Notruf kam …
Bild: Es ist wie Wacken auf dem Wasser: Rund um den Pool des Kreuzfahrtschiffs …
Gunther ist der Mann am anderen Ende, wenn man die Hotline des
Burg-Herzberg-Festivals anruft, dieses überregional bekannten sommerlichen
Musikfestivals im Hessischen. Bei ihm klingeln die Hippies, denn auf dem
Berg geht es hippiesk zu. Ihm macht man so schnell nichts vor. Er hat schon
jeden Acid-Aphorismus, jedes Bullshit-Bonmot, jede Space-Cake-Parole
gehört. Dreimal!
Und so stutzte er auch kaum, als ihm an diesem selbst für unsere klimatisch
kaputten Verhältnisse ungewöhnlich warmen Winternachmittag eine vorfreudig
hechelnde Stimme Bescheid tat. „Ich bin jetzt da. Aber so was von da.“ –
„Das höre ich“, antwortete Gunther und spielte ruhig weiter mit seinem
neuen Meditationswerkzeug, einem im Batik-Style bemalten Fidget Spinner,
der besten Waffe gegen reale Spinner.
„Mach auf, Mann“, greinte es nun am anderen Ende notdürftig, „ich hab dr…
Atü auf der Nille.“ – „Aaaha“, sagte Gunther gelassen, brachte das
Werbegeschenk von Batik-Biene noch einmal ordentlich auf Touren und ging
dann zum Fenster, um nach draußen zu schauen.
Es kam schon mal vor, dass ein Herzberg-Freak sein Ticket persönlich
abholte, weil ihm die menschliche Seite einer Geschäftsbeziehung sehr viel
bedeutete – oder die Zauberpilze in seinem Heizungskeller gar prächtig
gediehen und er sich nach einer semilegalen Vertriebsmöglichkeit auf dem
Festival umhören wollte. Aber da unten stand gar niemand.
„Was ist nun?“, koberte es aus dem Hörer. „Ich bin da, voll da, aber das
sagte ich wohl schon!“ Gunther erklärte dem Kunden daraufhin eins der
großen existenzphilosophischen Welträtsel, dem zufolge man zwar nicht
unbedingt hier, aber dennoch ohne Weiteres da sein konnte. „Lass es mich
mal anders formulieren“, gab er ihm zu bedenken. „Wenn ein Baum im Wald
umfällt und keiner hört hin, macht der Baum dann ein Geräusch?“
Es entspann sich daraufhin ein interessantes Gespräch, in dessen Verlauf es
dem Anrufer gelang, trotz seiner angespannten Lage („Drei Atü, Mensch, aber
das sagte ich wohl schon!“), den Sachverhalt erstaunlich klar
herauszupräparieren. Es handelte sich bei ihm nämlich mitnichten um einen
bewusstseinserweiterten Herzberg-Struwwelpeter, sondern um einen ganz
profanen Puffgänger, der vor der Tür eines Etablissements stand. Als ihm
nach mehrmaligem Klingeln nicht aufgetan ward, bemerkte er den
Herzberg-Aufkleber neben der Eingangstür, den offensichtlich festivalaffine
Kollegen von ihm an der Tür zum Puff angebracht hatten. Der Sticker warb
mit dem aktuellen Motto, der frohen Botschaft – „Make Love Work“. Mehr, in
Gottes Namen, wollte unser Mann ja auch nicht!
Und so wählte er in seiner Notlage kurzerhand die fett gedruckte
Telefonnummer der Hotline darauf und landete bei Gunther, der ihm zwar
nicht direkt weiterhelfen konnte, aber vielleicht mittelbar.
„Hat am Ende natürlich ein Ticket gekauft“, erzählte er mir achselzuckend.
21 Dec 2017
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Bordell
Schwangerschaft
Alkohol
Niedersachsen
taz.gazete
Heavy Metal
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