# taz.de -- Türkisch-russisches Verhältnis: Schulterschluss unter Vorbehalt | |
> Nach heftigen Zerwürfnissen nähern sich Putin und Erdoğan wieder an. Wie | |
> kompliziert die Gemengelage aber ist, zeigt sich in Syrien. | |
Bild: Misstrauisch, aber einander wohlgesinnt: Putin und Erdoğan am Freitag in… | |
MOSKAU taz | Vor kurzem waren sie noch Feinde; beim gemeinsamen Treffen in | |
Moskau waren der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Kremlchef | |
Wladimir Putin am Freitag hingegen sichtlich bemüht, den Anschein zu | |
erwecken, sie zögen beide am selben Strang. | |
Nicht zuletzt treten Russland und die Türkei im Syrienkonflikt als | |
Initiatoren des Astana-Prozesses auf. Bei den Gesprächen in der Hauptstadt | |
Kasachstans versuchen beide, einen Teil-Waffenstillstand zwischen | |
Opposition und syrischen Regierungstruppen weiter zu vermitteln. Der Westen | |
sitzt dabei als Beobachter am Nebentisch. | |
Erdoğan sendet aus Moskau an die EU und die Nato ein klares Signal: Wenn | |
ihr mich nicht wollt, komme ich woanders unter! Zurzeit verbindet Russland | |
mit der Türkei eine pauschale Ablehnung des westlichen | |
Zivilisationsmodells. Sicherlich hätte der Kreml auch nichts einzuwenden, | |
wenn Ankara aus der Südflanke der Nato ausscheren würde. | |
Erdoğan reiste zum Gipfeltreffen denn auch mit seinem Verteidigungsminister | |
an. Die Türkei möchte das russische Luftverteidigungssystem S-400 kaufen. | |
Dieses ließ der Kreml vor kurzem auch im syrischen Latakia aufstellen. Dass | |
ein Nato-Mitglied Waffen in Russland kauft, kommt gelegentlich vor. Die | |
Raketenabwehreinrichtung S-400 wäre jedoch ein besonders sensibler Fall. | |
## Konflikt um abgeschossenen Kampfjet ist beigelegt | |
Nach außen zeigen Erdoğan und Putin, dass alles wieder im Lot ist. Der | |
Konflikt, der nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets über türkischem | |
Luftraum im November 2015 die bilateralen Beziehungen belastete, konnte | |
beigelegt werden. Die Versöhnung fand im letzten Sommer statt. Als | |
Russlands Botschafter im Dezember 2016 von einem Polizisten in Ankara | |
ermordet wurde, hielt der Kreml still. Auch die Türkei machte aus der | |
versehentlichen Bombardierung türkischer Soldaten mit Todesfolge im Februar | |
kein Politikum. Ein neuer Konflikt soll auf jeden Fall verhindert werden. | |
Wie kompliziert die Gemengelage aber ist, zeigte sich, als die Türkei | |
ankündigte, gegen das kurdische Manbidsch in Syrien vorzurücken. Mit den | |
Kurden hat Moskau ausgehandelt, einen westlichen Frontabschnitt von | |
syrischen Regierungstruppen kontrollieren zu lassen. Ankara hielt daraufhin | |
inne. Die Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes mit Damaskus und nicht | |
zuletzt mit Moskau drohte, berichtete die russische Tageszeitung | |
Kommersant. Weder Russland noch die USA hätten den türkischen Plänen | |
zugestimmt. Ankara will die Kurden ausschalten, um einen kurdischen Staat | |
auf türkischem Boden zu verhindern. Die USA und Russland unterstützen die | |
Kurden hingegen. | |
Bei den Gesprächen in Moskau dürfte es auch um den Sturm auf die syrische | |
IS-Hochburg Rakka gegangen sein. Türkische Truppen können an der Offensive | |
wegen der militärischen Ausgangslage nicht teilnehmen. Trotzdem möchte | |
Erdoğan verhindern, dass ausgerechnet kurdische Streitkräfte den Hauptort | |
des IS-Kalifats befreien. | |
Uneinig sind sich beide auch, wie es mit dem syrischen Präsidenten Baschar | |
al-Assad weitergehen soll. Die Klärung wurde auf die Zeit nach dem Sieg | |
über den IS verschoben. | |
## Kohl, Brokkoli und Nelken zur Versöhnung | |
Das Misstrauen sitzt auf beiden Seiten tief. Es scheint, als müsse man | |
gegenseitige Zuneigung erst erzwingen. Aus Anlass des Staatsbesuchs hob | |
Moskau das Einfuhrverbot für türkischen Kohl, Brokkoli und Nelken auf. | |
Tomaten, die den Löwenanteil türkischer Agrarexporte nach Russland vor der | |
Krise ausmachten, sind weiterhin verboten. Das hängt zum Teil auch mit den | |
Interessen der russischen Elite in der Landwirtschaft zusammen. | |
Auch Beschränkungen für türkische Baufirmen gelten weiterhin. Die | |
Visumpflicht wurde ebenfalls noch nicht rückgängig gemacht. Seit dem Mord | |
an dem russischen Botschafter ist dieser Punkt von der Tagesordnung ganz | |
verschwunden. | |
Türkische Geschäftsleute klagen zudem über informelle Sanktionen. Denn auch | |
Waren, deren Einfuhr nicht verboten wurde, sind von den Sanktionen | |
betroffen. Der Zoll handelt eigenmächtig. Beobachter auf beiden Seiten | |
gehen davon aus, dass der Warenverkehr den Umfang, der er vor der Krise | |
hatte, nicht mehr erreichen wird. | |
Besser sieht es bei zwei Großprojekten aus: Die russische Gazprom will die | |
Pipeline Turkish Stream in die Türkei verlegen und auch den Bau des | |
Atomkraftwerks in Akkuyu setzt Russland fort. Wenn gemeinsame Interesse | |
vorhanden ist, dann geht es schnell. | |
12 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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