| # taz.de -- Grünes Programm für die Bundestagswahl: Klassisch grün | |
| > Die Grünen starten den Wahlkampf mit einem Programm, das Ökologie ins | |
| > Zentrum rückt. Soziales wird eher am Rande behandelt. | |
| Bild: Spaß am Rande der Programmvorstellung | |
| Berlin taz | Eine Müttergruppe packt die Yogamatten im Berliner | |
| Gleisdreieckpark zusammen. Im Hintergrund ragen die Rohbauten des | |
| Möckernkiezes auf, wo eine selbstverwaltete Genossenschaft ökologische | |
| Wohnungen baut – für 13 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. Das ist die | |
| Kulisse, vor der die Grünen an diesem Freitag in einem Restaurant im Park | |
| den Entwurf ihres neuen Wahlprogramms vorstellen: Mit einem stark auf das | |
| grüne Milieu zugeschnittenen Konzept wollen sie bis zum September um | |
| Wählerstimmen werben. „Klar, Umwelt können wir am besten“, sagte | |
| Spitzenkandidat Cem Özdemir. | |
| Im Vordergrund stehen vor allem Klimaschutz und Ökologie: So wollen die | |
| Grünen in den nächsten 40 Jahren alle Kohlekraftwerke abschalten, aus der | |
| industriellen Massentierhaltung innerhalb von 20 Jahren aussteigen. | |
| Mit 1 Milliarde Euro wollen sie den kommenden sieben Jahren Ökolandbau | |
| fördern, mit 2 Milliarden Euro jährlich die energetische Sanierung von | |
| Gebäuden unterstützen. Außerdem wollen sie den Autostandort Deutschland zum | |
| E-Mobil-Standort umbauen – ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos vom | |
| Band rollen. | |
| „Ökologie ist die zentrale Frage für Gerechtigkeit und Wirtschaft“, | |
| begründete Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt die Fokussierung. | |
| Soziale Gerechtigkeit ordnet sich denn auch im Programmentwurf unter. Armut | |
| definieren die Grünen hier vor allem als Kinderarmut, die beendet werden | |
| soll: So wollen sie die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder bedarfsgerecht | |
| erhöhen; Familien und Alleinerziehende mit niedrigem Einkommen sollen | |
| unbürokratisch einen unbefristeten „Kindergeldbonus“ bekommen. | |
| ## Woher das Geld kommt | |
| Familienwirksame Leistungen wie das Kindergeld wollen die Grünen bündeln | |
| und Familien zusätzlich 12 Milliarden Euro jährlich zukommen lassen. | |
| Gemessen an den 130 Milliarden Euro, die laut Bundesfamilienministerium | |
| vor der letzten Bundestagswahl im Jahr 2012 flossen, entspricht das etwa | |
| einem Plus von 9 Prozent. | |
| Woher soll das zusätzliche Geld kommen? Das bleibt unklar. Zum Thema | |
| Steuern gibt es im Entwurf kaum Aussagen. Immerhin haben sich die Grünen | |
| auf einen Vermögenssteuer für Superreiche festgelegt – nach Auskunft | |
| Özdemirs seien das Multimillionäre und Milliardäre. Außerdem halten die | |
| Grünen an einer Reform der Erbschaftsteuer fest. | |
| „Für mich ist klar, dass die Steuern erhöht werden müssen“, meint ein | |
| junger Mann, der später noch als Neumitglied mit den Spitzenkandidaten | |
| diskutiert. | |
| ## Angebot an Veränderungswillige | |
| Doch so klar ist das nicht. Chancengleichheit wollen die Grünen vor allem | |
| über Investitionen in Bildung erreichen: Sie wollen das Bafög ausbauen, den | |
| Betreuungsschlüssel in Kitas per Gesetz auf zehn Kinder pro ErzieherIn | |
| absenken, ein milliardenschweres Schulsanierungsprogramm auflegen und | |
| 10.000 neue Ganztagsschulplätze schaffen. | |
| Das Programm sei ein Angebot an alle, die das Land progressiv verändern | |
| wollten, sagt Göring-Eckardt. Wer über Sorgen und Ängste sprechen wolle, | |
| sei bei den Grünen nicht zu Hause, erklärt Özdemir: „Hier sind die zu | |
| Hause, die sich Gedanken über die Zukunft machen.“ | |
| Mit welchem Partner wollen sie ihr Programm, das im Juni auf dem Parteitag | |
| beschlossen werden soll, am liebsten umsetzen? Das bleibt offen. Die Grünen | |
| setzten auf einen eigenständigen Wahlkampf. Es gebe mehr Überschneidungen | |
| mit der SPD. Vor allem aber wollen die Grünen, die in elf Ländern | |
| mitregieren, endlich auch im Bund regieren. Özdemir: „Jetzt ist der Bund | |
| fällig.“ | |
| 10 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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