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# taz.de -- Meuterei in der Elfenbeinküste: Ivorische Soldaten im Aufstand
> Eine blitzartige Meuterei bringt den gewählten Präsidenten Ouattara in
> die Defensive gegenüber den Exrebellen in seiner eigenen Armee.
Bild: Verteidigungsminister Alain Donwahi stellt sich am Samsteg in Bouaké den…
Berlin taz | Ein Militäraufstand in der Elfenbeinküste hat am Wochenende
deutlich gemacht, wie fragil das Land auch knapp sechs Jahre nach Ende des
Bürgerkrieges ist. Meuternde Soldaten brachten im Laufe des Freitags und
Samstags acht Städte unter ihre Kontrolle. Verhandlungen brachten
schließlich am Sonntag eine scheinbare Rückkehr zur Normalität, aber die
Herausforderungen für die ivorische Politik und Präsident Alassane Ouattara
sind immens.
Die Meuterei begann am Freitag mitten in der Nacht, als in der
Millionenstadt Bouaké, zweitgrößte Stadt der Elfenbeinküste im Zentrum des
Landes, Soldaten wichtige Gebäude besetzten und am Morgengrauen die
Hauptstraßen abriegelten. Einheiten aus anderen Landesteilen, die die
Meuterei beenden sollten, traten stattdessen ebenfalls in den Aufstand.
Bis Freitag Abend gerieten die Städte Daloa im Westen, Korhogo und Odienné
im Norden sowie Daoukro im Süden unter die Kontrolle von Meuterern. Am
Samstag kamen Bouna im Norden sowie Man und Duékoué im Westen dazu.
Nur die offizielle Hauptstadt Yamassoukro blieb ruhig, während in Abidjan,
der faktischen Hautpstadt, Soldaten Straßensperren errichteten und den
Generalstab besetzten. Sie beschlagnahmten Autos und schossen mit schweren
Waffen um sich, während verängstigte Menschen im ganzen Land vor
Tankstellen und Bäckereien Schlange standen, um Notreserven anzulegen.
## Aktion wie im Bürgerkrieg
Die Bewohner der Elfenbeinküste wissen gut, wohin solche Situationen führen
können. Die Blitzaktion erinnerte an den Beginn des ivorischen
Bürgerkrieges 2002, als aufständische Soldaten in einer Stadt nach der
anderen die Kontrolle übernahmen, um den damaligen sozialistischen
Präsidenten Laurent Gbagbo zu stürzen – dieser hatte die muslimische
Bevölkerungshälfte des Landes diskriminiert.
Nur eine französische Militärintervention verhinderte damals Gbagbos Sturz.
Die Aufständischen konstitutierten sich daraufhin als Rebellenbewegung und
beherrschten den Norden der Elfenbeinküste jahrelang.
Als 2010 endlich freie Wahlen stattfanden, verlor Gbagbo gegen den
muslimischen Oppositionsführer Alassane Ouattara, erkannte aber seine
Niederlage nicht an. Erst der Einmarsch der Rebellen in Abidjan, diesmal
mit Unterstützung Frankreichs, sorgte im April 2011 für den Machtwechsel.
Die einstigen Rebellen sind seitdem das Rückgrat der ivorischen Armee,
während Gbagbo vor dem Internationalen Strafgerichtshof steht. Die
zersplitterten Gbagbo-Anhänger boykottieren weitgehend die Politik, die
ehemaligen Rebellen wollen ihre Pfründen aus acht Jahren Krieg nicht
aufgeben.
## 8.000 Euro pro Soldat
„Wir haben die Elfenbeinküste gerettet, das weiß jeder,“ sagte ein Sprech…
der Meuterer – die ohne identifizierbare Führung auftraten – am Samstag vor
einem Radiomikrophon in Bouaké. Sie verlangten astronomische
Neujahrsprämien – in Berichten ist von 42 Milliarden CFA-Francs für 8.000
Soldaten die Rede, rund 8.000 Euro pro Soldat.
Am Samstag Abend versprach Präsident Ouattara im Staatsfernsehen, die
Forderungen zu erfüllen, beorderte die Soldaten in die Kasernen zurück und
entsandte Verteidigungsminister Alain Donwahi nach Bouaké zu Gesprächen.
Die Meuterer wollten aber erst Geld sehen, nahmen Donwahi als Geisel und
sperrten die anderen Unterhändler in die Küche des Hauses, wo die Gespräche
stattfanden. Erst die Zusage, es werde schon am Montag Zahlungen geben,
brachte sie in der Nacht zum Sonntag zum Nachgeben.
Nun steht der Präsident unter Zugzwang, zumal das Ausmaß und die
koordinierte Natur des Aufstands auf sorgfältige Planung und eine
politische Agenda hindeuten. Am 30. Oktober hatte die Elfenbeinküste per
Volksabstimmung eine neue Verfassung angenommen, am 18. Dezember hatte es
Parlamentswahlen gegeben.
## Institutioneller Neustart
Am Montag soll das neu gewählte Parlament zusammentreten und dann aufgrund
der neuen Verfassung eine neue Regierung bestätigen, die noch nicht
gebildet ist. Eigentlich wollte Ouattara sich durch diesen institutionellen
Neustart von seinen ehemaligen bewaffneten Verbündeten lösen. Das wird nun
wohl schwerer als gedacht.
Der ehemalige Rebellenchef Guillaume Soro, bisher Parlamentspräsident,
kündigte am Wochenende an, in diesem Amt bleiben zu wollen. Soro empfiehlt
schon seit längerem, angesichts des in ganz Westafrika und auch in der
Elfenbeinküste um sich greifenden islamistischen Terrors ein großes
Sicherheitsministerium zu gründen sowie kampferfahrene Soldaten in
Anti-Terror-Spezialeinheiten zusammenzuführen – zugeschnitten auf die
einstigen Ex-Rebellen.
Noch ist jedenfalls kein Geld an die Meuterer geflossen, sie haben ihre
gestohlenen Fahrzeuge nicht zurückgegeben, und die nächste Gesprächsrunde
ist für Donnerstag geplant. Am Sonntag herrschte in den ivorischen Städten
gespannte Ruhe.
8 Jan 2017
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Alassane Dramane Ouattara
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