Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Ground control to Major Trump
> Über Schulzkostüme, Abschiebe-Autokratie auf dem Schulklo und David Bowie
> als größter Prophet: der Wochenrückblick.
Bild: Und eine schönere Tolle als Donald Trump hatte er auch
Moses, Jesus, Mohammed – nein: Der gewaltigste Prophet, den die Menschheit
jemals hervorbringen sollte, hieß David Bowie. Ein 1999 aufgenommenes
[1][Video] zeigt ihn mit getönter Hippiesonnenbrille auf der Nase, die ihn
aussehen lässt wie ein freundliches Chamäleon, einem verdutzten
BBC-Journalisten diktierend: „Früher gab es Wahrheit und Lügen. Aber diese
Eindeutigkeit ging verloren. So entstand das Internet.“
Damals hätte jeder andere das postfaktische Zeitalter als Erfindung eines
komplett Irren abgetan. Donald Trump, apropos, bekam just 1999 den
Sessionsorden des kölschen „KG Uhu“ verliehen. Dieses Jahr sind
Trump-Kostüme seit wenigen Tagen ausverkauft, meldet ein großer
Online-Kostümhändler. Also ging Katrin Göring-Eckardt zur Weiberfastnacht
als Martin Schulz verkleidet. Erbitterter wird der Wahlkampf nicht mehr.
Aber zurück zu Bowies Orakel. Anfang der Woche sah ich mir dieses Interview
an, wie ich es manchmal zur Beruhigung tue, wenn ich zu viel Zeit auf
Twitter verbracht habe. Anlass war diesmal ein ebendort tobender Shitstorm
über einen [2][Artikel] in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Dessen Verfasser hatte einigermaßen verzweifelt versucht, eine Kausalität
herzustellen zwischen der Tatsache, dass der inhaftierte Welt-Reporter
Deniz Yücel neben dem deutschen auch einen türkischen Pass besitzt, Yücels
vermeintlich nur aus dieser Herkunft resultierenden Entsendung als
Korrespondent nach Istanbul („Einmal Türke, immer Türke“) und schließlich
der Verhaftung.
## Kaffeeküche Twitter
Schäbig an diesem Text war nicht nur, dass er ehrlicherweise auch mit zwei
Wörtern ausgekommen wäre: „selber schuld“. Sondern auch, dass er sich, um
diesen Umstand zu kaschieren, der Verdrehung eines Problems bediente, das
der Journalismus tatsächlich hat: fehlende Diversität.
Bei derartigen Bruchlandungen kennt die Twittergemeinde keine Gnade.
„Infam“ und „niederträchtig“ wurde der Text unisono geschimpft. Zu Rec…
Von fehlender Eindeutigkeit, wie Bowie sie diagnostiziert hatte, war
allerdings wenig zu merken. Einmal mehr fühlte sich Twitter an wie eine
riesige Kaffeeküche, in der so ekstatisch gelästert wird, dass niemand die
Mittagspause beenden mag, ohne eine Spitze beigesteuert zu haben.
In Sachen Niedertracht lieferte auch Donald Trump in dieser Woche eine
bemerkenswerte Leistung ab. Ende Januar hatte er ein Dekret unterschrieben,
das die Ausarbeitung einer Strategie zur IS-Bekämpfung vorsah – binnen 30
Tagen. Die Frist ist so gut wie abgelaufen. Der IS rutscht zwar allmählich
Richtung Pleite, das aber ausnahmsweise ohne Trumps Zutun.
Also musste schnell ein machtpolitisch äquivalentes Ablenkungsmanöver her.
Das fand Trump offenbar in der freien Toilettenwahl für jugendliche
Trans*personen, die sein Vorgänger gesetzlich festgeschrieben hatte – und
machte diese rückgängig. Innerhalb eines Monats vom (selbsternannten)
Weltenretter zum Schulklo-Autokraten: wow.
## Law-and-Order-Bürschlein
Wo wir gerade bei Politik fürs Klo sind: An Leipziger Schulen dürften die
Kabinenwände vollgekritzelt sein mit Schmähungen gegen einen gewissen
Christoph Leonhardt. Der Vorsitzende der dortigen Schüler-Union tat sich
kürzlich mit einem Facebook-Post hervor, in dem er den Vollzug der
Abschiebung eines Mitschülers befürwortete („Wo kommen wir denn da hin?“).
Wie gut, dass einmal mehr die Frankfurter Allgemeine zur Stelle war.
Im [3][Interview] schmeichelt deren Redakteur dem Law-and-Order-Bürschlein:
„Das ist nachvollziehbar und völlig korrekt. Aber doch ungewöhnlich, dass
man das mit 17 schon so rational sehen und hart formulieren kann.“ Antwort
Leonhardt: „Ich war schon immer sehr rational. Natürlich hatte ich auch mal
eine Phase, in der ich das alles sehr ungerecht fand, vielleicht mit 14,
das hat jeder mal.“ Oh boy. War prophetische Weitsicht am Ende doch nicht
allein die Gabe des David Bowie?
Der war allerdings nicht nur Visionär, sondern auch der wohl höflichste
Popstar aller Zeiten. Nebenher machte er großartige Musik. Dafür bekam er
in dieser Woche posthum zwei Brit Awards, auch ein Denkmal will man ihm
errichten. Ach ja, er fehlt sehr. Auch mir. Was wiederum ein Beispiel für
verrücktes Zeitreisen ist, denn als er Starman war und Ziggy Stardust und
Major Tom, war ich selbst allerhöchstens ein zaghafter Gedanke.
1999 dann ging ich zum Schulfasching als Punk (ja, im ländlichen
Niedersachsen war das eine respektable Verkleidung). Und schrieb von den
Kabinenwänden der Mädchenklos mir bis dato unbekannte Lyrics ab, die
jemand in den 70ern dorthin gekritzelt hatte: [4][„Is there life on Mars?“]
Nun. Ich hoffe es mehr denn je.
Ach, und übrigens: #freedeniz. Sofort und für immer.
25 Feb 2017
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=FiK7s_0tGsg
[2] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kommentar-einmal-tuerke-immer-tu…
[3] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/jungpolitiker-leonhardt-is…
[4] https://www.youtube.com/watch?v=v--IqqusnNQ
## AUTOREN
Johanna Roth
## TAGS
David Bowie
Schwerpunkt Deniz Yücel
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Donald Trump
Junge Union
Transgender
Schwerpunkt Deniz Yücel
Schwerpunkt Deniz Yücel
Adele
Fake News
Schwerpunkt Rassismus
Österreich
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Transgenderrechte in den USA: Trump regelt den Klogang neu
Obama hatte öffentliche Schulen angewiesen, Transgender-Schüler selbst
entscheiden zu lassen, welche Toilette sie benutzen. Trump will das ändern.
Freiheit für unseren Kollegen: Briefe an Deniz Yücel
Ex-tazler Deniz Yücel befindet sich seit sieben Tagen in Polizeigewahrsam
in Istanbul. Sechs Botschaften an ihn von Kolleg*innen und Freund*innen.
„FAS“-Kommentar zu Deniz Yücel: Über den „Türken vom Dienst“
War es, wie die „FAS“ findet, falsch, dass die „Welt“ einen
türkischstämmigen Journalisten in die Türkei geschickt hat? Ein Pro und
Contra.
Grammy-Verleihung 2017: Adele geehrt, Beyoncé gerühmt
Fünf Preise erhielt die britische Sängerin Adele bei den diesjährigen
Grammy Awards. In ihrer Rede huldigte sie der unterlegenen Beyoncé: „Wir
verehren dich alle.“
Kolumne Der Rote Faden: Darf ich weiterschreiben?
Eigentlich wollte unser Autor nur über den Falschmelder von der CDU
schreiben. Dann mischte sich der Wahrheits-Algorithmus ein.
Kolumne Der Rote Faden: Deine Mutter ist Elite
Über die Schuld des Systems, vererbte Krampfadern, Nazis und das Frauenbild
von (muslimischen) Männern. Ein Wochenrückblick.
Kolumne Der rote Faden: Die Warnung vor der Warnung
Von Mythen aus der Schulzeit, dem deutschen Ku-Klux-Klan und der
österreichischen FPÖ, die am Nationalfeiertag von Bürgerkrieg spricht.
Kolumne Der rote Faden: Was für 1 Sommerloch?
Sommerloch war ganz kurz im Juli, da hatten zwei Igel in Erlangen lauten
Sex. Aber derzeit sind auch die „weichen Themen“ gar nicht so irrelevant.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.