Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Von der Schwierigkeit des Schreibens
> Seit Jahren versucht er sich auf allen hohen und niederen Feldern, die
> mit der Feder beackert werden können. Doch rein gar nichts will gelingen.
Ich erinnere mich noch genau an meine dichterischen Anfänge. Als knapp
Zwanzigjähriger schrieb ich ohne jede fremde Hilfe ein Gedicht: „Hüftgelenk
durch Magentablette gerettet. / Kind durch Patentamt gerettet. /
Eltern durch Keller gerettet.“
Das war für damalige Verhältnisse modern, knapp und rundum gelungen. Ich
staunte selbst. Möglicherweise hielt das Leben eine literarische Karriere
für mich bereit! Doch sogleich stellte sich die Frage: Was sollte ich nach
diesem Gedicht noch schreiben?
Meine Eltern, die meiner finanziellen Sicherheit Vorrang einräumten, rieten
mir zum Verfassen von Werbetexten, weil man damit angeblich viel Geld
verdienen konnte. Flotte Sprüche würden immer gesucht, hieß es. Mir kam das
eigentlich zu profan vor, doch traute ich mir zu, es mit dem
branchenüblichen Schwachsinn aufzunehmen. Bei einer auf Produktwerbung
spezialisierten Agentur bewarb ich mich mit dem Slogan „Darjeeling, das
stille Wasser unter den Milchkaffees“.
Als der erwartete Erfolg ausblieb, fühlte ich mich in meiner Überzeugung
bestärkt, zu Höherem als der Werbetexterei berufen zu sein. Jemand schlug
vor, ich solle „witzige Sachen“ fürs Fernsehen schreiben, das hätte
Zukunft. Ich hatte schon versucht, komisch zu sein, damit aber stets nur
alle gegen mich aufgebracht.
Witze schienen nicht meine Stärke zu sein, das Ernste lag mir doch mehr.
Ich wollte ein ernsthafter Schriftsteller sein und wie alle ernsthaften
Schriftsteller einen Roman schreiben – und zwar einen ernsten. Was mir dann
nur noch fehlte, war ein Verlag, der ihn zu für mich vorteilhaften
Konditionen in Buchform veröffentlichte.
Doch so weit war ich noch nicht, zuerst musste das Buch voll werden. Ich
brauchte ein Thema, das möglichst viele Menschen in aller Welt
interessierte, damit mein Buch in möglichst viele Sprachen übersetzt werden
konnte. Entschlossen begann ich, geeignete Themen aufzulisten. Das erste
war „Gedeih und Verderb in der Schädlingsernährung“, offenbar etwas für …
Sachbuch oder eine Doktorarbeit. An sich war das schön und gut, was mir
jedoch vorschwebte, war etwas entschieden Populäreres, mit Herz und
amourösen Verwicklungen.
Wiederum dachte ich intensiv nach und notierte endlich: „Junge liebt Kuh,
alle sind dagegen, auch der Junge und die Kuh.“ Ein tolles Thema, provokant
und mitten aus dem Leben, doch leider hatte ich keine Ahnung, wie ich
daraus etwas Massentaugliches entwickeln sollte, das etwa
zweihundertfünfzig Druckseiten füllte. Beherzt schrieb ich einfach
drauflos, doch es entstand ein Volksbegehren für mehr Mürbeteig.
Infolgedessen schwor ich dem Schreiben endgültig ab. Bis zum heutigen Tage
habe ich nie wieder etwas geschrieben.
Weil ich aber irgendetwas tun musste, machte ich mir als Opfer von
Realitätsstrahlen einen Namen. Wie inzwischen nachgewiesen werden konnte,
war das jedoch gar nicht ich, sondern ein ganz anderer, der mir kein
bisschen ähnlich sah und überdies einen Schnurrbart trug.
16 Mar 2017
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Kreativität
Groteske
Mieten
Literatur
Erinnerung
Hochzeit
Groteske
Begehren
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Der Milchstein-Nachlass
Die Wohnung war groß, voller rätselhafter baulicher Zustände und gespickt
mit seltsamen Mitteilungen. Eines Tages machte ich mich auf den Weg …
Die Wahrheit: Lesung eines zerstreuten Dichters
Von hinten grob in den überraschend dunklen Saal hineingestoßen, vollzogen
sich dort bizarre Auswüchse. Der Fluchtweg zur Tür war verstellt.
Die Wahrheit: Das Kabel im Ärmel
Ich konnte mich nicht erinnern, was vor meiner Ohnmacht geschehen war.
Ebenso wenig wusste ich, was sie überhaupt verursacht hatte.
Die Wahrheit: Eine unverhoffte Eheschließung
Wer als 13-Jähriger auf seltsame Art und Weise verheiratet wird, tut gut
daran, einen solchen Vorgang zu notieren.
Die Wahrheit: Essen bei Branz
Ein merkwürdiges Wesen geistert durchs Esszimmer. Aber Essen bringt es
keines. Wo doch der Hunger so dringend gestillt werden will.
Die Wahrheit: Exkursion in eine spärliche Vegetation
Einige Tage allein mit Biologin Boehm? Zunächst erschien mir der Gedanke
verlockend. Doch was hatte ich bisher nur in ihr gesehen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.