| # taz.de -- Geld für meuternde Soldaten: Domino-Effekt an der Elfenbeinküste | |
| > Schmutzige Slums, überfüllte Schulen, streikende Beamte: Die Regierung | |
| > der Elfenbeinküste hätte Geld dagegen, doch das landet bei Soldaten. | |
| Bild: Soldaten bei einer Parade in Abidjan (Elfenbeinküste) im August | |
| Abidjan taz | Wer durch teure Stadtteile wie Cocody oder Deux Plateau | |
| fährt, sieht all die schönen Cafés und Bäckereien, die in Abidjan, | |
| Wirtschaftsmetropole und faktische Hauptstadt der Elfenbeinküste, immer | |
| zahlreicher werden. Die Auslagen in den Boutiquen sind schick und stylisch. | |
| Das Sortiment der Supermärkte unterscheidet sich nicht von dem in | |
| Frankreich, der einstigen Kolonialmacht. | |
| Laut Weltbank stieg das Bruttoinlandsprodukt in der Elfenbeinküste im Jahr | |
| 2016 um rund 9 Prozent. Abidjan ist auf dem Weg zur reichsten Metropole des | |
| frankophonen Westafrika, die es früher einmal war, bevor Jahrzehnte der | |
| Krise und des Bürgerkrieges kamen. | |
| In einem besseren Viertel hat auch Mariette Uwiyeze noch vor einem Jahr | |
| gewohnt. Dann konnte die Mutter der 16-Jährigen die Miete nicht mehr | |
| zahlen. Der Vater, der aus Ruanda stammte, starb wie mehr als 3.000 andere | |
| während der Wahlunruhen im Frühjahr 2011. Seitdem lautet die Adresse der | |
| kleinen Familie: Abobo – ein von Slums geprägter Stadtteil am Stadtrand. | |
| „Wenn ich das sagen muss, dann denken andere: Dort gibt es keine | |
| Zivilisation.“ | |
| In dem dicht besiedelten Viertel im Norden von Abidjan gibt es weder | |
| Schulen noch Arbeit. Wer Glück hat, findet eine Beschäftigung anderswo in | |
| der Stadt, muss dafür aber stundenlang pendeln. Die Kinder bleiben sich | |
| selbst überlassen. Häufig fällt in Gesprächen das Wort „Microbes“, | |
| Krankheitskeime. So heißen die Jugendbanden, die Einbrüche und Überfälle | |
| verüben. In den ärmlichen Vierteln Abidjans gelten sie als neue Gefahr. | |
| ## Ein hochrangiger Militär spricht von zwei Armeen | |
| Das ist nicht die einzige Gefahr in der Elfenbeinküste. Anfang Januar | |
| meuterten in der zweitgrößten Stadt Bouaké Soldaten, die früher zu den | |
| Rebellen Forces Nouvelles im Norden des Landes gehörten. Sie zählten 2011 | |
| zu den Kampftruppen, die mit Hilfe Frankreichs den Wahlsieg des jetzigen | |
| Präsidenten Alassane Ouattara gegen den renitenten Exstaatschef Laurent | |
| Gbagbo durchsetzten. Aus ihnen und Gbagbos einstiger Armee entstand dann | |
| eine geeinte Streitmacht – auf dem Papier. Aber das ist noch lange nicht | |
| der Fall. | |
| Ein hochrangiges Armeemitglied, das anonym bleiben will, hält die | |
| Streitkräfte für gespalten und spricht sogar von zwei Armeen. Das würde die | |
| Lage „sehr zerbrechlich“ machen. In den Straßen von Abidjan ist das | |
| Militär zwar nicht präsenter als sonst. Doch die Meuterei bleibt ein Thema. | |
| Grund dafür ist vor allem der Ausgang. Präsident Ouattara reagierte | |
| umgehend und kündigte fette Sonderprämien für die Meuterer an. Man spricht | |
| von bis zu 18.000 Euro pro Soldat – in einem Land, in dem der monatliche | |
| Mindestlohn umgerechnet gut 90 Euro beträgt. | |
| Es heißt, dass die Prämie ebenfalls nach der Krise ausgehandelt wurde. | |
| „Dabei gibt es nur wenig finanzielle Reserven und für solche Maßnahmen auch | |
| keine Kredite“, sagt der deutsche Sicherheitsexperte Tinko Weibezahl von | |
| der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abidjan. | |
| ## Feiern statt Investitionen | |
| Mehr Geld für die Soldaten heißt: weniger Geld für Infrastruktur. Dabei | |
| fehlt es an Kasernen. Junge Soldaten bekommen dort erst nach fünf Jahren | |
| eine Unterkunft, die groß genug für eine Familie ist. Auch Schulen sind | |
| nicht ausreichend vorhanden. Doch anstatt zu investieren, ist nach der | |
| ersten Zahlung an die Meuterer zumindest in Bouaké ausschweifend gefeiert | |
| worden. | |
| Laut dem anonymen hochrangigen Militär sollen einige Soldaten sich ins | |
| Ausland abgesetzt haben. Außerdem gab es einen Domino-Effekt. Es dauerte | |
| nur eine gute Woche, bis andere Soldaten eine Meuterei anzettelten. Danach | |
| traten Beamte und Lehrer in den Streik. Dort geht es um ausstehende | |
| Zahlungen in Höhe von rund 380 Millionen Euro. Noch wird verhandelt. Am | |
| Dienstag soll ein Dialog über einen Streikverzicht beginnen. | |
| In Abobo kann Mariette Uwiyeze verstehen, warum Arbeitnehmer wie ihre | |
| Lehrer für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen. Gleichzeitig | |
| ist sie ärgerlich: „Sie denken an sich, aber nicht an uns.“ Denn mehr Geld | |
| in Lehrerportemonnaies ändert die schlechten Bedingungen an den | |
| öffentlichen Schulen nicht. Mariette hat in ihrer Klasse 75 Mitschüler. An | |
| vernünftiges Lernen ist kaum zu denken. Manchmal fragt sich die 16-Jährige | |
| ohnehin, was all das bringen soll: „Intelligenz und Fleiß zählen in diesem | |
| Land nicht mehr, sondern nur noch Beziehungen.“ | |
| 6 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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