# taz.de -- Kolumne Macht: Nur ein beiläufiger Seitenhieb? | |
> Warum die taz keineswegs das „Zentralorgan“ der Grünen ist. Ein offener | |
> Brief an den Journalisten Albrecht von Lucke. | |
Bild: Selbst SPDler lesen die taz. Hier Wolfgang Thierse 1990 | |
Lieber Albrecht von Lucke, lassen Sie mich diese Zuschrift mit einer | |
Selbstkritik beginnen: Ich finde den [1][kritischen Beitrag] fabelhaft, den | |
Sie in der Publikation Blätter für deutsche und internationale Politik, | |
deren Redakteur Sie sind, über die Grünen verfasst haben. Und dennoch hätte | |
ich Ihnen vermutlich nicht geschrieben, um Ihnen zu dem Text zu | |
gratulieren. | |
Sondern ich melde mich, weil ich mich über eine bestimmte Formulierung | |
geärgert habe. Auch ich gehöre also zu den Leuten, die sich erst dann | |
rühren, wenn sie etwas stört. Das ist ein Verhalten, das ich eigentlich | |
nicht mag, und deshalb möchte ich doch noch einmal sagen, wie gut mir – | |
insgesamt – das gefallen hat, was Sie über die Grünen geschrieben haben. | |
Damit aber nun doch zum eigentlichen Anlass meines Briefes. Sie bezeichnen | |
in Ihrem Text die taz als „langgedientes Zentralorgan der Ökopartei“ und | |
wundern sich darüber, dass „selbst“ dort die Frage gestellt wird, ob die | |
Grünen noch gebraucht werden. | |
„Zentralorgan“. Hm. Und das, lieber Herr von Lucke, von jemandem, der ein | |
Medium verantwortet, das bis 1989 in einem Verlag erschien, der von der SED | |
mitfinanziert wurde. Nein, ich unterstelle nicht, dass die Blätter damit | |
heute noch irgendetwas zu tun haben. Wahrlich nicht. Wäre es anders, dann | |
wäre mein Vater, der Publizist Günter Gaus, nicht von 1991 bis zu seinem | |
Tod 2004 Herausgeber derBlätter gewesen. Und er war es gerne. | |
Aber ich finde dennoch, dass eine solche Geschichte des eigenen Mediums zur | |
Vorsicht veranlassen sollte im Hinblick auf pauschale Diffamierungen. Schon | |
klar: Es gibt keinen einfacheren – um nicht zu sagen kostengünstigeren – | |
Weg als so einen beiläufigen Seitenhieb gegen das vermeintlich eigene | |
Lager, um den Nachweis zu erbringen, dass man selbst ein unabhängiger Geist | |
ist. Aber ob man deshalb wirklich die jahrelange Arbeit einer Redaktion in | |
die Tonne treten sollte? | |
Es ist wahr, dass die taz und die Grünen dieselben Wurzeln haben und ihre | |
jeweilige Gründungsgeschichte sich aus ähnlichen Motiven speiste. Vor | |
jeweils knapp 40 Jahren. Wahr ist auch, dass die taz deshalb stets ein | |
besonderes Interesse an den Grünen hatte und über eine gute Kenntnis ihrer | |
Binnenstruktur verfügte. Das ist eigentlich kein Grund für | |
Verunglimpfungen, sondern ein Hinweis auf journalistische Kompetenz. FAZ | |
und Welt kennen die Unionsparteien gut. Wie oft haben Sie eine der beiden | |
Zeitungen als „Zentralorgan“ bezeichnet? | |
Niemand muss die Zeitung, für die ich seit nunmehr 26 Jahren arbeite, | |
lesen. Niemand muss die – teilweise erbitterten – Kontroversen, die in | |
unserem Blatt seit Jahrzehnten geführt werden, zur Kenntnis nehmen. Im Mai | |
1999 (!) habe ich in der taz geschrieben: „Die Grünen sind die | |
opportunistischste Partei Deutschlands.“ Der Kommentar wurde gedruckt. Das | |
war für mich keine Überraschung, sondern selbstverständlich. Halten Sie das | |
für den Regelfall in einem „Zentralorgan“? | |
## So flüchtig, ach so flüchtig | |
Man kann einen kleinen Halbsatz wie den Ihren für unwichtig halten und | |
meinen, es gebe Wichtigeres auf der Welt, als sich darüber aufzuregen. | |
Selbstverständlich gibt es Wichtigeres, es gibt immer Wichtigeres. Aber ich | |
finde Ihre – so flüchtig, ach so flüchtig – erscheinende Bemerkung denn | |
doch wesentlich genug, um mich damit auseinandersetzen zu wollen. | |
Weil Sie ja damit nicht nur mich und die gesamte Redaktion der taz kränken, | |
sondern zugleich, vielleicht ungewollt, einen Vorwurf von Populisten | |
bestätigen: Wenn die taz das „Zentralorgan der Ökopartei“ ist, dann muss | |
man sich mit ihren Inhalten nicht auseinandersetzen. Weil sie dann schlicht | |
ein Propagandainstrument ist – anders ausgedrückt: ein Teil der | |
Lügenpresse. Wollten Sie, lieber Herr von Lucke, das wirklich sagen? | |
Fragt, mit freundlichen Grüßen, Bettina Gaus. | |
8 Apr 2017 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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