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# taz.de -- Sachbuch „Unter Sachsen“: Dumpf ist Trumpf
> Wie ein Land sich durch Pegida verändert? Davon erzählen Heike Kleffner
> und Matthias Meisner in ihrem Buch „Unter Sachsen“.
Bild: Haute couture aus Sachsen: Teilnehmer einer Pegida-Kundgebung in Dresden
„Es konnte kein bequemes Buch werden.“ Mit diesem knappen Satz beginnen
Heike Kleffner und Matthias Meisner ihr Vorwort, und da ahnt man schon,
dass die Lektüre ebenso wenig ein harmloser Spaziergang wird wie Pegida
einer ist. Beide Herausgeber beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit dem
Erstarken der Rechten in Sachsen: Kleffner als Autorin sowie als Referentin
der Linksfraktion im Bundestag für die NSU-Untersuchungsausschüsse, Meisner
als Redakteur des Tagesspiegels. Nun haben sie, gemeinsam mit vielen
anderen, Betrachtungen und Recherchen in einem Buch versammelt: „Unter
Sachsen. Zwischen Wut und Willkommen“.
Über den Beiträgen schwebt vor allem eine Frage: Warum Sachsen? Warum wurde
ausgerechnet dieses Bundesland zum Inbegriff des Versagens der Behörden,
des Hasses der Abgehängten, der Resignation der Gesellschaft? Die Antwort
darauf muss sich der Leser schlussendlich selbst geben. Das Buch will – und
das ist angenehm, weil selten – weniger belehren als erzählen.
Der Band fragt deshalb nicht nur, wer da in Dresden mitläuft und was
eigentlich die Mauer damit zu tun hat. Er geht in die Tiefe, schaut genau
hin, wie in Meisners präziser Untersuchung der „Staatspartei CDU“, die
Fremdenhass einfach ausblendet.
Glücklicherweise blicken die Autoren auch darauf, was diese Zustände mit
den anderen machen. Die anderen, das sind jene Menschen in Sachsen, die
nicht jeden Montag „Merkel muss weg“ brüllen. Für sie haben sich Land und
Leben verändert, auch davon erzählen Texte in diesem Buch – wenngleich sie
in der Minderheit bleiben gegenüber harten Diagnosen einer zunehmend
bedrückenden Realität.
Pegida polarisiert, nicht nur in den Medien und auf der Straße, sondern
auch an Küchentischen und Arbeitsplätzen. Zusätzlich zu den Beiträgen haben
die Herausgeber deshalb kurze Zwischenrufe von prominenten EinwohnerInnen
Sachsens gesammelt. Das bereichert das Buch insofern, als man nach sich
häufenden Schilderungen, beispielsweise von rassistisch motivierten Morden
oder der Harmonie zwischen CDU und AfD im Landtag, dann doch irgendwann das
dumpfe Gefühl hat, dass die gesellschaftliche Gesamtsituation derzeit ja
eigentlich nirgends so trist und schlimm sein könne wie eben in Sachsen.
## „Von nichts eine Ahnung“
Da ist es nur gut, dass am Ende kein trocken akademisiertes Schlusswort
steht, sondern ein schöner kleiner Text von Michael Bittner: „Die Rückkehr
der Döner-Nazis“. Darin erzählt der Autor vom vermeintlich harmlosen
Mitläufertum, wie er es in seiner Jugend selbst erlebte und das sich 2014
in Pegida unerwartet hässlich Bahn brach: „Ich hatte von nichts eine
Ahnung, geschweige denn eine eigene Meinung. Also quatschte auch ich abends
beim Dosenbier an der Tanke über ‚die Ausländer‘ mit, was alle quatschten…
Am Ende, schreibt Bittner, bleibe die Hoffnung, auch auf ein weltoffenes
Dresden.
Das Klima, das in großen Teilen dieser Beiträge geschildert wird, macht
jedenfalls keine Illusionen. Aber dass es einmal so kenntnisreich und vor
allem in facettenreicher Schilderung aufgeschrieben wurde, ist wichtig. Man
mag sich über geifernde Montagsspaziergänger in der „heute-show“ lustig
machen, über sächsische Verhältnisse schimpfen – nur hilft das gegen Pegida
und AfD erfahrungsgemäß wenig. Wer stattdessen genau hinsehen möchte,
sollte dieses Buch lesen.
27 Apr 2017
## AUTOREN
Johanna Roth
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Pegida
Sachsen
Demokratieforschung
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Der Monat in rechten Medien
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt Pegida
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