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# taz.de -- Kriminalität in Berlin: Polizei mangelt's an Aufklärung
> SPD-Innensenator Geisel stellt die Polizeibilanz für 2016 vor, fordert
> eine bessere Aufklärungsquote – und kritisiert seinen Vorgänger, ohne ihn
> zu nennen.
Bild: Stellten jede Menge Zahlen vor: Polizeipräsident Kandt und der Innensena…
Eigentlich ist es der falsche Innensenator, der am Montagmorgen mit
Polizeipräsident Klaus Kandt die Kriminalitätsstatistik für das vergangene
Jahr vorstellt. Denn Andreas Geisel (SPD) ist erst seit dem 8. Dezember als
Innensenator im Amt; sein CDU-Vorgänger Frank Henkel war also den Großteil
des bilanzierten Zeitraums in der Verantwortung. So stellte sich die Frage:
Würde Geisel seinem Vorgänger eins mitgeben? Oder ihn gar loben?
Letzteres ist unvermeidbar: Kein Innensenator hat ein Interesse daran, die
Sicherheitslage als schlecht darzustellen. Geisel will zudem noch ein paar
Jahre für die Polizei mit ihrem CDU-nahen Chef Kandt verantwortlich sein.
Da käme mehr als dezente Kritik schlecht an.
Und tatsächlich kann sich die Bilanz sehen lassen. Laut Statistik ist die
Zahl der erfassten Straftaten 2016 mit 568.860 Fällen minimal gesunken –
trotz eines Bevölkerungswachstums um 60.000 Menschen. „Ich bin mit der
Arbeit der Polizei zufrieden“, sagt Geisel denn auch, die Entwicklung sei
positiv.
Im vierten Jahr in Folge gibt es laut Geisel weniger Raubtaten; die Zahl
der Mord- und Totschlagsdelikte sei auf dem niedrigsten Stand seit zehn
Jahren. Geisel fasst das in dem Slogan „Berlin wächst – die Kriminalität
nicht“ zusammen. Das war auch ein Lob für Henkel – dessen Name aber an
diesem Morgen kein einziges Mal fällt.
## Gefühlte Unsicherheit
Aber natürlich kann nach fünf Jahren Innenverwaltung unter CDU-Führung
nicht alles gut sein. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Berliner und
Berlin-Besucher sei noch verbesserungswürdig, betont Geisel – was dann doch
eine kaum verhohlene Kritik an seinem Vorgänger ist. Henkel hatte stets mit
großem Bohei und Polizeiaufgebot versucht, schwierige Ecken in der Stadt zu
befrieden, vor allem den Görlitzer Park in Kreuzberg.
Geisel hat vergangene Woche angekündigt, das von Henkel für den Park
verhängte „Null-Toleranz“-Diktum für Drogen wieder abzuschaffen. Das hei�…
jedoch nicht, so der Innensenator am Montag, dass Drogenkriminalität im
„Görli“ nicht mehr verfolgt werde. Nur gelte auch dort wieder die
berlinweite Vorgabe, dass der Besitz von 15 Gramm Haschisch nicht
strafrechtlich geahndet werde. Der Senator fügt hinzu: „Der Druck lässt
nicht nach.“ Allerdings könne die Polizei die Probleme nicht allein lösen:
Laut Geisel mussten Büsche gerodet werden, um Angsträume aufzulösen,
Sozialarbeiter sollen eingestellt werden, es wurden Toiletten gebaut, um
das Wildpinkeln einzudämmen.
Auch an anderen gefährlichen Orten wie dem Alexanderplatz – Ort vieler
Diebstähle und Übergriffe – rechnet Geisel nicht mit einer schnellen
Besserung, selbst wenn dort „Ende diesen oder Anfang kommenden Jahres“ die
Polizei mit einer neuen Wache Präsenz zeige. „Das ist ein Prozess über
Jahre.“
Die klarste Forderung des neuen Innensenators an die Polizei: Die
Aufklärungsquote müsse deutlich steigen. Sie ist 2016 noch einmal leicht
auf 42 Prozent gesunken und damit weit entfernt von den 50,4 Prozent 2007.
Tatsächlich aber sagt diese Zahl nicht viel aus: Es gibt Bereiche, in denen
die Aufklärungsquote sehr hoch ist, etwa bei Morden (94,6 Prozent), und
solche, wo sie de facto nicht existiert, so bei Taschendiebstählen (5,3
Prozent, immerhin ein Prozentpunkt mehr als 2015). Wie inhaltsleer die
Aufklärungsquote insgesamt ist, zeigt sich auch daran, dass Polizeichef
Kandt den Rückgang damit begründet, dass die BVG weniger Schwarzfahrer
angezeigt hätte – dabei beträgt die Aufklärungsquote 100 Prozent.
Von künftig sinkenden Zahlen gehen Kandt und Geisel im Fall der Straftaten
in Flüchtlingsunterkünften aus: Fast 4.000 listet die Statistik für 2016
auf, 1.700 davon sind Körperverletzungen. Die Zahlen belegten, wie wichtig
es sei, die Massenunterkünfte für Flüchtlinge mit ihrer Enge und fehlenden
Privatsphäre aufzulösen. Bis Ostern sollen fast alle Turnhallen leer
gezogen sein, kündigt Geisel an.
Im Umfeld von Flüchtlingsheimen gebe es keinen „signifikanten Anstieg der
Straftaten“. Unklar bleibt indes, ob Geflüchtete tendenziell häufiger
Straftaten begehen. Ihm fehle dazu schlicht die genaue Zahl von
Flüchtlingen, die 2016 in Berlin lebten, sagt Stephan Harnau von der
Abteilung Kriminalitätsanalyse der Polizei. Nicht einmal eine grobe
Schätzung wollte er nennen, er wagte nur die „Mutmaßung“, dass die Quote
„tendenziell“ so hoch sei wie bei Menschen mit nicht-deutschem Hintergrund,
also höher als bei Deutschstämmigen.
Wie soll die Polizei Geisels Forderungen erfüllen? Auch da herrscht
weitgehend Einigkeit. Der Innensenator kündigt an, bei den
Haushaltsverhandlungen für 2018 und 2019 mehr Stellen zu fordern. Auch der
innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sagt in einer
Mitteilung: „Wir benötigen auf den Straßen wieder mehr Polizeipräsenz,
damit sie im Notfall schnell reagieren kann.“ Ein Innensenator Henkel hätte
das nicht schöner sagen können.
13 Mar 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
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