Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zeitschrift „Contralínea“ in Mexiko: Wo Journalisten gefährli…
> Mexiko gilt für Journalisten als gefährlichstes Land, in dem kein Krieg
> ist. Ein Erfahrungsbericht eines Mitarbeiters von „Contralínea“.
Bild: Die Redaktionsräume von „Contralínea“ 2014
Wie sollte ein Redakteur reagieren, wenn er an einen beliebigen Tag die
Redaktion betritt und vor Ort alles durcheinander findet und sämtliche
Archive, Festplatten, Kameras und Computer entwendet wurden? Genau diese
Erfahrung habe ich vor zwei Jahren in meiner Arbeit beim Wochenblatt
Contralínea gemacht.
Es war nicht das erste Mal, dass mein Medium Contralínea Opfer von
willkürlichen Angriffen wurde. Die Wochenzeitschrift ist 2002 mit einem
linksgerichteten und regimekritischen, investigativen Ansatz entstanden und
hat seitdem Aufmerksamkeit nicht nur von den Lesern, sondern auch von der
Regierung bekommen.
Seit 2007 lief eine Hetzkampagne gegen die Publikation, nach Enthüllungen
über einen Skandal mit dem staatlichen Mineralölkonzern Pemex und der Firma
Zeta Gas. Seitdem hat der Druck auf die Zeitschrift stetig zugenommen. Seit
2010 brachen vier Mal Unbekannte in die Zeitung ein und entwendeten meist
höchst sensible Information, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen seitens
der Behörden.
Zumal die Behörden selbst bei der Verfolgung mitwirken, wie unser Direktor
Miguel Badillo 2009 am eigenen Leib ertragen musste, als er von der Polizei
verhaftet wurde. Die Firma Zeta Gas S.A. de C.V. hatte ihn verklagt. Der
Grund war die Recherche von Ana Lilia Pérez – Journalistin bei Contralínea,
die in Berlin eine Zeit im Exil verbracht hat – über die Geschäfte von Zeta
Gas mit Pemex. Badillo wurde kurz danach wieder auf freien Fuß gesetzt, da
ihm nichts nachgewiesen werden konnte. Die Verhaftung war überzogen: Es ist
zu vermuten dass die Polizei zugunsten krimineller Banden arbeitete.
## Einschüchterungsversuche
Später wurde in die Wohnung von Badillo eingebrochen, auch in die der
Redakteurinnen Flor Goche und Elva Mendoza. Hier wurden erneut wichtige
Dokumente, Computer und Festplatten entwendet. Immer wieder kam es zu
Bedrohungen und Einschüchterungen per Telefon – manchmal anonym, manchmal
explizit von Drogenkartells. Wenn Reporter von Contralínea an offizielle
Quellen und Behörden für einfach Recherche kontaktieren, scheint es für sie
immer schwerer zu sein als für andere Medien.
Der Staat hat auf die Bedrohung der Medien reagiert und Lösungen
vorgeschlagen, um gefährdete Reporter zu schützen: Videoüberwachung der
Eingänge zu Redaktionsräumen und Wohnorte der Journalisten, Personenschutz,
außerdem können Journalisten ein Panik-Telefon bekommen, das sie im Notfall
mit einer Zentrale verbindet und Hilfe vor Ort bringen soll.
Doch ich habe abgelehnt, als mir entsprechende Angebote gemacht wurden. Die
Realität hat gezeigt, dass diese Maßnahmen im Notfall wenig helfen und die
Arbeit nicht sicherer machen. Auch erfordern sie oft eine absolute
Offenlegung der Privatsphäre, was nicht unbedingt im Interesse des
Redakteurs ist.
Die Maßnahmen erwecken einen Schein der Sicherheit, der sich im Notfall als
wenig effektiv erweist. Das Notfall-Handy braucht oft Zeit, um sich mit der
Zentrale zu verbinden. Die Maßnahmen sind also oft nur kosmetisch, um einen
Anschein von Sicherheit zu geben. Und den Anschein, dass die Politik auf
die Bedrohung reagiert.
## Finanzspritzen für unkritische Medien
Da sind die kleinen Provokationen fast zweitrangig, wie die Anwesenheit von
suspekten Fotographen, die sehr intensiv die Redaktion von außen erkundigen
und dann schnell wegrennen. All diese Phänomene sind Teil der Realität
regimekritischer Medien, die gegen den Strom arbeiten müssen und oft keine
Garantie auf Sicherheit und leibliche Integrität haben.
Nach einem Bericht der NGO Reporter Ohne Grenzen von 2016 gilt Mexiko als
das gefährlichste für Journalisten weltweit, welches nicht offiziell im
Kriegszustand ist.
Zu dieser Bedrohung kommt die finanzielle Lage: Es gibt öffentliche
Förderung für Zeitungen, diese wird aber von der zentralen Regierung und
den Bundesstaaten gezielt vergeben. Regierungsfreundliche Medien bekommen
massenhaft Finanzspritzen, während die alternativen und unabhängigen Medien
wenig oder gar nichts davon abbekommen. Der ehemalige Präsident von Mexiko
José López-Portillo verteidigte diese Praxis sogar öffentlich: „No te pago
para que me pegues“ – „Ich bezahle dich ja nicht, damit du mich schlägst…
7 Apr 2017
## AUTOREN
Axel Plasa
## TAGS
Medienpolitik
Mexiko
Mexiko
Mexiko
Vergewaltigung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftskandidatin in Mexiko: „Die Zeit der Frauen ist gekommen“
Die indigene María de Jesús Patricio Martínez kandidiert als Präsidentin in
Mexiko – eine Kampfansage an rassistische und patriarchale Strukturen.
Schwierige Lage der Medien in Mexiko: Jagdsaison auf Journalisten
Nur in Syrien und Afghanistan sterben mehr Reporter als in Mexiko. Wer über
organisiertes Verbrechen berichtet, lebt wie im Krieg. Oder gibt auf.
Nach Freispruch für Vergewaltiger: Mexikanischer Richter suspendiert
Weil der Täter „keinen Spaß“ empfunden habe, sprach ein mexikanischer
Richter einen mutmaßlichen Vergewaltiger frei. Nun ist er seinen Job los.
Journalistenmorde in Mexiko: Wer schreibt, der stirbt
Seit die Gewalt im mexikanischen Drogenkrieg eskaliert, werden immer mehr
Berichterstatter umgebracht. Ein neues Gesetz zum Schutz der
Medienvertreter bleibt wirkungslos.
Mord an einer Korrespondentin in Mexiko: Ein Land in Zersetzung
Schon wieder wurde in Mexiko eine kritische Journalistin ermordet.
Menschenrechtsorganisationen fordern lückenlose Aufklärung. Die ist auch
diesmal nicht zu erwarten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.