# taz.de -- Behörden im Fall Anis Amri: Ermittlergruppe soll aufklären | |
> Die Geheimdienste hatten den Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz auf | |
> dem Radar. Stoppen konnten sie ihn nicht. Eine Task Force soll die | |
> Hintergründe beleuchten. | |
Bild: Geheimdienstkontrolleure setzen jetzt eine Ermittlergruppe zum Fall Amri … | |
BERLIN dpa | Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages haben im Fall des | |
Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri eine interne Ermittlergruppe | |
eingesetzt. Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste | |
(PKGr) beauftragte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am | |
Mittwoch seinen ständigen Bevollmächtigten Arne Schlatmann mit den | |
Untersuchungen. Dabei soll es unter anderem um mögliche Abstimmungsprobleme | |
der Behörden und Versäumnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) | |
und des Bundesnachrichtendienstes (BND) gehen. Voraussichtlich schon bis | |
März soll Schlatmann einen Bericht vorlegen. | |
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) räumte | |
derweil im Terrorfall Amri Fehler ein und forderte rechtliche Konsequenzen. | |
Zugleich kündigte sie am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag einen | |
unabhängigen Sonderbeauftragten an, der im März – und damit noch vor der | |
NRW-Wahl – Ergebnisse seiner Untersuchungen vorlegen soll. Man werde | |
„gründlich und schnell“ aufklären, wie der Anschlag des islamistischen | |
Gefährders in Berlin am 19. Dezember möglich werden konnte. Auch ihre | |
Regierung stelle sich der Kritik. | |
Die Koalitionsspitzen in Berlin hatten sich Mitte Januar darauf | |
verständigt, offene Fragen im Fall des 24-jährigen Tunesiers zunächst über | |
eine interne Ermittlergruppe der Geheimdienst-Kontrolleure aufzuklären. Ein | |
späterer Untersuchungsausschuss war nicht ausgeschlossen worden. | |
Aus einer von den Bundesministerien des Innern und der Justiz [1][kürzlich | |
vorgelegten Chronologie geht hervor], dass sich die Behörden seit Ende 2015 | |
nahezu wöchentlich mit dem Tunesier befassten. Amri wurde als | |
islamistischer Gefährder eingestuft, fiel mehrfach als Krimineller auf, | |
wurde als Asylbewerber abgelehnt und dennoch nicht in Abschiebehaft | |
genommen. Ein marokkanischer Geheimdienst warnte im Herbst 2016 mehrfach | |
vor ihm. Trotzdem konnte Amri im Dezember mit einem Lkw auf einen Berliner | |
Weihnachtsmarkt rasen. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen, rund 50 | |
wurden zum Teil schwer verletzt. | |
Die Task Force soll nach dem Beschluss der Geheimdienstkontrolleure vom | |
Mittwoch unter die Lupe nehmen, welche rechtlichen, organisatorischen und | |
strukturellen Defizite es in den Monaten vor der Tat bei der Bewertung der | |
Person Amri gegeben hat. Besonders soll es um den Informationsfluss und die | |
Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten des Bundes – also dem | |
Inlandsgeheimdienst BfV und dem Auslandsdienst BND – sowie weiteren | |
beteiligten Behörden im Gemeinsamen Terrorabwehr-Zentrum von Bund und | |
Ländern (GTAZ) gehen. | |
## Gab es Abstimmungsprobleme? | |
Nach dem Untersuchungsauftrag soll die Ermittlergruppe auch beleuchten, ob | |
es Korrekturbedarf bei der Aufgabenverteilung zwischen dem BfV und der | |
Polizei in Bund und Ländern sowie bei der Zusammenarbeit mit den | |
Verfassungsschutzämtern der Länder gegeben hat. Die Abgeordneten wollen | |
zudem wissen, welche Erkenntnisse zur Person Amri und zu dessen Umfeld im | |
BfV und beim BND vorlagen. Eine Rolle sollen dabei auch die Hintergründe | |
bei dessen Einstufung als Gefährder spielen. | |
Kritiker vermuten, es habe gravierende Abstimmungsprobleme einerseits | |
zwischen den Sicherheitsbehörden selbst und zusätzlich auch mit den | |
Ausländerbehörden gegeben, die sich mit Amri befasst hatten. Die | |
Geheimdienstkontrolleure bitten die Bundesregierung in ihrem Beschluss, | |
sämtliche bei BfV und BND vorliegenden Unterlagen sowie Auszüge aus | |
Datenbanken zur Verfügung zu stellen. Als Berichterstatter der Fraktionen | |
wurden nach dpa-Informationen die PKGr-Mitglieder André Hahn (Linkspartei), | |
Hans-Christian Ströbele (Grüne), Uli Grötsch (SPD) und Armin Schuster (CDU) | |
benannt. | |
Die Funktion eines Ständigen Beauftragten des Kontrollgremiums, der den | |
Abgeordneten mit einer eigenen Mannschaft zuarbeitet, gibt es erst seit | |
einer Geheimdienstreform im vergangenen Herbst. Die Änderungen waren auch | |
eine Konsequenz aus der NSA-Affäre um die Zusammenarbeit des BND mit dem | |
umstrittenen US-Geheimdienst National Security Agency. In diesem | |
Zusammenhang hatten sich Unzulänglichkeiten bei der Geheimdienstkontrolle | |
gezeigt. Dem geheim tagenden PKGr fehlte in den Jahren zuvor oft die Zeit | |
für eine tiefere Kontrolle der Dienste. Schlatmann soll die Abgeordneten | |
nun bei der Kontrolltätigkeit unterstützen. | |
26 Jan 2017 | |
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