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# taz.de -- Neuer Roman von Heinz Strunk: Des Parkhauswächters Leben
> Mit seinem Roman „Jürgen“ ist Heinz Strunk zurück im Spaßgewerbe. Und
> jetzt fragen sich alle: War der Ausflug ins Ernste nur ein Ausrutscher?
> Gähn!
Bild: Eigentlich sehnt Jürgen sich nur nach Liebe und Leidenschaft
Heinz Strunk wurde bekannt als die Spaßkanone vom Dienst und erschloss sich
recht ausgefallene Kanäle für seine Witze. Mit dem Studio Braun erhoben er
und die weiteren Hamburger Halbprominenten Jacques Palminger und Rocko
Schamoni Telefonscherze zur Kunstform und mit Fraktus erfand er mit
derselben Truppe eine deutsche Version der Spinal Tap, die immerhin einen
Film lang ganz lustig war.
Sein Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ wurde gar zum Bestseller, und es
zeigte sich, dass sein verschrobener Hamburger-Humorschule-Witz in der
Mario-Barth-Republik tatsächlich konsensfähig zu sein scheint.
Dann jedoch veröffentlichte er ein Buch mit seinen Lieblingsstellen aus dem
Werk von ausgerechnet Botho Strauß, dem eher unlustigen Verfasser des
Essays „Anschwellender Bocksgesang“ und anderem schwer Verdaulichem.
Endgültig raus aus der Humorecke und mitten hinein ins bürgerliche
Feuilleton wanderte er dann mit seinem Roman „Der goldene Handschuh“, der
überall gelobt wurde, aber nicht deswegen, weil er so witzig war, sondern
so künstlerisch wertvoll. Heinz Strunk war nicht länger der Comedian unter
den deutschen Autoren, sondern ein Literat.
Und jetzt erscheint „Jürgen“, das neue Buch von Heinz Strunk, der
eigentlich Mathias Halfpape heißt, obwohl auch dieser Name wie ausgedacht
klingt, und die Verwirrung ist groß. Der Mann ist jetzt ernsthaft wieder
witzig, was soll das denn? Kaum auf Augenhöhe mit Martin Walser, begibt er
sich schon wieder runter in die Niederungen des Spaßgewerbes. Die Kritiken,
die bislang zu „Jürgen“ erschienen sind, fragen zum großen Teil: War der
Ausflug ins ernste Fach nur ein Ausrutscher? Und vor allem: Braucht Heinz
Strunk Geld?
Vorgeworfen wird dem Autor zudem, sich bei seiner Erzählung über die
Abenteuer des liebeshungrigen Jürgen Dose beim eigenen Werk bedient zu
haben. Dieser Gag oder jene Figur sei im Strunk’schen Œuvre doch bereits
schon einmal aufgetaucht, wird ihm vorgehalten, ganz so, als dürfe Heinz
Strunk nicht selbst bestimmen, was er so mit seinen eigenen Gags und
Figuren anstellen mag.
Man sollte am besten all diese quälenden Diskussionen um Heinz Strunks
neues Buch vergessen. Sie lenken nur unnötig von dem Lesevergnügen ab, das
einem „Jürgen“ von vorne bis hinten bereitet. Man ist sofort ganz nah bei
ihm, bei dem Parkhauswärter Jürgen Dose, der bereits über 40 ist und noch
bei seiner bettlägrigen Mutter lebt, die er betreuen muss, und der sich so
sehr eigentlich nur eines wünscht: etwas Aufmerksamkeit seitens des
weiblichen Geschlechts.
Jürgen Dose will einfach nur ein wenig Liebe und Zärtlichkeit. Mit dem
letzten Rest Hoffnung darauf, dass es sogar für den klapprigsten Topf eines
passenden Deckel gibt, zieht er mit seinem besten und wohl auch einzigen
Freund Bernd Würmer, der im Rollstuhl sitzt, durch trostlose Ecken Hamburgs
und landet am Ende dann doch immer nur wieder allein zu Hause bei seiner
armen Mutter.
Jürgen ist halt ein ganz armer Willy und kein Kai Pflaume, aber das weiß er
auch selbst. Da helfen am Ende nicht einmal die besten Tipps aus der
einschlägigen Fachliteratur für angehende Flirtkönige. Auch Speed Dating,
ein Trip mit „Euro Love“ zu angeblich heiratswilligen Polinnen in Breslau:
nichts funktioniert. Im Gegenteil. Alles wird immer nur noch schlimmer,
und das will bei Jürgen Doses Ausgangszustand zu Romanbeginn schon etwas
heißen.
„Jürgen“ ist sicherlich kein Roman für die Endauswahl von
Literaturpreisjurys, und „Fleisch ist mein Gemüse“ bleibt das bessere Buch
aus Strunks Humorabteilung. Aber so wie einem hier penetrant dumme Sprüche
und bizarre Wortgirlanden um die Ohren gehauen werden, ein „Fummelkönig“
präsentiert und durch „Schuppen“ und „Kabuffs“ ohne Ende gezogen wird,
präsentiert sich der Autor immer noch als Wortwitzprofi erster Kajüte.
Dabei weiß man nie, wer jetzt genau den blöderen Quatsch daherlabert:
Jürgen und Bernd oder die Verfasser dieser Pick-up-Artist-Bücher, aus denen
reichlich zitiert wird.
28 Apr 2017
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Heinz Strunk
Literatur
Roman
Heinz Strunk
Literatur
Heinz Strunk
Roman
Rocko Schamoni
Neues Album
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