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# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Die Warnung vor der Warnung
> Von Mythen aus der Schulzeit, dem deutschen Ku-Klux-Klan und der
> österreichischen FPÖ, die am Nationalfeiertag von Bürgerkrieg spricht.
Bild: „Österreich ist frei“, sagte Außenminister Leopold Figl, nachdem er…
Am 26. Oktober war Nationalfeiertag in Österreich. In der Grundschule habe
ich gelernt, dass an diesem Tag im Jahr 1955 der letzte alliierte Soldat
das Land verlassen hat. Als Kind stellt man sich das ja alles sehr bildlich
vor: Ein einzelner sowjetischer Soldat, der die Landesgrenze überschreitet,
stolz, aber irgendwie feindselig, in Uniform, mit Koffer und seiner Flagge
in der Hand. Die Menge jubelt. Dass das ziemlicher Quatsch ist, ist mir
klar, doch früh Gelerntes sitzt tief.
Tatsächlich war es natürlich anders. Zum einen waren die Soldaten an jenem
Tag schon seit Wochen weg, zum anderen wird nicht der Abzug der Soldaten,
sondern die Neutralität Österreichs gefeiert, was im Hinblick auf die zwei
Jahrzehnte davor, zwischen Ende der parlamentarischen Demokratie,
Bürgerkrieg, Austrofaschismus und dem Anschluss ans Deutsche Reich – durch
einen Österreicher –, na ja, schon angemessener scheint.
Der 26. Oktober soll heute eine Warnung sein. Es wird des Tags gedacht, an
dem Außenminister Leopold Figl im Marmorsaal des Wiener Belvedere, wo der
Staatsvertrag unterzeichnet wurde, sagte: „Österreich ist frei.“ (Das ist
noch so ein Mythos, in der Schule hieß es, er rief es vom Balkon.) Der Tag
sollte für die immerwährende Neutralität stehen. Dass Österreich mit dem
EU-Beitritt da nur semikonsequent war – geschenkt.
Der Nationalfeiertag stand vor allem dafür, all das Nazizeug hinter sich zu
lassen. Gut, auch da war Österreich nicht konsequent, denn die alten Nazis
konnten auch nach 1955 noch wichtige Positionen besetzen.
## „Die gefährlichste Frau Europas“
Nun ist es heute aber so eine Sache mit den Warnungen. Allein in der
letzten Woche hat der WWF vor der Zerstörung der Erde gewarnt, Frank-Walter
Steinmeier hat vor dem Ende der EU gewarnt, und Donald Trump hat vor dem
Dritten Weltkrieg gewarnt, während der Rest der Welt vor Donald Trump
warnt.
All die Warnungen, man weiß gar nicht mehr, wohin damit, und verdrängt sie.
Das mag einer der Gründe sein, warum das Einzige, was Österreich heute noch
vor einem rechtsextremen Bundespräsidenten trennt, wahlweise rund 30.000
Stimmen sind oder der defekte Klebestreifen eines Wahlbriefs ist.
Das ist dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ebenfalls klar, weshalb er den
Nationalfeiertag zum Anlass nahm, mal wieder zu zeigen, wie weit rechts der
Hammer hängt. Wiederholen und vertiefen, immerhin ist am 4. Dezember schon
wieder Bundespräsidentenwahl. In einer Rede zum Nationalfeiertag nannte er
Angela Merkel die gefährlichste Frau Europas. Strache wetterte gegen Ceta,
die „gekauften Medien“ und behauptete, dass die Aufnahme von Flüchtlingen
„mittelfristig einen Bürgerkrieg nicht unwahrscheinlich“ mache.
Dass Strache so eine Warnung am Tag der Warnung ausspricht ist vielleicht
beängstigend, aber auch irgendwie lustig. Denn in einem Land, in dem die
Wahlbeteiligung an einem Sonntag immer noch veritabel davon abhängt, wie
das Wetter ist; in dem rund zwei Drittel der Bürger in gefördertem Wohnraum
leben, wo die größte Herausforderung bisweilen ist, einen Garagenstellplatz
für den Zweitwagen zu kriegen: in solch einem Land ist ein
Bürgerkriegsszenario einfach nur lächerlich.
Weil das also noch nicht reichte, postete Strache am selben Tag auf
Facebook eine Strophe von „Sei gesegnet ohne Ende“, der Nationalhymne des
austrofaschistischen Ständestaats. Ein Faschistenlied, von dem
deutschnationalen Dichter Ottokar Kernstock, der auch das „Hakenkreuzlied“
verfasste.
## Ein bedenkliches „Randphänomen“
Aber auch Deutschland ist etwas schwerfällig, wenn es darum geht, Warnungen
vor rechten Organisationen ernst zu nehmen. Beispiele gibt es viele: AfD,
NSU, NPD, die Reichsbürger und Neonazis generell. Und wie die Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken vergangene Woche zeigte:
Auch die Aktivitäten des deutschen Ku-Klux-Klan werden eher abgetan.
Der Bundesregierung sind derzeit sechs KKK-Gruppierungen bekannt, heißt es
da, die sich ernsthaft „Ritter des Ku-Klux-Klans“ nennen. Aber hey, alles
gut, denn „die KKK-Gruppierungen stellen innerhalb des deutschen
Rechtsextremismus lediglich ein Randphänomen dar“.
Und wen das nicht beruhigt, dem sei gesagt, dass da auch steht, dass man
sich gar nicht so oft mit dem Themenkomplex KKK befasst. Das letzte Mal im
Mai 2016 bezüglich einer „möglichen Kreuzverbrennung, bei der eine
Hakenkreuzfahne gezeigt und ‚verfassungsfeindliche Lieder‘ gesungen worden
sein sollen“. Wie genau eine „mögliche Kreuzverbrennung“ aussieht, wird
leider nicht näher erläutert. Aber vielleicht war es ja nur Sperrholz aus
der Entrümplung einer alten Kirche. Kann alles sein. Kein Grund zur
Warnung.
1 Nov 2016
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Österreich
FPÖ
Ku-Klux-Klan
David Bowie
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Black Lives Matter
Berlin-Neukölln
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