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# taz.de -- Niedersächsische Kriminalstatistik: Der Stammtisch irrt
> Die Zahl der Straftaten ist in Niedersachsen gesunken – trotz
> Hunderttausender Geflüchteter. Polizei-Missionen sollen potentielle
> Migranten in ihrer Heimat halten
Bild: Auch wenn das an manchen Stammtischen anders klingt: Geflüchtete sind ni…
Entgegen rechter Propaganda und Stammtischparolen sind Geflüchtete nicht
überdurchschnittlich kriminell. Das geht aus der polizeilichen
Kriminalstatistik Niedersachsens für das Jahr 2016 hervor, die
SPD-Landesinnenminister Boris Pistorius am Montag in Hannover vorgestellt
hat. Danach ist die Zahl tatverdächtiger Schutzsuchender im Vergleich zu
2015 um 4.198 auf 26.040 gefallen, das ist ein Rückgang um 13,88 Prozent.
„Unbedingt festzuhalten ist, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge
nicht straffällig wird“, sagte Pistorius.
Auch die Zahl der insgesamt registrierten Straftaten sank um 6.507 auf
561.963 Fälle. Das entspricht einem Rückgang von 1,14 Prozent. „Dies
belegt, dass durch die starke Zuwanderung von Flüchtlingen nicht
proportional zum Bevölkerungszuwachs zugenommen hat“, sagte Pistorius. „Sie
hat sich sogar verringert.“ Allein 2015 waren mehr als 100.000 Menschen
nach Niedersachsen eingereist, die Schutz vor den Bürgerkriegen in ihrer
Heimat suchten – der überwältigende Teil dieser Migranten stammt aus
Syrien, Afghanistan und dem Irak.
Werden „ausländerrechtliche Straftaten“, also etwa Verstöße gegen
Einreisebestimmungen oder Versuche, sich drohender Abschiebung zu
entziehen, aus der Statistik herausgerechnet, relativiert sich das Bild
noch einmal: Für 2016 bleiben 18.655 Geflüchtete, die von der Polizei als
Tatverdächtige ermittelt wurden – durch Gerichte verurteilt sind sie damit
noch nicht.
Zwar galten 2015 nur 13.084 Schutzsuchende als tatverdächtig. Verstärkt
seien Geflüchtete aber bei Bagatelldelikten wie „Ladendiebstahl und dem
Erschleichen von Leistung, insbesondere Schwarzfahren“ aufgefallen, sagte
auch Landespolizeipräsident Uwe Binias. Hinzu kommen Fälle von
Hausfriedensbruch: Allein die machten 8.302 der Taten aus – dabei handelte
es sich allerdings oft nur um Menschen, die sich „unberechtigt auf dem
Gelände der Landesaufnahmebehörde aufgehalten haben“, sagte Niedersachsens
oberster Polizist. Hinzu kamen Migranten, die in Cuxhaven das Gelände des
Hafenbetreibers Cuxport betraten, um sich von dort weiter in Richtung
Großbritannien durchzuschlagen.
Die Zahl der von Geflüchteten begangenen Körperverletzungsdelikte hat sich
um 726 auf 1.593 Fälle fast verdoppelt. Dieser massive Anstieg ist
allerdings erklärbar: Begangen wurden die Taten überdurchschnittlich oft in
den engen Notunterkünften. „Mögliche Täter fallen mehr auf, wenn sie unter
öffentlicher Kontrolle stehen“, sagt dazu Kai Weber, Geschäftsführer des
Flüchtlingsrats Niedersachsen. „Natürlich werden Gewalttaten in
Massenunterkünften schneller bemerkt als solche, die unter vier Augen
begangen werden.“
Vor den in den kommenden elf Monaten anstehenden Bundes- und Landtagswahlen
arbeitet Innenminister Pistorius dennoch weiter daran, die seit der
Schließung der Balkanroute massiv rückläufigen Flüchtlingszahlen weiter zu
senken. Direkt nach der Präsentation der Kriminalstatistik warb der
Sozialdemokrat für den verstärkten Einsatz niedersächsischer Polizisten in
internationalen Missionen wie etwa in Mali.
Dort sind aktuell mehr als 700 Bundeswehrsoldaten gegen islamistische
Rebellengruppen im Einsatz. Zur Stabilisierung des westafrikanischen Landes
sei aber auch der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen wie einer
funktionierenden Polizei nötig, meinte Pistorius, der sich langfristig die
Entsendung jedes hundertsten der rund 20.000 niedersächsischen
Landespolizisten vorstellen kann. Nur so könne verhindert werden, dass
nicht noch weit mehr Menschen „ihre Heimat in Richtung Europa verlassen“.
13 Feb 2017
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Kriminalität
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