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# taz.de -- Macron vor der Stichwahl gegen Le Pen: „Nice guy“ war gestern
> Der Liberale sieht sich als letztes Bollwerk der Demokratie gegen den
> rechtsextremen Front National. Und er will mehr sein als das kleinere
> Übel.
Bild: Will Zuversicht verbreiten: Emmanuel Macron
Paris taz | Zu Tausenden stehen die Anhänger Emmanuel Macrons vor dem
Veranstaltungsort an. Sie sind geduldig – und sie glauben fest an den
Wahlsieg des linksliberalen Kandidaten bei der Stichwahl um das Amt des
Präsidenten der französischen Republik am kommenden Sonntag. Was sie
hingegen fürchten, ist ein knappes Ergebnis. „Das würde den neu gewählten
Präsidenten im Voraus schwächen“, analysiert der 62-jährige Daniel, der in
einem Pariser Consultingbüro tätig ist.
Die Gefahr besteht. Am 1. Mai ging es bei den Gewerkschaftskundgebungen
nicht nur um soziale Forderungen, sondern auch um Wahlparolen: vor allem
gegen die rechtsextreme Marine Le Pen, etwas weniger deutlich für Macron.
Kein Wunder, dass auch die beiden Kandidaten am Tag der Arbeit keine Pause
machten, sondern ihre Anhänger versammelten: die Chefin des Front National
in einem Ausstellungsgelände in Villepinte am Rand von Paris, der Kandidat
der Mitte in einem nicht weniger gigantischen Saal an der Porte de la
Villette.
Ihre Reden werden zum Schlagabtausch auf Distanz. Dabei sind, schenkt man
den Umfragen Glauben, die Würfel längst gefallen. Sie sagen einen Sieg des
Exministers Macron mit um die 60 Prozent gegen ca. 40 für die
Rechtsextremistin voraus.
Der jüngere Macron-Fan in der Warteschlange an der Porte de la Villette ist
trotzdem keineswegs siegessicher: „Von meinen Bekannten zögern noch viele.
Vor allem die jungen, die im ersten Durchgang Mélenchon gewählt haben. Sie
sehen in der Stichwahl eine Wahl zwischen Pest und Cholera.“ Diese
Unschlüssigen sind zwar nicht zahlreich im Publikum, aber es gelte, sie zu
überzeugen.
Die Versicherungsangestellte Carole etwa verrät, sie hätte eigentlich eher
für die Sozialisten gestimmt – wenn diese einen anderen Kandidaten als
Benoît Hamon aufgestellt hätten. Doch jetzt gebe es keine Alternative mehr
zu Macron. „Ich möchte, dass er mir Gründe gibt, an ihn zu glauben“, so
Carole hoffnungsvoll.
## Macron warnt vor „tödlichen Risiken“
Die unzähligen jungen Helfer in farbigen Macron-T-Shirts, die für den
Ablauf der Veranstaltung zuständig sind und alle Ankommenden überaus
herzlich begrüßen , strahlen den Optimismus aus, der Macrons politisches
Markenzeichen ist. Sogar die sonst bei anderen Anlässen mürrischen schwarz
gekleideten Sicherheitsleute, die alle Taschen durchsuchen, lassen sich von
dieser Fröhlichkeit anstecken.
„Gratis-Umarmungen gibt es nur am Sonntag, heute ist Montag“, lacht eine
der Angestellten einer Schutzfirma, weil sich ein Mann irrtümlich in ihrer
Reihe angestellt hat, wo nicht Männer, sondern nur Frauen nach Waffen
abgetastet werden. Die strengen Kontrollen rufen jedoch allen in
Erinnerung, dass gerade bei solchen Massenanlässen eine akute Gefahr von
Terroranschlägen besteht.
Dabei wäre die Stimmung auch ohnedies dramatisch genug. Emmanuel Macron,
der unter tosendem Beifall auf die Rednertribüne steigt, warnt in
alarmierenden Tönen vor den tödlichen Risiken, die seine Gegnerin Le Pen im
Fall ihrer Wahl für die Freiheit, für die Wirtschaft und das Zusammenleben
darstellen würde. Eine Wahl von Le Pen wäre ein „Weg ohne Wiederkehr“,
beschwört der Kandidat der Mitte seine Landsleute.
Er erinnert sie an die Herkunft der Rechtsextremen, die „seit Jahrzehnten
Hass und Zwist säen“. „On en veut pas!“ („Das wollen wir nicht“) ert…
Echo dazu und als Absage an Le Pens Wahlkampagne Sprechchöre aus dem Saal
mit 12.000 Menschen, in dem französische Trikoloren und fast ebenso viele
EU-Banner geschwenkt werden.
Unter den Zuhörern gibt es viele Familien, besonders sichtbar sind die
viele Bürger von den Antillen und mit Migrationshintergrund. Sie wissen,
was sie mit Le Pen zu verlieren haben. „Ensemble la République“ steht als
Slogan eines friedlichen und multikulturellen Miteinanders in riesigen
Lettern hinter der Rednertribüne.
Macron ist nicht mehr der nette, stets versöhnliche nice guy der Kampagne
zur ersten Wahlrunde. Er ist auch nicht mehr der Favorit, der laut Umfragen
so gut wie schon gewonnen hat. Er sieht sich als letztes Bollwerk der
französischen Demokratie vor dem Chaos: einer rechtsextremen
Machteroberung, die nicht mehr ganz ausgeschlossen werden kann.
## Hoffnung gegen Angst
Macron malt ein Schwarzweißbild dessen, was ihn von Le Pen unterscheidet.
Er vertritt den Optimismus und die Hoffnung, seine Gegnerin den
Pessimismus, die Angst und die Probleme, auf denen diese floriere. Ihr
Nationalismus und ihr Protektionismus würde Frankreich in eine Isolation
führen, und die Rückkehr zur nationalen Währung – Macron nennt das
„Monopoly-Geld“ – werde für die einfachen Bürger eine Verarmung zur Fol…
haben. Was die FN-Kandidatin vorschlage, würde schlechthin alles zerstören,
was Frankreich ausmache. Darum verkörpere Le Pen das „Antifrankreich“.
Schlimmer noch, sie würde das Land in einen „Bürgerkrieg“ treiben.
Das Einzige, was der FN verstehe, sei, „die Wut der Leute und die
Ineffizienz der Politik der letzten zwanzig Jahre auszuschlachten“. „Der FN
verdient diese Wut nicht“, ruft Macron, der den enttäuschten Bürgern
Zuversicht und ein anderes Programm anbieten will, das er auf den Slogan
reduziert: „Ein starkes Frankreich in einem Europa, das Schutz bietet.“
Auch den Patriotismus will er seiner Gegnerin nicht überlassen. Aber da es
der Tag der Arbeit ist, lässt Macron seine Anhänger als Hommage alle
Werktätigen des Landes applaudieren. Es hat ihn sichtlich getroffen, dass
er von der Gegenseite – wo Le Pen die große „Altermondialistin“ spielt �…
als Verkörperung der „Finanz“, als Paradefigur der Elite und mithin als
„Hollande-Baby“ karikiert wird.
Das will der Kandidat nicht auf sich sitzen lassen, er kontert, Le Pen
selbst sei in einem Schloss – der von ihrem Vater ererbten Villa
Montretout – aufgewachsen und sei als Tochter eines Millionärs wohl
schlecht platziert, sich als Kind aus dem Volk aufzuspielen.
Bei der ihm gegenüber weiterhin skeptischen Linken hätte sich Macron an
diesem 1. Mai auch mit ein paar Floskeln anbiedern können. Er hat das nicht
gemacht, sondern hält an seinem Reformprogramm fest. Gewinnen will er nicht
mit unglaubwürdigen Zugeständnissen, sondern in der Rolle des Retters der
Demokratie, die ihm nun zufällt. Auf jeden Fall möchte er als Sieger am 7.
Mai mehr sein als bloß das kleinere Übel.
3 May 2017
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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