# taz.de -- Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Die große One-Man-Show der FDP | |
> Beinahe im Alleingang will Christian Lindner die Liberalen retten und in | |
> NRW an die Spitze führen. Sein Hauptfeind sind die Grünen. | |
Bild: Politiker mit Entertainerqualitäten: Christian Lindner, FDP-Spitzenkandi… | |
DORTMUND taz | Christian Lindner hat Angst, müde zu wirken. Hinter ihm | |
lägen „sehr lange, dichte Tage“, warnt er sein Publikum bei | |
FDP-Veranstaltungen neuerdings: „Ich glaube, das sieht man mir an.“ Kein | |
Wunder: In Nordrhein-Westfalen wird in fünf Wochen gewählt – und der | |
Parteichef will ein möglichst gutes Ergebnis als Sprungbrett für den | |
Wiedereinzug seiner Liberalen in den Bundestag nutzen. | |
Vom rheinischen Köln bis zum ostwestfälischen Büren ist der FDP-Landes- und | |
-Bundeschef deshalb unterwegs. Allein in dieser Woche macht er auf acht | |
Terminen Werbung für sich und seine Partei. Dazu kommen die letzten | |
regulären Sitzungen des Düsseldorfer Landtags mit drei Plenartagen, die er | |
auch als Bühne nutzen will. | |
Äußerlich aber ist dem 38-Jährigen nichts anzumerken, als er etwa am | |
Dienstagabend gut gebräunt, in perfekt sitzendem grauem Anzug und bereits | |
mit Headset auf dem Kopf das „Deutsche Fußballmuseum“ in Dortmund betritt. | |
Zwar ist der Termin unglücklich gewählt: Dortmunds Borussia spielt | |
gleichzeitig gegen den Hamburger SV. Weil die Partei den Saal aber per | |
Vorhang halbiert hat, wirkt die Veranstaltung gut gefüllt. Gekommen sind | |
rund 200 FDP-Anhänger, darunter auffallend viele junge Leute – und Lindner | |
liefert ihnen eine gute Show. | |
Aus seinem Jackett zaubert der FDP-Mann eine Seite der Bild-Zeitung, hält | |
sie seinem Publikum entgegen. „NRW – das deutsche Griechenland“: So lautet | |
die Schlagzeile. Lindner tituliert SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft | |
prompt als „Kraftikakis“ – dass das Wirtschaftswachstum im | |
bevölkerungsreichsten Bundesland trotz anhaltender Strukturschwäche im | |
Ruhrgebiet im vergangenen Jahr mit 1,8 Prozent beinahe Bundesdurchschnitt | |
erreicht hat, erwähnt er nicht. | |
## Der Hauptfeind sind die Grünen | |
Sein Hauptfeind aber bleiben die Grünen – der Parteichef hat schon Anfang | |
des Jahrzehnts analysiert, dass beide Parteien eine ähnliche, | |
bürgerlich-akademische Klientel ansprechen. Ein „einziger grüner | |
Scherbenhaufen“ sei die Politik der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann, | |
poltert Lindner deshalb. Die Inklusion, die Integration von SchülerInnen | |
mit Handicap, sei an mangelndem Personal gescheitert, die Schulgebäude | |
marode, der Lehrstoff veraltet. Nötig sei ein „Schulfach Wirtschaft“, meint | |
er – schließlich sei „ökonomisches Wissen“ eine „zivilisatorische Mit… | |
Dass NRW bei Bildungsausgaben und Familienförderung – zumindest nach | |
rot-grüner Rechnung – knapp hinter Bayern bundesweit auf Platz zwei liegt, | |
ist ihm keine Rede wert. | |
Überhaupt, die Wirtschaft: Gegängelt werde die vor allem vom grünen Umwelt- | |
und Verbraucherschutzminister Johannes Remmel – im Kleinen durch die | |
„Hygiene-Ampel“ in der Gastronomie, im Großen durch den | |
Landesentwicklungsplan, der zu wenig Gewerbe- und Industrieflächen vorsehe. | |
Dringend müsse dieser „Remmel-Krempel“ mit einem „Entfesselungsgesetz“… | |
FDP „abgewickelt“ werden. Die Leute jubeln: Einmal mehr hat Lindner | |
bewiesen, warum er als politische One-Man-Show gilt, warum er die | |
parlamentarische Existenz der Liberalen quasi im Alleingang sichert – | |
rhetorisch liegen zwischen ihm und den restlichen FDP-Landtagsabgeordneten | |
Welten. | |
Allein: Mit wem er nach den Wahlen regieren und gestalten will, lässt | |
Lindner bei seinen Auftritten vor Publikum bewusst offen. Zwar hat die | |
nordrhein-westfälische FDP einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen auf | |
Landesebene am vergangenen Wochenende per Parteitagsbeschluss eine | |
kategorische Absage erteilt. Aber ansonsten bleibt die Partei vage. | |
## Die Ampeloption bleibt offen | |
„Der Eintritt in eine abgewrackte Regierung, in der wir nichts verändern | |
können, kommt für uns nicht in Frage“, betont Lindner, als er in Dortmund | |
am Ende der Veranstaltung von JournalistInnen nach Koalitionsoptionen | |
gelöchert wird. Und ein Bericht des Spiegels, nach dem führende Liberale | |
dagegen im Bund bereits aktiv für eine Ampel werben, falle „unter die | |
Kategorie amüsante Fake News“. | |
Allerdings: Im Bund offenhalten will sich Lindner die Ampeloption schon. | |
„Im Bund machen wir keine Koalitionsaussage. Wir schließen eine Ampel also | |
nicht von vornherein formal aus“, erklärt er. Wenn SPD-Kanzlerkandidat | |
Martin Schulz zu Gesprächen über eine rot-gelb-grüne Regierung in Berlin | |
einlade, werde geredet. | |
Insgesamt sei er aber nicht nur wegen der grünen Umwelt- und Klimapolitik | |
skeptisch: „Auch die von Schulz bisher skizzierte Sozialpolitik erinnert | |
mich an eine Agenda 95“, ätzt Lindner. „Die Union steht uns insgesamt nach | |
wie vor näher“, schiebt er nach. | |
Möglich werden könnte der Weg zur Ampel im Bund dennoch – über eine | |
sozialliberale Koalition in NRW. Wenn SPD-Chefin Hannelore Kraft ein gutes | |
Angebot mache, sei auch im Bund alles möglich, lässt der FDP-Chef | |
durchblicken. | |
Denkbar ist das: Zwei der letzten drei Umfragen in Nordrhein-Westfalen | |
sahen eine rechnerische Mehrheit von SPD und FDP. Für die bestehende | |
rot-grüne Koalition reichte es hingegen bei keinem | |
Meinungsforschungsinstitut. | |
8 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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