# taz.de -- Schwierige Lage der Medien in Mexiko: Jagdsaison auf Journalisten | |
> Nur in Syrien und Afghanistan sterben mehr Reporter als in Mexiko. Wer | |
> über organisiertes Verbrechen berichtet, lebt wie im Krieg. Oder gibt | |
> auf. | |
Bild: Wollen das Morden beenden: Demo nach dem Tod der Journalistin Miroslava B… | |
Mexiko-Stadt taz | 27 Jahre lang berichtete sie über lokale Ereignisse, | |
kritisierte Politiker und deckte Skandale auf. Doch seit dem vergangenen | |
Wochenende ist damit Schluss: Am 2. April hat die mexikanische Tageszeitung | |
Norte de Ciudad Juárez ihr Erscheinen eingestellt. | |
„Es gibt keine Garantien und keine Sicherheit für einen kritischen und | |
ausgewogenen Journalismus“, schrieb der Eigentümer des Blattes Oscar A. | |
Cantú Murguía auf der Titelseite der letzten Ausgabe. Er sei nicht bereit, | |
das Leben weiterer Mitarbeiter sowie sein eigenes zu riskieren, stellte er | |
in dem Abschiedsschreiben klar. | |
Zehn Tage vorher ermordeten Unbekannte die Korrespondentin Miroslava | |
Breach. Die 54-Jährige hatte in dem an die USA grenzenden Bundesstaat | |
Chihuahua für den Norte de Ciudad Juárez geschrieben. Zudem war sie für die | |
bundesweit erscheinende linke Tageszeitung La Jornada tätig. | |
Ein Mann schoss mindestens acht Kugeln auf die Journalistin, während sie | |
vor ihrem Haus auf ihren Sohn wartete. Breach starb auf dem Weg ins | |
Krankenhaus. „Für deine Geschwätzigkeit“, hieß es auf einem Stück Karto… | |
das die Täter hinterließen. Gezeichnet: „Der 80“. Unter diesem Namen | |
firmiert der Boss einer lokalen Bande, die für das mächtige Juárez-Kartell | |
arbeitet. | |
Breach hatte über die Machenschaften zwischen Kriminellen, Unternehmen und | |
Politikern berichtet. Allein im März wurden mit Cecilio Pineda, dem Leiter | |
der Tageszeitung La voz de la Tierra Caliente, und Ricardo Monlui vom | |
Portal El Político zwei weitere Journalisten ermordet. Ein vierter | |
Pressevertreter kämpft um sein Leben, nachdem er am 29. März angeschossen | |
wurde. | |
## Killer bleiben unbestraft | |
Amnesty International (AI) spricht von einer „Jagdsaison“ auf Journalisten. | |
„Das Land ist zu einer No-go-Zone für alle geworden, die es wagen, über die | |
zunehmende Macht des organisierten Verbrechens und deren Verstrickungen mit | |
politischen Funktionsträgern zu sprechen“, erklärte die für den | |
amerikanischen Kontinent zuständige AI-Sprecherin Erika Guevara Rosas. | |
Tatsächlich leben Medienschaffende in Mexiko fast so gefährlich wie in | |
Kriegsgebieten. | |
Allein seit 2010 wurden nach staatlichen Angaben 50 Journalistinnen und | |
Journalisten ermordet. Nur in Syrien und Afghanistan stürben mehr | |
Pressevertreter eines gewaltsamen Todes, informiert Reporter ohne Grenzen. | |
Praktisch kein Täter wird verurteilt, die Straflosigkeit liegt bei über 99 | |
Prozent. | |
Deshalb zogen Kollegen Breachs nach deren Tod vor die | |
Generalstaatsanwaltschaft in Mexiko-Stadt. „Wir fordern Gerechtigkeit, wenn | |
ein Journalist angegangen, belästigt oder ermordet wird, weil damit | |
zugleich das Recht der Gesellschaft auf Information angegriffen wird“, | |
erklärte der Reporter Arturo Cano. | |
Auch Cantú Murguía vom Nortekritisiert, dass die Behörden nichts tun: „Man | |
hat uns alleingelassen.“ Seine Zeitung sei von der Regierung bestraft | |
worden, weil sie über deren korrupte Strukturen berichtet habe. Murguía | |
erinnerte an eine Erklärung, die das zweite große Blatt in der Stadt, der | |
Diario de Juárez, 2010 veröffentlicht hatte. Nachdem zwei ihrer Mitarbeiter | |
ermordet wurden, bot die Zeitung den Kartellen einen „Waffenstillstand“ an. | |
Auf der Titelseite stellten die Redakteure den Kriminellen eine | |
verzweifelte Frage: „Was erwartet ihr von uns?“ | |
7 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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