| # taz.de -- Romantische Komödie aus Saudi-Arabien: Sünden bezahlen per App | |
| > Dezente Gesellschaftskritik: Der saudi-arabische Spielfilm „Barakah Meets | |
| > Barakah“ zeigt die Hürden, die junge Paare im Königreich nehmen müssen. | |
| Bild: Wo trifft man sich, wenn man sich nicht treffen darf? Klar, auf der Schau… | |
| Wie viele Widersprüche hält eine Gesellschaft aus, bis ihr Rückgrat bricht? | |
| Und wie lange kann man lügen, bis das Lügen Normalität wird? Wer darauf | |
| Antworten sucht, der sehe sich iranische Filme an. Oder saudi-arabische. | |
| Doch kursierten die wenigen erhältlichen bisher fast nur im Netz. | |
| Einer kommt jetzt ins Kino. Es ist die erste Romantic Comedy aus | |
| Saudi-Arabien. Bei der Premiere auf der Berlinale 2016 sagte Regisseur | |
| Mahmoud Sabbagh, er träume davon, dass „Barakah Meets Barakah“ in seiner | |
| Heimat gezeigt würde. Nur gibt es in Saudi-Arabien schon lange keine Kinos | |
| mehr: Ins Kino gehen gilt wie Musik hören als Sünde. | |
| Ausgerechnet eine Romantic Comedy. In einem Land, in dem die Liebe im | |
| öffentlichen Raum strengstens untersagt ist. In dem sich ein Mann mit einer | |
| Frau verloben muss, um mit ihr ausgehen zu können. | |
| ## Gleich weit wie der Westen | |
| Die Geschichte ist uralt: Mann trifft Frau. Barakah trifft Bibi, die | |
| eigentlich auch Barakah heißt, den Namen aber vor Langem abgelegt hat. | |
| Barakah kommt aus armen Verhältnissen. Er ist Waise und hat niemanden außer | |
| einer verschrobenen Tante und einem Alkoholiker als Onkel. Im Auftrag der | |
| Regierung hält Barakah nach Gesetzesbrechern Ausschau. | |
| Dazu reicht es, auf dem Bürgersteig vor einem Café Tische aufzustellen. | |
| „Eine Sünde ist okay, mehr nicht“, sagt Barakah zu einem Bauunternehmer, | |
| der nicht nur den Müll falsch entsorgt, sondern auch seine Arbeiter in der | |
| Mittagshitze schuften lässt. „Sie können per App bezahlen“, fügt er hinz… | |
| „Da sind wir gleich weit wie der Westen.“ | |
| Leute maßzuregeln ist nicht Barakahs Ding. In der Freizeit spielt er | |
| Theater, probt die Rolle der Ophelia, mit Perücke und Push-up-BH: Frauen | |
| dürfen in Saudi-Arabien kein Theater spielen. Mehr als das Theater | |
| interessiert ihn: die Liebe. Er ist Jungfrau, hat noch nie die Hand einer | |
| Frau gehalten. Seit dem Tod der Mutter suche er eine Gefährtin, gesteht er | |
| dem Onkel. | |
| Mal wieder ist er auf Patrouille, als er an einem Filmset vorbeikommt: | |
| Eine sexy gekleidete Frau posiert vor der Kamera. Barakah will den Dreh | |
| untersagen. Bis sein Blick den der Frau trifft. Die heißt Bibi, ist | |
| Schauspielerin, Model und Instagram-Star: Täglich teilt sie sich der Welt | |
| mit, mal mit Kussmund, mal mit Stinkefinger, mal als politische Aktivistin, | |
| wenn sie ihre Follower aufruft, Fairtrade-Kaffee zu kaufen. | |
| ## Nicht explizit regimekritisch | |
| Bibis Gesicht darf nicht zu sehen sein. Ihr Manager schlägt vor, dass sie | |
| in Werbespots eine Burka tragen soll. „Doch nicht für eine Gesichtscreme, | |
| du Idiot!“, ruft der Produzent. In einer Szene sieht man ein Werbeplakat | |
| mit einem Unterwäsche-Model, das Gesicht verpixelt. Zu Filmbeginn kündigt | |
| eine Texttafel an: „Die Pixelisierung ist kein Kommentar zur Zensur.“ | |
| Explizit regimekritisch ist „Barakah Meets Barakah“ nicht. So fehlt ein | |
| Bezug zu Raif Badawi, dem Blogger, der zu tausend Peitschenhieben | |
| verurteilt wurde. Dennoch wird die Kategorie Romantic Comedy dem Film nicht | |
| gerecht: Kritik übt er durchaus, wenngleich subtil. | |
| Die Welt, die Sabbagh zeigt, ist bedrückend. Am Strand hängt ein Schild: | |
| Ballspiele sind verboten, Fotos auch, Schwimmen ist es sowieso, und Frauen | |
| haben keinen Zutritt. Als Barakah und Bibi sich treffen wollen, bleibt nur | |
| sein Dach. Sie verabreden sich in einem Vergnügungspark, aber Barakah muss | |
| umkehren. „Keine ledigen Männer“, so der Pförtner. „Bleiben Apotheken u… | |
| Supermärkte“, seufzt Bibi. Zwischen Kichererbsen und Wasserkanistern sagt | |
| Barakah: „Dann halte ich eben um deine Hand an.“ Bibi dazu knapp: „Die ist | |
| verschwitzt.“ | |
| Viele Szenen sind durch Fenster gefilmt, die Perspektive ist auf Gucklöcher | |
| beschränkt. Als sich Bibi und Barakah bei einer Ausstellung begegnen – | |
| eigentlich haben Frauen keinen Zutritt –, sieht man nur die Silhouetten der | |
| beiden, die sich in einem dunklen Raum von einer weißen Leinwand wie in | |
| einem Schattenspiel abheben – bis die Religionspolizei kommt. | |
| Vor allem durch die Wahl der Hauptdarsteller kritisiert Sabbagh das Regime. | |
| Hisham Fageeh, der Barakah spielt, wurde durch seinen YouTube-Hit „No | |
| Woman, No Drive“ berühmt. Sinngemäß singt er: „[1][Frauen müssen auf den | |
| Rücksitz], sie sollen nicht fahren, sondern gebären.“ Im Film fährt Bibi | |
| Ferrari, aber nur innerhalb der Palastmauern. Sie heißt im wahren Leben | |
| Fatima AlBanawi und engagiert sich für Frauenrechte. | |
| Die Kritik scheint die Regierung nicht gestört zu haben. Sie schickte | |
| „Barakah Meets Barakah“ als Oscar-Kandidaten ins Rennen – wo der Film | |
| Asghar Farhadis „Salesman“ unterlag. | |
| „Barakah Meets Barakah“ müsste sich noch mehr trauen, um vollständig aus | |
| der Romantic- Comedy-Ecke auszubrechen. Seine Kritik könnte entschiedener | |
| ausfallen. Bibis Figur driftet manchmal zu sehr ins Klischee ab, und die | |
| filmischem Mittel sind eher gewöhnlich. Doch allein der Einblick in eine | |
| filmisch vollkommen unterrepräsentierte Welt lohnt. | |
| 9 Mar 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lea Wagner | |
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