# taz.de -- Haltung auf Nerzfarmen: Berufsfreiheit versus Tierwohl | |
> Sind Tierschutzregeln nicht mehr verbindlich, wenn sie die Haltung | |
> unrentabel machen? Das Oberverwaltungsgericht Schleswig sorgt für | |
> Unsicherheit. | |
Bild: Trotz Tierschutzverstößen in Betrieb: die Nerzfarm in Schlesen. | |
HAMBURG taz | Mehr Platz im Käfig, Wasser und Sand zum Toben: Zumindest | |
halbwegs erträglich soll das Leben von Zuchtnerzen sein, verlangt das | |
Tierschutzgesetz. Angewendet wird es aber nicht. Seit Dezember hat eine | |
Nerzfarm im Kreis Plön in Schleswig-Holstein sogar den richterlichen Segen, | |
das Bundesgesetz zu missachten. Über die Folgen wird gestritten. | |
Rund 2.500 weibliche und 600 männliche Nerze halten die Betreiber, Nils und | |
Carsten Sörnsen, im Örtchen Schlesen. Seit 1999 hat die Farm eine | |
unbefristete Erlaubnis des Kreises – mit der Auflage, die Tiere artgerecht | |
zu halten. Das Tierschutzgesetz von 2006 fordert mehr Freiheiten für die | |
Tiere, die Details regelt eine Verordnung. Bis 2011 hatten die Nerzfarmen | |
Zeit umzurüsten. | |
Der Betrieb kam dem nicht nach, seither streiten Kreis und Betreiber | |
juristisch, zuletzt vor dem Oberverwaltungsgericht. In seinem Urteil gab es | |
dem Kreis Plön inhaltlich meist Recht und entschied am Ende doch zugunsten | |
der Farm. Größere Käfige und bessere Lebensbedingungen für die Nerze würden | |
die Haltung so verteuern, dass der Betrieb nicht mehr rentabel wäre. 60 | |
Euro gibt es pro Fell auf dem Weltmarkt, die Zucht nach neuen Regeln würde | |
einen Mindestpreis von 84 Euro verlangen. | |
Statt die niedrigen Preise zu rügen oder den Nerzfarmern die Umstellung | |
ihres Betriebes zu empfehlen, kommt das Gericht zu einem anderen Schluss: | |
Der bessere Tierschutz habe „faktischen Verbotscharakter“. Und so ein | |
tiefer Einschnitt in die wirtschaftliche Freiheit sei per Verordnung nicht | |
zulässig, es müsse ein Parlament entscheiden. | |
## „Ein Grundsatzurteil“ | |
„Ein Grundsatzurteil“, freut sich der Anwalt der Nerzfarmer. Laut Gericht | |
fehle angesichts von nur zehn Farmen in Deutschland die Bedeutung für | |
andere Fälle. Aber es besteht die Gefahr, dass das Urteil auf andere | |
Nutztierarten übertragen wird, befürchtet Angelika Beer, Abgeordnete der | |
Piraten im Kieler Landtag: „Mit dem Urteil ist eine erhebliche | |
Rechtsunsicherheit entstanden.“ | |
Ihre Fraktion will das Thema im Umweltausschusses am Mittwoch beraten. | |
Zuständig ist zwar der Bund, aber Beer hofft auf eine politische Lösung: | |
„Tierschutz hat Verfassungsrang und darf nicht wirtschaftlichen Interessen | |
geopfert werden. Deswegen erwarte ich von der Landesregierung die klare | |
Aussage, dass sie sich für eine gesetzliche Regelung durch den Bundestag | |
stark macht.“ | |
Welche politischen Schritte möglich sind, prüfe die Regierung, sagt | |
Umweltminister Robert Habeck. In der Sache ist der Grüne eindeutig: „Ich | |
finde es geradezu anstößig, Nerze zu halten, um aus ihnen Luxusmäntel zu | |
machen.“ | |
Ob der Kreis Plön gegen das Urteil Beschwerde einlegt, stehe noch nicht | |
fest, so ein Sprecher. Da sie immer wieder Aufschübe erreichte, durfte die | |
Farm durchgehend weiterarbeiten, obwohl die Käfige zu klein sind. Statt auf | |
einem Quadratmeter hocken die Tiere auf der Grundfläche eines Schulhefts. | |
Kein Einzelfall: Im Urteil heißt es, dass keine der Nerzfarmen in | |
Deutschland bisher auf die größeren Käfige umgestellt hat. | |
13 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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