| # taz.de -- Die Wahrheit: Exkursion in eine spärliche Vegetation | |
| > Einige Tage allein mit Biologin Boehm? Zunächst erschien mir der Gedanke | |
| > verlockend. Doch was hatte ich bisher nur in ihr gesehen? | |
| Die Biologin Boehm, eine attraktive, große Frau von etwa 50 Jahren, bat | |
| mich, sie auf ihrer Exkursion zu begleiten. Gern war ich dazu bereit, denn | |
| mir erschien der Gedanke verlockend, einige Tage mit ihr allein zu sein. Am | |
| nächsten Vormittag brachen wir auf. Nach nur fünf Minuten waren wir am | |
| Ziel. Mir fiel sofort auf, dass es dort aussah wie in der arktischen | |
| Tundra. Das Nächste, was mir auffiel, war: Frau Boehm erschien mir in | |
| dieser Umgebung überhaupt nicht mehr attraktiv. Was habe ich bisher nur in | |
| ihr gesehen, fragte ich mich verständnislos. Ich finde sie so wenig | |
| begehrenswert wie mich selbst. | |
| Oh, ich Narr! Ich hätte meinen Kopf in einen Eimer stecken mögen, so sehr | |
| bekümmerte mich die Aussicht, die nächsten zwei Tage mit dieser Person | |
| verbringen zu müssen. Mir blieb aber nichts anderes übrig, als mich mit den | |
| Umständen zu arrangieren. Ein paar Tage waren objektiv betrachtet keine | |
| lange Zeit. Sie würden umso schneller vergehen, je intensiver ich mich | |
| darauf konzentrierte, ein nützlicher Assistent zu sein. „Na gut, suchen wir | |
| also nach Fledermäusen“, sagte ich aufs Geratewohl. „Fledermäuse?“, | |
| wunderte sich Frau Boehm. „Auf dieser Insel gibt es keine Fledermäuse.“ Ich | |
| wünschte, es gäbe in der Nähe eine Telefonzelle, in die ich mich flüchten | |
| könnte, um jemanden anzurufen oder, falls ich niemanden erreichte, | |
| wenigstens in einem geschlossenen Raum allein sein zu können. „Los, kommen | |
| Sie“, sagte Boehm. | |
| Bei unserem schweigend absolvierten Gang über die Insel fanden wir nur | |
| spärliche Vegetation und Steine vor, hier und dort ein paar Sträucher, | |
| sonst nichts. Auch keine Spur von Fledermäusen. Wir standen keine Sekunde | |
| lang still, unter ermüdendem Schweigen begingen wir unablässig die Insel. | |
| Allmählich dunkelte es. Ich wies die Biologin darauf hin: „Am Abendhimmel | |
| sind Abendwolken. Es wird Abend, und die Müdigkeit erwacht.“ | |
| Ein paar Schritte voraus sah ich plötzlich am Boden etwas Schwarzes. Es war | |
| flach und rund, sein Durchmesser betrug ungefähr 30 Zentimeter. Neugierig | |
| ging ich näher heran. Die Oberfläche des Dings erschien mir undefinierbar, | |
| und ich rätselte, was es sein mochte. Vielleicht ein großer Schmutzfleck? | |
| Eine Ölpfütze? Erstaunlicherweise war das Objekt in der Lage, das Licht in | |
| seiner unmittelbaren Umgebung abzudunkeln und so zu beeinflussen, dass eine | |
| Unschärfe entstand. „Was ist das?“, fragte ich die Biologin. „Keine | |
| Ahnung“, antwortete diese. „Es tritt nur abends in Erscheinung. Wenn es | |
| auch immer eine gewisse Distanz wahrt, sucht es doch offenkundig die Nähe | |
| von Menschen.“ – „Woraus besteht es?“, fragte ich. Boehm wusste es nich… | |
| warnte nur: „Fassen Sie es ja nicht an! Die Berührung damit ist so | |
| schmerzhaft wie Gicht.“ | |
| Mir fiel ein längst vergangener Tag ein, an dem ich im Café zwei Stücke | |
| Kuchen gegessen hatte. Das war wie von selbst gegangen. Und nun dieses | |
| Elend! Etwas Trost gewährte mir der Gedanke: Mit der Hilfe des Herrn kann | |
| ich in 14 Jahren vielleicht einen eigenen Schnellimbiss eröffnen. | |
| 6 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Egner Eugen | |
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