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# taz.de -- Kommentar zum Fall Deniz Yücel: In Erdoğans Einzelhaft
> Indem sie ihn einschließen, schließen sie ihn aus: Mit der Einzelhaft für
> Deniz Yücel will Erdoğan zeigen, dass es wehtut, wenn er Gefangene macht.
Bild: Allein ist Deniz – schlimm genug – nur in seiner Zelle, außerhalb da…
Der Mensch lebt mit Menschen. Er spürt ihre Nähe. Spricht mit ihnen. Hört
sie. Sieht sie. Riecht sie. Er wirft ihnen etwas hin, eine böse Bemerkung
oder ein freundliches Kompliment, eine Frage oder eine Idee. Er beobachtet
ihre Reaktionen, schätzt sie ein, verarbeitet sie. Ist begeistert.
Gelangweilt. Oder verärgert. Der Mensch lebt nicht nur mit, er lebt vom
Menschen.
Aber Deniz Yücel sitzt [1][in Einzelhaft]. Seit drei Wochen. Er hat eine
Zelle der Haftanstalt von Silivri westlich von Istanbul. Es ist eines der
größten Gefängnisse Europas, Tausende leben dort, der Gebäudekomplex ist
überfüllt. Aber drinnen ist Deniz Yücel allein. Nur ab und zu wird er in
einen Besucherraum geführt, wo er mit seinen Anwälten sprechen darf; einmal
hat seine Schwester ihn gesehen. Nach so einem Besuch muss er zurück in die
Zelle. Indem sie ihn einschließen, schließen sie ihn aus. Über die
Haftbedingungen sind wir nur über die Anwälte unterrichtet. Die türkischen
Behörden sagen nichts. Die Anwälte haben beantragt, dass der Gefangene mit
anderen zusammenkommt: keine Antwort.
In Silivri gibt es auch Dreierzellen, in die fünf oder sechs Menschen
gesperrt sind. Das ist hart. Kann es nicht sogar weniger hart sein, wenn
man eine Zelle für sich hat? Nein, denn die Abschottung ist strenger als
anderswo. In anderen Gefängnissen bedeutet Einzelhaft, dass ein Häftling
regelmäßig mit anderen auf den Hof darf.
In Deniz Yücels Gefängnis bedeutet Einzelhaft jedoch, dass die etwa sechs
Quadratmeter große Zelle einen eigenen winzigen Hof von noch einmal sechs
Quadratmetern hat.
## Am Bücherstand der Apparatschiks
Zum Lesen sind Bücher aus der Gefängnisbibliothek erlaubt, von außen dürfen
nur Lehrbücher mitgebracht werden. Während drüben in Deutschland [2][die
Leipziger Buchmesse läuft], wo die Autorinnen und Autoren lesen und
streiten und feiern, regulieren in Silivri Apparatschiks die Lektüre von
Deniz Yücel. Erst 2014 hat er in einer Leipziger Messehalle sein Buch über
die Gezi-Proteste vorgestellt. Immerhin, [3][seine Texte] werden da sein,
wir werden aus ihnen vorlesen.
Derweil findet Präsident Erdoğan offenkundig, [4][dass er sich genug
inszeniert hat]. Seine bizarre Eskapade [5][der Nazi-Deutschen und
Nazi-Niederländer], die seinen heldenhaften Wahlkampf behindern, hat er
geritten. Jetzt brauchen die Politiker seiner AKP gar nicht mehr
aufzutreten. Die Show ist gelaufen.
Aber Deniz Yücel sitzt immer noch in seiner Einzelzelle. Am Mittwoch hat
sich sogar Frank-Walter Steinmeier für ihn verwandt, der neue
Bundespräsident: „Geben Sie Deniz Yücel frei“, hat er an Erdoğan
appelliert. Nein, außerhalb von Silivri ist unser Kollege nicht allein.
Seine Gefangennahme heißt offiziell Untersuchungshaft, obwohl sie gar nicht
das Ziel hat, die Wahrheit zu ermitteln. Sie dient der Abschreckung
anderer Korrespondenten in der Türkei. Sie soll Stärke demonstrieren, mit
der Erdoğan zeigen will, dass es wehtut, wenn er Gefangene macht. Und sie
ist eine Strafe, die darin besteht, einem Menschen alle anderen Menschen
wegzunehmen.
22 Mar 2017
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## AUTOREN
Georg Löwisch
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