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# taz.de -- Die Wahrheit: Stahl hält hoch
> Bei einem Festival in Braunschweig zeigt die Heavy-Metal-Gemeinde wieder
> einmal, wie wunderbar durchdrungen von Nostalgie sie ist.
Bild: Deutliche Sprache, unmissverständliche Pose: Steel Panther beim „Elbri…
Horns zur Begrüßung: zwei Finger hoch. Und dann laut genug, damit die
Schlange hinter einem auch hört, dass sie es hier nicht mit einem fucking
anybody zu tun hat. „Ich steh auf der Gästeliste“, sage ich. „Alter, wir
haben hier gar keine Gästeliste“, sagt der gutmütige Zausel mit dem
Dreimonatsbart und einer Bauchwanne, die wirklich mal Arbeit gemacht hat.
Er sitzt hinter dem Einlasstischchen und lächelt charmant, soweit sich das
durchs Gestrüpp sagen lässt. Er ist allein. Eine Security braucht es nicht,
wir sind ja hier auf dem „Steel Held High“, einem Festival in Braunschweigs
B 58, das sich dem immer noch guten, ganz alten, dem einzig wahren, also
dem Trve Trve Trve Metal verschrieben hat.
„Wie jetzt, keine Gästeliste?“ Ich bemerke, wie Zausel sich an meiner
Unruhe weidet. „Aber ich hatte doch angerufen.“ – „Wir haben hier gar k…
Telefon.“
Jetzt merke ich es erst: dass er mir – alias dem schmarotzendem
Schreiberpack – nur mal ein bisschen die Luft rauslassen will. Es fühlt
sich nicht mal schlecht an. Ich bekomme unter großem „Hohoho“ und viel
Augengezwinker mein Einlassbändchen, früher hatte es ein
Fleischbeschauerstempel getan – „Zum Verzehr ungeeignet“.
Aber sonst ist alles wie damals, als wir hier Mitte der achtziger Jahre
Amps und Schlagzeug reinwuchteten und uns vor fünfzig Menschen richtig
nassmachten. Etwa die Hälfte des Publikums bestand aus auftretenden
Musikern. Man verkaufte zwei, drei Demos oder später dann auch ein Album,
und ein Spinner kam nach jeder Show und erzählte mit
Wichtigwichtigpopichtig-Miene, er könne einen „Gig mit Sodom“ klarmachen.
Wenn dann auch noch ein leidlich angetrunkenes Mädchen auf der Treppe das
Kinn hob und die beiden magischen Wörter „cool“ und „Show“ in einen
halbwegs sinnvollen Zusammenhang brachte, wollte man nirgendwo anders sein
auf der Welt.
Ich war jetzt auf der Treppe hinauf zum Club und belauschte zwei junge
Kuttenträger. „Was heißt ’n das eigentlich genau, ‚Steel Held High‘?�…
‚Stahl hält hoch‘, du Rind!“ – „Geil.“
Nostalgie hat ja keinen guten Leumund, aber beim Metal geht es nicht ohne.
In der harten Szene wurde der Rückwärtssalto in die heimelige Suhlekuhle
stets mit gerecktem Daumen bedacht, und deshalb erreicht die
Hard-&-Heavy-Fraktion in dieser Disziplin auch eine Perfektion, von der
andere Genres nur träumen können. Wir haben einfach länger geübt.
Etwas aber hatte sich grundsätzlich verändert. Das B 58 selber. Diese
Lokalität klang immer übel, nach feuchtem Kohlenkeller oder Schlimmerem.
Dreißig Jahre später ist der Laden endlich richtig eingespielt, hat sich zu
einem kuscheligen Club transformiert, in dem die Bands massig Staub
aufwirbeln können, ohne dass die Trommelfelle über Gebühr ausleiern.
Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sieht man auch, dass
ein Konfirmand bereits lang hingeschlagen ist. Er hat am Sherry genippt und
muss jetzt ein bisschen brechen. Ich war endlich wieder zu Hause.
17 Mar 2017
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Heavy Metal
Braunschweig
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