# taz.de -- Türken und Kurden in Nordsyrien: Erdoğans Vormarsch ist gescheite… | |
> Syrische Kurden haben Manbidsch zu ihrem vierten autonomen Kanton | |
> erklärt. Für Ankara ist das die zweite große Niederlage im Nachbarland. | |
Bild: Kämpfer des Militärrates von Manbidsch, südlich der gleichnamigen Stadt | |
Istanbul taz | Angesichts des anhaltenden [1][Konflikts mit Holland] ging | |
die eigentliche Nachricht des Tages in der türkischen Öffentlichkeit am | |
Montag fast unter: Die Kurden in Syrien haben die Region um die | |
nordsyrische Stadt Manbidsch zum vierten autonomen Kanton erklärt. | |
Die Nachricht ist ein schwerer Schlag für den türkischen Präsidenten Recep | |
Tayyip Erdoğan, der seit Monaten versucht, zunächst die USA, später dann | |
auch Russland, dazu zu bringen, ihre jeweilige Unterstützung für die in der | |
PYD organisierten syrischen Kurden einzustellen. | |
Die türkische Regierung sieht in der PYD und ihrem militärischen Arm, der | |
YPG, einen direkten Ableger der türkisch-kurdischen PKK und ist deshalb | |
zunehmend verbittert, dass sowohl die USA als auch Russland die syrischen | |
Kurden unterstützen. | |
Als die türkische Armee im Sommer letzten Jahres ihre Militärintervention | |
„Euphrat Shield“ startete, definierte Erdoğan zwei Ziele für den Einmarsch | |
im Nachbarland. Erstens wollte er den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) | |
von der türkischen Grenze vertreiben, zweitens die kurdische YPG-Miliz | |
wieder aus Manbidsch auf das Gebiet östlich des Euphrats zurückdrängen. | |
Dadurch sollte verhindert werden, dass die Kurden ihr Gebiet östlich des | |
Euphrats mit dem westlich gelegenen Kanton Afrin verbinden. Denn sonst | |
hätten die Kurden ein zusammenhängendes Territorium entlang der türkischen | |
Grenze geschaffen, dass über kurz oder lang zur weitgehend unabhängigen | |
autonomen Region erklärt werden könnte. | |
Seit 2014 arbeitet jedoch die US-Armee im Kampf gegen den IS mit der YPG | |
erfolgreich zusammen. Entsprechend weigerte sich die Obama-Administration, | |
die PYD-YPG zur Terrororganisation zu erklären und ihre Unterstützung | |
einzustellen, wie Erdoğan wiederholt gefordert hatte. | |
## Trump-Regierung hat die Kurden nicht fallen gelassen | |
Auch die Hoffnung auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump ist für Erdoğan | |
bislang nicht in Erfüllung gegangen. Statt die YPG fallen zu lassen und den | |
Sturm auf die IS-Hauptstadt Rakka mit türkischen Truppen vorzubereiten, wie | |
Erdoğan dem neuen amerikanischen Präsidenten vorgeschlagen hat, hat Trump | |
zugelassen, dass das Pentagon seinen bisherigen Partner weiter aufrüstet | |
und die YPG immer enger mit amerikanischen Spezialtruppen verzahnt. | |
Aktuell steht die YPG zusammen mit US-Soldaten sechs Meilen vor Rakka. Als | |
Gegenleistung für die militärische Unterstützung der Kurden, duldet das | |
US-Militär, dass die YPG die von ihr westlich des Euphrats eroberte Region | |
Manbidsch weiter kontrollieren kann. | |
Erdoğan kündigte deshalb vor zehn Tagen großspurig an, die türkische Armee | |
werde gemeinsam mit ihren syrischen Verbündeten von der FSA (Free Syrian | |
Army) die Kurden in Manbidsch dann eben ohne amerikanische Erlaubnis | |
angreifen, doch ausgerechnet der russische Präsident Putin machte Erdoğan | |
einen Strich durch die Rechnung. | |
Wie die USA spielt auch Putin in Syrien schon länger die kurdische Karte. | |
Das Verhältnis der Kurden zu dem von Russland unterstützten syrischen | |
Regime ist ambivalent. Seit Ausbruch des Krieges gibt es eine | |
stillschweigende Übereinkunft, sich gegenseitig nicht anzugreifen, auch | |
wenn Baschar al-Assad eine kurdische Autonomiezone bislang nicht anerkennt. | |
Doch Putin drängt seinen Verbündeten, die kurdischen Forderungen zu | |
akzeptieren, um wenigstens im Norden des Landes Ruhe zu haben. Mit einem | |
auch für den unübersichtlichen Syrienkrieg bislang einmalig trickreichen | |
Manöver hat Putin jetzt die Allianz von Assad mit den Kurden gestärkt und | |
dabei Erdoğan ausmanövriert. Auf Drängen der Russen und in Absprache mit | |
den USA erlaubten die Kurden den Truppen des Assad-Regimes, in sechs Dörfer | |
in der Region Manbidsch einzumarschieren und damit einen Puffer zwischen | |
den türkischen Truppen und der von den Kurden kontrollierten Region zu | |
bilden. | |
## Erst Assad, dann die Kurden | |
Der Vormarsch Erdoğans in Syrien ist damit vorerst gestoppt. Weder die USA | |
noch Russland wollen der Türkei mehr Einfluss in Syrien zugestehen. Beide | |
Großmächte akzeptieren die Forderungen der Kurden nach einer eigenen | |
autonomen Region. | |
Daran änderte auch ein [2][Besuch Erdoğans bei Putin] am vergangenen | |
Freitag nichts. Putin will zwar mit der Türkei beim Bau von Gaspipelines | |
und Atomkraftwerken zusammenarbeiten; was Syrien angeht, machte er jedoch | |
keinerlei Konzessionen. Statt die Kurden dort fallen zu lassen, erlaubte | |
er, dass diese neben den bereits existierenden kurdischen Kantonen – | |
Qamischli, Kobane und Afrin – Manbidsch zum vierten Kanton erklärten. | |
Erdoğan ist damit in Syrien erneut gescheitert. Nachdem er bereits | |
akzeptieren musste, dass Assad an der Macht bleibt, muss er nun auch | |
hinnehmen, dass die Kurden in Syrien eine autonome Region bekommen. | |
14 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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