# taz.de -- Japanische Handys für Olympiamedaillen: Schnorr for Gold | |
> Japans Bevölkerung soll ausgediente Mobiltelefone und Elektroschrott | |
> spenden. Daraus will die Regierung Olympiaauszeichnungen machen. | |
Bild: Macht sich bestimmt auch gut um den Hals eines Athleten | |
Tokios Olympiastrategen brauchen dringend gute Ideen. Die Kosten für die | |
Sommerspiele 2020 explodieren nämlich, und die sozialen Folgen des | |
Weltereignisses werden das Leben in der Millionenstadt schwieriger und | |
teurer machen. | |
Doch jetzt haben die Planer einen Einfall: Die Bevölkerung soll doch bitte | |
ihren Elektroschrott bei ihnen abliefern. Diese Geräte enthalten viele | |
Metalle wie Kupfer, Eisen, Aluminium, Palladium, Platin, Kobalt, Gallium, | |
Indium, Niob und Wolfram. Nicht nur, weil auch Gold und Silber in jedem | |
handelsüblichen Mobil- oder Smartphone stecken, kam man nun auf die Idee, | |
daraus die Medaillen zu produzieren. | |
Aus Scheiße Gold machen, das ist ein alter Alchimistentraum. | |
„Unverfroren, unverschämt, jetzt sollen die Japaner dieses Megaevent auch | |
noch mit Spenden finanzieren“, möchte man ausrufen. Wenn, ja wenn die Idee | |
nicht so unglaublich genial wäre. | |
Mit der Sammelaktion kann zunächst erreicht werden, was man von dem | |
Soziologen Niklas Luhmann als Legitimation durch Verfahren kennt: Wer | |
mitmacht, lässt sich auch auf die Spielregeln ein und akzeptiert das | |
Ergebnis. Für Tokio 2020 heißt das: Weil man selbst etwas gibt, hält man | |
die Olympischen Spiele für sein eigenes persönliches Projekt. Was den | |
Spitzensportlern um den Hals gehängt wird, ist ja irgendwie mein altes | |
Klapphandy, das in der Schublade lag! Ich selbst, so die Botschaft, habe | |
mitgeholfen, diesen Weltrekord zu ermöglichen und zu ehren. So schnell kam | |
ich noch nie zu olympischem Ruhm. | |
## Die Kostenexplosion dämpfen | |
Und das sogar kostengünstig! Denn den Schrott aus alten Handys zu holen ist | |
wesentlich billiger, als ihn auf dem Weltmarkt zu kaufen. Die Leute helfen | |
also mit, die Kostenexplosion zu dämpfen. | |
Diesen Trick kann man sogar noch als Nachhaltigkeit verkaufen, der gut für | |
die Umwelt ist. Schließlich ist ja das Recyclingproblem für entsorgte | |
Elektrogeräte immer noch nicht gelöst. Warum also den Schrott nicht einfach | |
Weltklasseathleten um den Hals hängen? Die freuen sich sogar noch! | |
Nicht nur als höchst moderner Umweltschutz lässt sich die billige | |
Schnorrerei deklarieren. Das Ganze geht sogar als effektive | |
Entwicklungspolitik durch. Denn bislang müssen ja gerade afrikanische | |
Gesellschaften, am schlimmsten dran ist Ghana, europäischen und anderen | |
westlichen Volkswirtschaften Digitalabfall abnehmen. Doch auch hier hilft | |
Olympia: Nicht nur, dass weniger Müll dorthin verschifft wird, nein, | |
langfristig wird ein Land wie Ghana sogar in die Lage versetzt, selbst | |
Olympische Spiele auszurichten. Das Material für die Goldmedaillen haben | |
sie ja schon. Warum ist unser Minister Müller da nicht drauf gekommen? | |
Auch die Kritik, dass Olympia nur ein durchkapitalisiertes Megaevent ist, | |
dessen ganz wesentlicher Sinn das Schaufeln öffentlicher Gelder in private | |
Hände ist, etwa in die von Bauunternehmern oder Fernsehanstalten, lässt | |
sich mit Japans Handy-Hilfswerk wunderbar kontern: Nix Kapitalismus! | |
Olympiamedaillen werden weiterhin ohne eingravierte Sponsorennamen | |
auskommen. Es ist ja quasi eine zivilgesellschaftliche Anstrengung, die da | |
mit großem Tamtam überreicht wird. | |
16 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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