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# taz.de -- Urteil zu Schmähgedicht über Erdoğan: Drei Viertel Böhmermann v…
> Der Satiriker darf weite Teile der Satire gegen Erdoğan nicht
> wiederholen. Das Hamburger Landgericht bestätigte damit eine frühere
> Eilentscheidung.
Bild: Darf nicht scherzen, wie er will: Jan Böhmermann
Hamburg taz | Das Landgericht Hamburg hat dem Satiriker Jan Böhmermann
untersagt, 18 von 24 Zeilen seines Gedichts „Schmähkritik“ zu wiederholen.
Es bestätigte damit seine einstweilige Verfügung vom Mai 2016. Böhmermann
hatte für diesen Fall schon im Vorfeld angekündigt, in Berufung zu gehen.
Böhmermann hatte das Gedicht Ende März 2016 in seiner Sendung Neo Magazin
Royale vorgetragen. Dort heißt es unter anderem, dass Erdogan „Ziegen
fickt“ und „Kinderpornos schaut“. Erdogan klagte auf Unterlassung. Das
Gedicht reproduziere rassistische Vorurteile gegenüber Türken und verletzte
seine Menschenwürde.
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz argumentierte im November in der
mündlichen Verhandlung, Böhmermann habe Erdogan nur erklären wollen, „wie
die Meinungsfreiheit in Deutschland geschützt wird“, dass hier nur „sehr
krasse“ Aussagen wie im vorgetragenen Schmähgedicht verboten seien.
Das Landgericht stufte Böhmermanns Gedicht nicht als Schmähkritik ein. Denn
Böhmermann gehe es durchaus um eine Auseinandersetzung in der Sache, nicht
nur um die Beschimpfung Erdogans. Anlass des Gedichts war die kurz vorher
erfolgte Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei nach einer
harmlosen Satire der NDR-Sendung Extra 3. Böhmermann habe hier
„Machtkritik“ geübt.
Es sei aber nicht alles erlaubt, was keine Schmähkritik ist, betonte die
Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Vielmehr müsse dann zwischen der
Meinungsfreiheit Böhmermanns und dem Persönlichkeitsrecht Erdogans
abgewogen werden. Dieser Ansatz entspricht der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts. Das Landgericht ließ offen, ob Böhmermanns
Gedicht auch unter die Kunstfreiheit fällt, da es darauf im Ergebnis nicht
ankam.
## Gedicht ist keine „Performance“
Verboten sind nun also Zeilen wie: „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinefurz riecht schöner.“ Oder: „Pervers, verlaust und
zoophil, Recep Fritzl Priklopil.“ Damit werde Erdogan auf eine Stufe mit
zwei österreichischen Sexualstraftätern gestellt.
Man habe nicht übersehen, so die Richterin, dass Böhmermanns Anwürfe gegen
Erdogan so überzogen sind, dass jeder Bezug zur Wirklichkeit fehle. Erdogan
müsse die Beleidigungen aber auch dann nicht hinnehmen, „wenn sie
ersichtlich nicht ernst gemeint sind“. Anders als im Strafrecht komme es im
Zivilrecht nicht auf den subjektiven Vorsatz der Beleidigung an, es genüge
die objektive Verletzung des Persönlichkeitsrechts, so Richterin Käfer.
Böhmermanns Anwalt hatte geltend gemacht, man könne das Gedicht nicht Zeile
für Zeile sezieren, sondern müsse es in seiner Gesamtheit – inklusive des
dazugehörigen Studio-Gesprächs – als „Performance“ sehen. Dies lehnte d…
Gericht ab. „Denn dann hätte das Gedicht insgesamt verboten werden müssen �…
und das wäre unverhältnismäßig gewesen“, erklärte Käfer.
So bleiben nun immerhin Zeilen erlaubt wie „Kurden treten, Christen hauen“,
in denen es um Erdogans Politik geht. Aber auch Böhmermanns einleitende
Zusammenfassung wurde nicht untersagt: „Sackdoof, feige und verklemmt ist
Erdogan, der Präsident.“
## 80 Prozent der Abmahnkosten
Im wesentlichen hat Böhmermann den Streit in erster Instanz aber verloren.
Das Landgericht erlegte ihm 80 Prozent von Erdogans Abmahnkosten auf: 1.973
Euro. Schadensersatz hatte Erdogan nicht verlangt.
Sollte Böhmermann das Gedicht in ursprünglicher Form wiederholen, droht ihm
ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Insoweit gilt noch die
Verfügung aus dem Mai.
Das Urteil gilt nur für den konkreten Kontext, also Böhmermanns
TV-Ausstrahlung. Das heißt: ein Uni-Seminar dürfte sich das Gedicht zu
wissenschaftlichen Zwecken auch künftig in ganzer Länge ansehen. Dagegen
dürfte ein Neonazi in einer Hetzrede wohl auch die Zitate nicht
wiederholen, die Böhmermann als ernsthaftem Kritiker erlaubt wurden.
10 Feb 2017
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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