# taz.de -- Deutsch-türkisches Verhältnis: Leere Säle, schrille Töne | |
> Die AKP-Regierung ist erbost über die Absage von Veranstaltungen in | |
> Deutschland. Die Bundesregierung sieht sich nicht zuständig. | |
Bild: Wegen einer Bombendrohung war das Gaggenauer Rathaus am Freitag nicht zug… | |
ISTANBUL/BERLIN taz | Mit schrillen Tönen haben am Freitag mehrere | |
Mitglieder der türkischen Regierung auf die Absage einer Veranstaltung des | |
türkischen Justizministers Bekir Bozdağ im baden-württembergischen Gaggenau | |
reagiert. Er hatte für Zustimmung türkischer Wähler bei dem Referendum am | |
16. April über das von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan angestrebte | |
Präsidialsystem werben wollen. | |
Die Stadt hatte die Erlaubnis der Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken | |
am Donnerstag in letzter Minute zurückgezogen. Auch die Stadt Köln hat am | |
Donnerstag einen für Sonntag geplanten Auftritt des türkischen | |
Wirtschaftsministers Nihat Zeybekçi abgelehnt. | |
Bozdağ hatte die Absage in Gaggenau bereits am Donnerstag als | |
„undemokratisches Verhalten“ kritisiert. Am Freitag legte er bei einem | |
Wahlkampfauftritt im ostanatolischen Malatya noch einmal nach. So erinnerte | |
er an die deutsche Vergangenheit und sprach von einer „faschistischen | |
Maßnahme“. | |
Auch Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu ließ jede diplomatische Rücksichtnah… | |
fahren. Er beschuldigte die Bundesregierung, sich in den türkischen | |
Wahlkampf einzumischen. „Sie wollen sich einer starken Türkei in den Weg | |
stellen“, sagte er. „Wenn sie weiter mit uns reden wollen, müssen sie sich | |
einen anderen Ton angewöhnen.“ Die Türkei sei kein Zweite-Klasse-Staat, den | |
Deutschland herumkommandieren könne. Noch am Donnerstagabend hatte | |
Çavuşoğlu den deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, förmlich ins | |
Außenministerium bestellen lassen, um ihm im Namen der türkischen Regierung | |
sein Missfallen auszudrücken. | |
## Arrogante Deutsche | |
Unterstützt wurden die Minister durch die regierungsnahe Presse, die in | |
aggressiver Weise Deutschland kritisierte. „Die Deutschen sind verrückt | |
geworden“, „Große Frechheit“, „Sprechverbot für unsere Minister“ si… | |
einige der Schlagzeilen in Yeni Safak, Sabah, Star und Takvim. Selbst die | |
eher noch AKP-kritische Hürriyet bezeichnete das Auftrittsverbot als | |
undemokratisch. | |
Nachdem die türkische Regierung wegen der [1][Verhaftung des | |
Welt-Korrespondenten und früheren taz-Redakteurs Deniz Yücel] wegen | |
angeblicher „Volksverhetzung“ und „Terrorpropaganda“ in den letzten Tag… | |
in die Defensive geraten war, nutzt sie die Absage der beiden | |
Veranstaltungen, um wieder in die Offensive zu kommen. Gegenüber ihren | |
Anhängern versucht sie sich als Opfer der arroganten Deutschen | |
hinzustellen. | |
In Berlin bemühten sich Sprecher der Bundesregierung am Freitag um verbale | |
Deeskalation. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ mitteilen, er | |
versuche gerade einen Termin mit seinem türkischen Kollegen Çavuşoğlu zu | |
finden. „Es macht Sinn, miteinander das Gespräch zu suchen“, sagte | |
Außenamtssprecher Martin Schäfer, „auch wenn es noch so schwierig ist.“ | |
Laut Anadolu werden sich die beiden Außenminister am 8. März in Berlin | |
treffen. | |
Laut Schäfers Angaben hat die deutsche Botschaft in Ankara immer noch | |
keinen direkten Kontakt zu dem inhaftierten Yücel aufnehmen können. Ein | |
sofort nach der Inhaftierung gestellter Antrag auf konsularische Betreuung | |
sei von den türkischen Behörden unbeantwortet geblieben. | |
Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer versicherte, dass die | |
Bundesregierung sich „auf allen diplomatischen Ebenen“ für die Freilassung | |
von Deniz Yücel einsetze. | |
Die türkische Regierung ist derzeit mit anderem beschäftigt. | |
Wirtschaftsminister Zeybekçi plant, trotz der Kölner Absage in jedem Fall | |
nach Deutschland zu kommen. Auftritte sind nun in Frechen und in Leverkusen | |
geplant. „Ich werde die mir befohlene Reise antreten, und wir sagen, der | |
Sieg ist Allahs“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. | |
„Wenn wir sehen, dass sie uns wieder keine Erlaubnis geben, gehe ich von | |
Kaffeehaus zu Kaffeehaus, von Haus zu Haus und treffe unsere Bürger | |
trotzdem.“ Laut Polizei wurde die Veranstaltung in Frechen jedoch vom | |
Betreiber der dortigen halle mittlerweile abgesagt. | |
3 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!t5388975/ | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Wahlkampf | |
Hamburg | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Schwerpunkt Türkei | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Reiseland Türkei | |
taz.gazete | |
Schwerpunkt Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Deutsche Wahlkampfauftritte im Ausland: Die Regierung muss neutral sein | |
Türkische Minister wollen unter anderem in Deutschland für Wählerstimmen | |
werben. Wie ist die rechtliche Lage im umgekehrten Fall? | |
Auftritt des türkischen Außenministers: Hamburg sagt vorerst ab | |
Die Veranstaltungshalle im Stadtteil Wilhelmsburg wurde wegen einer | |
fehlenden Brandmeldeanlage gesperrt. Cavusoglu wollte dort am Dienstagabend | |
auftreten. | |
Kolumne „Minority Report“: Wir armen Opfers! | |
Das „Nein“ zu AKP-Auftritten in Deutschland ist das falsche „Nein“. Es | |
könnte Erdoğan zusätzliche Stimmen beim Referendum bringen. | |
Türkischer Wirtschaftsminister in Köln: Wahlkampf im Hotel | |
Trotz Kritik tritt der türkische Minister Nihat Zeybekci am Sonntag in | |
Leverkusen und Köln auf. Zuvor waren zwei Veranstaltungen mit ihm abgesagt | |
worden. | |
Essay zur Pressefreiheit in der Türkei: Das dunkle Loch weit hinten im Osten | |
Auch Auslandskorrespondenten geraten zunehmend unter Druck. Wie es sich | |
anfühlt, in diesen Tagen aus der Türkei zu berichten. | |
Streit zwischen Ankara und Berlin: Erdogan mit neuen Vorwürfen | |
Der türkische Staatspräsident Erdogan bezeichnet den inhaftierten | |
deutsch-türkischen Journalisten Yücel als „Agenten“. Das Auswärtige Amt | |
nennt das „abwegig“. | |
Kommentar Tourismus-Boykott der Türkei: Symbol ohne Durchschlagskraft | |
Katja Kipping will das Urlaubsland Türkei boykottieren. Das wird nicht viel | |
nützen und außerdem geht es dem Tourismus dort schon schlecht genug. | |
Fake News per Gesetz: Das Propagandaministerium | |
Ein AKP-Gesetzentwurf will der „ausländischen Desinformation“ den Kampf | |
erklären. Damit werden Desinformationen der Regierungsseite etabliert. | |
Diplomatische Krise mit der Türkei: Deutscher Botschafter einbestellt | |
Damit reagierte die türkische Regierung auf das Auftrittsverbot des | |
Justizministers Bozdag in Gaggenau. Auch in Köln soll ein AKP-Minister | |
nicht sprechen dürfen. | |
Kurden in der Türkei: „Die Avocado war ein Insiderwitz“ | |
DBP-Vorsitzender Kamuran Yüksek über Möglichkeiten der kurdischen Politik | |
im Ausnahmezustand und die rechtsextremen Bündnispartner der AKP. |