# taz.de -- Nerzfarm in Schleswig-Holstein ist dicht: Die Käfige sind leer | |
> Die letzte Pelzfarm in Schleswig-Holstein macht freiwillig dicht. Dabei | |
> hatte sich die Farm jahrelang gerichtlich gegen Tierschutz-Auflagen | |
> gewehrt. | |
Bild: Wartet auf den Tod: Nerz im Käfig. | |
HAMBURG taz | Die Drahtkäfige, in denen die braunen Nerze kauern, sind zum | |
Teil kaum größer als ein DIN A4 Blatt. Klettermöglichkeiten oder | |
Wasserbecken gibt es nicht. Unter den Käfigen häuft sich der Kot. [1][Diese | |
Aufnahmen] will die Tierrechtsorganisation Peta Ende vergangenen Jahres in | |
einer Pelztierfarm in Schlesen im Kreis Plön gemacht haben. Die Farm steht | |
schon seit 2011 in der Kritik, weil sich die Betreiber weigern, | |
Tierschutzstandards umzusetzen und deshalb sogar durch die gerichtlichen | |
Instanzen gezogen sind. Nun hat das Familienunternehmen überraschend den | |
Betrieb eingestellt – kurz vor der endgültigen Entscheidung des | |
Bundesverwaltungsgerichts. | |
Es habe „wirtschaftliche Gründe“, dass sein Bruder Nils Sörnsen und er die | |
Zucht der Nerze einstellten, mit der schon ihr Vater 1968 an diesem | |
Standort begann und die die letzte in Schleswig-Holstein war, sagt Carsten | |
Sörnsen. „Der Markt ist woanders.“ Das Geschäft lohne sich nicht mehr. Mit | |
den erhöhten Tierschutzauflagen und damit verbundenen Kosten für den Umbau | |
habe die Entscheidung nichts zu tun, sagt er. | |
Im Jahr 2006 änderte der Bundestag die | |
Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und verfügte, dass die Betreiber von | |
Pelztierfarmen in drei Etappen eine tierschutzgerechtere Haltung umsetzen | |
müssen. Für Nerze sind jetzt etwa [2][größere Käfige mit | |
Klettermöglichkeiten und Schwimmbecken vorgeschrieben] (siehe Kasten). | |
All das wollte die Sörnsen GmbH in ihrem Betrieb, in dem bei voller | |
Belegung laut Veterinäramt rund 20.000 Tiere lebten, nicht umsetzen. Der | |
Kreis Plön entzog der Farm deshalb im Jahr 2011 die Erlaubnis zur Haltung – | |
doch die Sörnsens zogen vor Gericht. Vor dem Oberverwaltungsgericht | |
Schleswig schließlich bekamen die Betreiber recht. Das Gericht urteilte, | |
dass die verschärften Bestimmungen zum Tierschutz einem Berufsverbot | |
gleichkämen, da die Haltung von Nerzen so nicht mehr wirtschaftlich sei. | |
Das wiederum wollte der Landkreis nicht akzeptieren. Im Januar ließ das | |
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Revision zu. Aber zu einem Urteil | |
kommt es nun nicht mehr. | |
„Wie das vor Gericht ausgegangen wäre, wusste keiner so richtig“, sagt der | |
Veterinär Michael Görgen, der sich die Nerzfarm nach der Schließung für den | |
Landkreis angesehen hat. „Alle Käfige sind leer“, bestätigt er. Zwar habe | |
der Betreiber die Gehege vergrößert, doch die neuen Auflagen seien nicht | |
erfüllt gewesen. Im Januar habe die Sörnsen GmbH die letzten Zuchttiere mit | |
Kohlenmonoxid getötet. | |
Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation Peta ist überrascht, dass | |
die Betreiber tatsächlich aufgegeben haben. „Das ist nicht irgendeine | |
Nerzfarm, sondern das Sprachrohr der Branche“, sagt er. „Die sind | |
angetreten, um die Gesetzlichkeiten auszuhebeln.“ | |
Der Tierschützer ist für ein grundsätzliches Verbot. Pelztiere seien noch | |
immer Wildtiere mit einem großen Freiheitsdrang. „Das ist Tierquälerei ohne | |
Ende.“ Doch trotz aller Kampagnen gegen Pelz wachse der Konsum seit einigen | |
Jahren stetig, sagt Haferbeck, der dafür nicht nur die Textilindustrie | |
kritisiert. Vielen Konsumenten sei nicht klar, dass die Tiere auch für | |
einen kleinen Bommel oder einen Kragen „in Gänze sterben müssen“. | |
Ähnlich sieht das der grüne Landwirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, | |
Robert Habeck: „Ein Pelzmantel ist kein elementares Grundbedürfnis, sondern | |
ein schieres Luxusgut.“ Schon 2015 brachte er einen Antrag zum Verbot der | |
Pelztierhaltung in den Bundesrat ein. Der verwies den Vorschlag an den | |
Bundestag. Seither ist nichts passiert. „Die große Koalition im Bund | |
blockiert hier und verschleppt den klaren Auftrag der Länderkammer“, sagt | |
der Landwirtschaftsminister. | |
Dennoch zeigt der Druck auf die Pelzindustrie scheinbar Wirkung. Auch die | |
beiden verbliebenen Pelztierfarmen in Mecklenburg-Vorpommern wollen nach | |
einem Vergleich mit dem Land zum Ende des Jahres ihren Betrieb einstellen, | |
berichten die Norddeutschen Neuesten Nachrichten. Schätzungen von | |
Tierschützern zufolge lebten in den beiden Standorten noch mehr als 30.000 | |
Nerze. Bundesweit sollen es rund 100.000 sein. | |
7 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://mediathek.peta.de/de/ppreview?id=6909 | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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