# taz.de -- Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Keiner braucht Jamaika | |
> CDU und FDP umschwärmen die Grünen um Robert Habeck. Doch der gibt sich | |
> fest verpartnert mit der beliebten SPD und dem SSW. | |
Bild: Super-Kumpels – passt kein Blatt dazwischen: Robert Habeck (l.) und Tor… | |
KIEL taz | Vorfühlen kann man ja mal. Wie Robert Habeck, der grüne Star in | |
Schleswig-Holstein, „Politik macht und mit dem politischen Gegner umgeht, | |
empfinde ich als sehr angenehm“, sagt CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther. | |
Der will nach der Landtagswahl am 7. Mai Ministerpräsident im nördlichsten | |
Bundesland werden, und gern würde er mit Grünen und Gelben regieren. | |
„Jamaika wäre mir schon lieb“, sagt er. Somit wäre also auch FDP-Frontmann | |
Wolfgang Kubicki mit an Bord: Wer von den drei Herren dann Kapitän wäre, | |
ist durchaus offen. | |
Dass Kubicki den jugendlich wirkenden Christdemokraten für ein politisches | |
Leichtgewicht hält, ist im Kieler Landeshaus kein Geheimnis. Doch nur | |
gemeinsam haben sie eine Chance, die seit fünf Jahren regierende | |
„Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei | |
Südschleswigscher Wählerverband (SSW) abzulösen. Günther und Kubicki – das | |
ist eher eine Notgemeinschaft als eine Männerfreundschaft. | |
Mit Habeck indes würden beide nicht ungern zusammenarbeiten, der | |
Christdemokrat mehr noch als der Liberale. Während es Letzterem vor allem | |
um die Machtoption mit Habeck geht, den er „einen tollen Typ und | |
politischen Kopf“ nennt, will Günther die CDU modernisieren: „Wir müssen | |
uns für die Gruppen mit einem urbanen Lebensstil öffnen, statt sie in die | |
Hände der Grünen zu treiben.“ | |
Robert Habeck, dessen hauchdünne Niederlage gegen Cem Özdemir beim grünen | |
Spitzenkandidaten-Casting im Januar von der Basis im Norden als Sieg | |
verstanden wird, weist diese Avancen kühl zurück: „Es gibt keinen Bedarf | |
für Debatten über ein anderes Bündnis als die Küstenkoalition.“ Zumal ein | |
schwarz-grün-gelbes Jamaika-Bündnis „einem Realitätscheck nicht standhält. | |
Es gibt kein Politikfeld, auf dem die CDU ein verlässlicher Partner wäre: | |
In der Energiewende nicht, und in der Agrar- und Umweltpolitik sind sie | |
unser Hauptgegenspieler.“ | |
## Haushalt 2017 kommt ohne neue Schulden aus | |
Während das Regierungsbündnis die Windkraft auch an Land weiter ausbauen | |
will, möchte die CDU neue Windparks nur noch auf hoher See erlauben. | |
Landwirte sind in den Gemeinden das Rückgrat der traditionell | |
bäuerlich-konservativen CDU; Habeck mit seiner Förderung von Ökohöfen und | |
seinem Kampf gegen Massentierhaltung und die Überdüngung von Äckern ist da | |
der Gegenpol. Nicht zufällig also sind diese drei Bereiche neben dem neu | |
ausgebrochenen Schulstreitdie Hauptthemen im Wahlkampf. Deshalb macht | |
Habeck eine klare Ansage: „Diese Koalition ist erfolgreich, wir sind mit | |
ihr hoch zufrieden. Wir wollen sie fortsetzen. Ende der Durchsage.“ | |
Einig ist sich der 47-Jährige darin mit SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig. | |
Seit fünf Jahren führt der Ministerpräsident mit dem markanten Glatzkopf | |
die Küstenkoalition trotz knapper Mehrheit fast geräuschlos. Der Haushalt | |
2017 kommt ohne neue Schulden aus, die Arbeitslosenquote liegt bundesweit | |
im Mittelfeld, die Zuschüsse für Kitas wurden im laufenden Jahr verdoppelt, | |
auch für Hochschulen und Polizei gibt es mehr Geld. Nicht einmal der | |
Abschiebestopp nach Afghanistan, den Schleswig-Holstein beschlossen hat, | |
ist ein Konfliktthema, das der Opposition nützt. Und selbst Günther räumte | |
kürzlich ein, dass es wirtschaftlich derzeit nicht viel zu meckern gebe. | |
„Die guten Kerndaten spielen für die jetzige Regierung.“ | |
Zur Ruhe in Partei und Regierung trägt bei, dass der 53-jährige Albig keine | |
bundespolitischen Ambitionen hegt. Die Arbeitsteilung zwischen ihm und | |
Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner, der zugleich stellvertretender | |
SPD-Bundesvorsitzender ist, klappt problemlos. Albig gibt den pragmatischen | |
Regierungschef, der „rote Rambo“ Stegner tobt sich auf dem linken Flügel | |
aus: Zusammen halten sie die einst tief zerstrittene Nord-SPD bei Laune und | |
auf Kurs. Und von Bundestrends will niemand etwas wissen: Saarland? | |
Interessiert im hohen Norden nicht. Martin Schulz? Darf vorbeikommen, muss | |
aber nicht. Olaf Scholz? Hamburgs Bürgermeister tritt mehrmals die Woche in | |
Schleswig-Holstein auf. „Für den Wahlkampf hier oben ist Scholz wichtiger | |
als Schulz“, sagt Albig. | |
## Albig, Habeck und Kubicki sind beliebteste Politiker | |
Unmissverständlich ist auch das Bekenntnis des SSW zur Küstenkoalition: | |
„Andere Optionen kommen für uns nicht infrage“, stellt Fraktionschef und | |
Spitzenkandidat Lars Harms klar, der weiterhin von einem Wohlfahrtsstaat | |
nach skandinavischem Vorbild träumt: „Nicht weniger Staat kann das Ziel | |
sein, sondern ein Staat, der sich kümmert um alles, was weder die | |
Gemeinschaft noch der Markt lösen können oder wollen“, formuliert Harms | |
seine Absage an CDU und FDP: „Unsere politischen Vorstellungen sind nur mit | |
SPD und Grünen umsetzbar, mit den anderen nicht.“ | |
Und dafür könnte es sogar reichen. Die aktuellste Umfrage sagt der | |
regierenden Koalition 50 Prozent voraus: 33 für die SPD, 14 für die Grünen | |
und 3 Prozent für den SSW, für den als Minderheitenpartei die | |
Fünfprozenthürde nicht gilt. Die CDU liegt demnach bei 27 Prozent, die FDP | |
bei 9 Prozent. Neu in den Landtag käme erstmals die AfD mit 7 Prozent, die | |
Linken, 2012 rausgewählt, müssen bei 4 Prozent bangen. Die Piraten, die vor | |
fünf Jahren ins Parlament einzogen und aktuell an der | |
Wahrnehmbarkeitsschwelle dümpeln, werben selbstironisch mit dem Slogan | |
„Totgesagte leben länger.“ | |
Überleben werden indes Albig, Habeck und Kubicki, die mit Sympathiewerten | |
von mehr als 50 Prozent die zurzeit drei beliebtesten Politiker im Lande | |
sind. Albig liegt damit klar vor Günther mit nur 21 Prozent. Mit der | |
Küstenkoalition sind gar 62 Prozent der Befragten zufrieden. Für Daniel | |
Günthers Jamaika-Träume hingegen kann sich gerade mal jeder Vierte | |
erwärmen: Schleswig-Holstein hat schließlich schon 20 Inseln. | |
10 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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