Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Skandale und Spektakel
> Die Elfenbeinküste feiert nach einem epischen Elfmeterschießen gegen
> Ghana den Sieg im Afrika-Cup. Ein Anlass zum Aufatmen für das geplagte
> Land.
Bild: Torhüter Boubacar Barry gibt sich cool und lässt sich feiern
Was für ein kurioses Ende für einen kuriosen Afrika-Cup. Die Elfenbeinküste
besiegt Ghana im Elfmeterschießen – und den Siegtreffer schießt der
ivorische Torwart, nachdem er vorher den Schuss des ghanaischen Torwarts
hält. Die beiden Torhüter waren nach dem Stand von 8:8, bei jeweils zwei
versemmelten Versuchen, als letzte Schützen ihrer Teams übrig geblieben. Am
Schluss stand es 9:8 für die ivorischen „Elefanten“ gegen die ghanischen
„Black Stars“.
Für die Elfenbeinküste ist es der erste Titelgewinn seit dem Afrika-Cup von
1992, der ebenfalls im Elfmeterschießen gegen Ghana geholt wurde, damals
mit 11:10. 120 Minuten lang hatten sich die geduldig-methodischen Ghanaer
und die flamboyant-schillernden Ivorer, zwei Extreme des afrikanischen
Spitzenfußballs, aneinander torlos die Zähne ausgebissen.
Unbestrittener Star dieses Endspiels ist Boubacar Barry Copa. Der ivorische
Torwart traf nicht nur zum Siegtreffer, sondern unterhielt das Publikum
auch während des Elfmeterschießens mit gespielten Krampfeinlagen, während
sein ghanaischer Gegenpart Gebete mit Rasenküssen bevorzugte. Der
35-jährige Abidjaner, der sonst in Belgien spielt, war eigentlich nur
Ersatztorwart und wurde zum entscheidenden Protagonisten.
Die Elfenbeinküste kann diesen Titelgewinn dringend brauchen. Das Land
steckt in einer Sinnkrise seit dem zehnjährigen Bürgerkrieg mit seiner
mörderischen Zuspitzung, die 2011 den Präsidentschaftswahlsieger Alassane
Ouattara im Schatten französischer Truppen an die Macht brachte. Beim
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beginnt im Juli der Prozess
gegen Ouattaras damaligen Widersacher Laurent Gbagbo; bei den nächsten
Wahlen im Oktober könnten die alten Wunden brutal neu aufbrechen.
## Bezahlter Feiertag
Vor diesem Hintergrund sind die Bilder von Tausenden einträchtig jubelnder
Fans in orangefarbenen T-Shirts in den Straßen von Abidjan ein Anlass zum
Aufatmen. Präsident Ouattara hat den Montag zum bezahlten Feiertag erklärt,
ganz Abidjan war auf den Beinen, um die „Elefanten“ vom Flughafen abzuholen
und ihnen eine gigantische Siegesfeier zu bieten. Vor allem, weil die
„goldene Generation“ des ivorischen Fußballs international meistens Pech
hat. „Der Fluch ist endlich von uns gewichen!“, rufen die Fans, und man
spürt, dass es dabei um mehr als nur um Fußball gehen könnte.
Ghana hingegen kommt die Rolle des tragischen Helden zu. Eigentlich waren
die „Black Stars“ auf dem Feld das stärkere Team, wenn auch nicht mit den
stärkeren Individualisten. Sie hatten ein Halbfinale gegen den Gastgeber
Äquatorial-Guinea hinter sich, das in bürgerkriegsartigen Szenen endete:
Die Partie wurde abgebrochen, als ghanaische Fans sich vor den wütenden
Heimfans auf den Rasen retten wollten.
Tränengas waberte durch die Ränge, ein Polizeihubschrauber im Tiefflug
ratterte über dem Spielfeld und draußen flogen die Gummiknüppel. Nach einer
halben Stunde wurden dann noch ein paar lustlose Minuten nachgespielt. Für
dieses Spektakel hat der afrikanische Fußballverband Äquatorial-Guinea mit
einer Geldstrafe von 100.000 Dollar belegt.
Äquatorial-Guinea war überhaupt nur dank skandalöser Fehlentscheidungen des
Schiedsrichters im Viertelfinale gegen Tunesien bis ins Halbfinale
vorgedrungen. Massive Proteste der Tunesier führten zu einer sechsmonatigen
Suspendierung des tunesischen Fußballpräsidenten vom afrikanischen
Fußballverband – er hatte sich geweigert, sich für den Vorwurf des Betrugs
zu entschuldigen. Marokko, wo der Cup ursprünglich hätte stattfinden
sollen, ist sogar von den nächsten zwei Wettbewerbe komplett
ausgeschlossen.
Die Strafe für den Gastgeber ist im Vergleich lächerlich: 100.000 Dollar
entspricht acht Minuten der äquatorialguineischen Ölförderung. So sehr
jetzt die Elfenbeinküste jubelt, so offensichtlich ist der afrikanische
Fußball insgesamt überfordert.
Beim nächsten Afrika-Cup 2017 geht das wohl weiter. Er sollte ursprünglich
in Libyen stattfinden, aber da ist Krieg. Der neue Gastgeber steht noch
nicht fest. In der Endauswahl stehen Algerien, Ägypten, Gabun – und Ghana.
9 Feb 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Krawalle
Ghana
Elfenbeinküste
Afrika-Cup
Fußball
Äquatorial-Guinea
Alassane Dramane Ouattara
Huub Stevens
Fußball
Menschenrechtsverletzungen
Ebola
Marokko
Marokko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Meuterei in der Elfenbeinküste: Ivorische Soldaten im Aufstand
Eine blitzartige Meuterei bringt den gewählten Präsidenten Ouattara in die
Defensive gegenüber den Exrebellen in seiner eigenen Armee.
Kolumne Press-Schlag: Vergebe unseren Schuldigern!
Trainer Huub Stevens hat nachgerechnet: Ohne Fehler stünde der VfB
Stuttgart im Abstiegskampf viel besser da. Ärgerliche Geschichte.
Kolumne Press-Schlag: Absteigen mit Anstand
Das Saisonende naht. Grund genug, sowohl trauernde als auch hämische Fans
schonend darauf vorzubereiten. Ein Schnellkurs.
Gerichtsurteil in der Elfenbeinküste: Frühere First Lady muss in Haft
Ein Gericht in Abidjan kam dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
zuvor. Es verurteilte Simone Gbagbo zu 20 Jahren Gefängnis.
Afrika-Cup in Äquatorialguinea: Ein Triumph für die korrupte Diktatur
Das eigentlich disqualifizierte Äquatorialguinea darf als Aushilfsgastgeber
nun doch beim Afrika-Cup mitmischen. Ein Sieg für Obiangs Willkürregime.
Äquatorialguinea richtet Afrika-Cup aus: Fußball flüchtet vor Ebola
Marokko hat aus Furcht vor Ebola abgesagt, nun soll der Afrika-Cup 2015 vom
17. Januar bis 8. Februar in Äquatorialguinea stattfinden.
Africa Cup und Ebola-Angst: Argument sofort gelöscht
Aus Angst vor dem Virus verzichtet Marokko auf die Ausrichtung des Africa
Cups. Der Fußballverband CAF sucht nun einen anderen Gastgeber.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.