Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Repressionen in Russland: Keine Zeugen mehr
> Russland hat die Zeugen Jehovas als „extremistische Organisation“
> eingestuft. Absurd, denn die Sekte lehnt den Wehrdienst konsequent ab.
Bild: Russland rüstet gerade massiv auf – hält aber die pazifistischen Zeug…
Moskau taz | Seit mehr als einem Jahrhundert wirbt die [1][Sekte der Zeugen
Jehovas] in Russland um neue Glaubensbrüder. Russland war schon immer ein
besonders fruchtbares Feld für Sekten und Häretiker. Selbst der verordnete
Atheismus des kommunistischen Sowjetreiches konnte dies nicht gänzlich
unterbinden. So tauchten auch die Zeugen Jehovas während der Sowjetunion in
den Untergrund ab. Nach dem Ende des Kommunismus wurde die
Glaubensgemeinschaft Anfang der 1990er Jahre rehabilitiert. Wie andere
Gruppen und Ethnien auch, die Opfer [2][stalinistischer Repression]
geworden waren.
Ein Vierteljahrhundert ist seither vergangen, nun drohen der Sekte erneut
Diskriminierung und Kriminalisierung. Russlands Oberstes Gericht stufte die
Religionsgemeinschaft am Donnerstag als „extremistische Organisation“ ein.
Die 395 Religionsverbände landesweit müssen aufgelöst werden, während das
gesamte Eigentum der Gemeinschaft an den russischen Staat fällt. Sollte die
Entscheidung in Kraft treten, müssten aktive Anhänger der Sekte mit
Strafverfolgung und Haftstrafen rechnen. Noch hofft die Organisation, vor
dem Europäischen Gerichtshof ein anderes Urteil erwirken zu können.
175 000 Mitglieder gehören der Sekte nach eigenen Angaben in Russland an.
Den Verbotsantrag hatte das russische Justizministerium gestellt, das seit
längerer Zeit versucht, die missionarische Tätigkeit der Sekte zu
unterbinden. Die Zeugen vermuten dahinter „politische Repressionen“ und
reichten eine Gegenklage ein, die vom Richter jedoch zurückgewiesen wurde.
„Das wahre Ziel sind politische Repressionen gegenüber religiösen
Organisationen“, sagte ein Anwalt der Glaubensgemeinschaft.
## Herausforderung für das Putinsche Herrschaftsmodell
Das Justizministerium hält die Zeugen für extremistisch, da sie für
„Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ sowie „Rechte der Bürger eine
Gefahr“ darstellten, hieß es in einer Stellungnahme des Ministeriums. Auch
dass die Sekte Bluttransfusionen ablehnt, wertete die Behörde als einen
Verstoß gegen Menschenrechte. Ebenfalls gefährlich sei die Zeitschrift der
„Wachturm“, die trotz Verbots weiter verteilt werde. Unter extremistische
Literatur fiel auch die Broschüre „Wir lernen in der Schule des
theokratischen Dienens“. Offensichtlich gewahrte das Ministerium darin eine
Herausforderung für das Putinsche Herrschaftsmodell, das neben dem
Präsidenten niemanden duldet.
In der patriotischen Hypnose dürfte auch die konsequente Ablehnung des
Wehrdienstes durch die Sekte unangenehm aufgefallen sein. Denn der Staat
treibt mit allen Mitteln die Militarisierung Russlands voran.
Friedfertigkeit im Namen des Glaubens haftet demnach etwas Verstörendes an.
Der Orthodoxen Kirche geht es weniger um Extremismus und Wahrung der
Menschenrechte, sondern um die Absicherung des konfessionellen Monopols und
den Schulterschluss mit dem Kreml. Die Zeugen hatten unterdessen beklagt,
dass ihnen „extremistische“ Literatur untergeschoben worden sei, die
überdies noch Vermerke des ursprünglichen Besitzers enthielt – der Russisch
Orthodoxen Kirche.
„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass im modernen Russland, das
die freie Religionsausübung garantiert, dergleichen noch möglich ist“,
sagte ein Vertreter der Zeugen nach dem Urteil.
21 Apr 2017
## LINKS
[1] /!5259826/
[2] /!5363723/
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Zeugen Jehovas
Sowjetunion
Russland
Repression
Religionsfreiheit
Zeugen Jehovas
Russland
Russland
NS-Verfolgte
Burka
Zeugen Jehovas
Zeugen Jehovas
## ARTIKEL ZUM THEMA
Russland verbietet christliche Sekte: Keine Milde für die Zeugen Jehovas
Die Glaubensgemeinschaft wurde zur extremistischen Vereinigung erklärt. Sie
muss zurück in den Untergrund, wie schon zu Sowjetzeiten.
Justiz in Russland: Doch nicht ins Arbeitslager
Ein Blogger wird zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Er hatte
in einer Kirche mit seinem Smartphone „Pokémon Go“ gespielt.
Homophobie in Tschetschenien: Moskau hält die Füße still
Das LGBT-Netzwerk in Moskau versucht Homosexuelle aus Tschetschenien
herauszuholen. Die werden dort in Geheimknästen gefoltert.
Die VVN wird 70 Jahre alt: „Der Faschismus starb nicht aus“
Als kommunistisch verschrieen, zeitweise verboten, derzeit kämpfend gegen
die AfD: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wird am heutigen 3.
Februar 70 Jahre alt.
Die Wahrheit: Burkas, Äpfel und Birnen
Verbote von außen führen bei Menschen, die Religion für sich als relevant
betrachten, zu einer Binnensolidarisierung.
Bremen erkennt Zeugen Jehovas an: Sekte erhält Kirchenstatus
Nach seiner Niederlage vorm Bundesverfassungsgericht hat Bremen den Zeugen
Jehovas jetzt den Status einer Körperschaft verliehen – und seine
Verfassung geändert.
Kommentar Urteil Zeugen Jehova: Drückeberger in Karlsruhe
In seinem Beschluss zu den Zeugen Jehova lässt das Bundesverfassungsgericht
eine klare Haltung vermissen. Aber genau die wäre dringend nötig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.