| # taz.de -- Anschlag im Jahr 2000 in Düsseldorf: Belastendes Gesamtbild | |
| > Fast 17 Jahre tappten die Ermittler zum Anschlag auf den Bahnhof Wehrhahn | |
| > im Dunkeln. Dann führte sie ein Inhaftierter zum Neonazi Ralf S. | |
| Bild: „Eine fremdenfeindliche Absicht.“ Der damalige Tatort, S-Bahnhof Wehr… | |
| Berlin taz | Es war ein wohl eher tristes Leben, das Ralf S. zuletzt | |
| führte. Einsame Spaziergänge mit seinen Hunden, ein Sorgerechtsstreit mit | |
| seiner Exfrau, eine schlecht laufende Sicherheitsfirma. Am Dienstagabend | |
| wurde es noch trister. Da stand die Polizei vor der Tür der Wohnung des | |
| 50-Jährigen in Ratingen bei Düsseldorf und verhaftete ihn. | |
| Der Vorwurf: Ralf S. soll der Verursacher des Anschlags auf den S-Bahnhof | |
| Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000 sein. Fast 17 Jahre lang hatte die | |
| Polizei erfolglos nach dem Täter gesucht – bis zum Dienstag. „Das | |
| Gesamtbild belastet den Verdächtigen schwer“, sagt am Mittwochnachmittag | |
| der Düsseldorfer Kriminaldirektor Markus Röhrl. | |
| Bei dem Anschlag war eine selbstgebaute Handgranate explodiert, die in | |
| einer Tüte an einem Geländer des S-Bahnhofs hing. Zwölf Personen standen zu | |
| dem Zeitpunkt in der Nähe. Sieben Frauen und drei Männer wurden teils | |
| schwer verletzt, eine Schwangere verlor ihr ungeborenes Baby. Sechs der | |
| Opfer waren Mitglieder lokaler jüdischer Gemeinden. | |
| Der Anschlag hatte für bundesweites Aufsehen gesorgt. Als wenige Monate | |
| später auch ein Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge erfolgte, rief | |
| der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen „Aufstand der | |
| Anständigen“ aus. | |
| ## „Heiße Spur“ fehlte | |
| Im Fall Wehrhahn aber tappte die Polizei lange im Dunklen. 1.400 Zeugen | |
| befragte sie, mehr als 300 Spuren wurden verfolgt, 69.000 Aktenseiten | |
| angehäuft. Eine „heiße Spur“ aber fehlte – bis zum Juli 2014. | |
| Da meldete sich laut Ermittler Udo Moll ein Mann aus der JVA | |
| Castrop-Rauxel. Der berichtete: Ein Mitinhaftierter, Ralf S., habe ihm | |
| gestanden, den Wehrhahn-Anschlag mit einer ferngezündeten Bombe verübt zu | |
| haben. S. saß damals in Haft, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte. | |
| „Jede Akte, jede Spur wurde darauf neu durchleuchtet“, sagt | |
| Kriminaldirektor Röhrl. | |
| Für die Ermittler war Ralf S. kein Unbekannter. Schon wenige Tage nach dem | |
| Anschlag hatten sie ihn als Verdächtigen befragt. S. aber behauptete, er | |
| sei zur Tatzeit zu Hause gewesen. Eine Zeugin stützte die Aussage. Die | |
| Ermittler konnten das Alibi nicht entkräften. | |
| Nun aber stießen sie auf zwei weitere Zeugen, die aussagten, S. hatte | |
| bereits im Vorfeld den Anschlag angekündigt. Auch zog die damalige | |
| Alibi-Zeugin ihre Aussage zurück. Und ein Vorfall wurde bekannt: Vor der | |
| Tat hatten laut Moll zwei Neonazis Schüler der Sprachschule bedroht. Sie | |
| wurden vertrieben und flüchteten damals in den Laden von Ralf S. Dieser | |
| Vorfall, so Moll, könnte die Tat ausgelöst haben. | |
| Für die Ermittler wird Ralf S. zudem dadurch belastet, dass er sich aus | |
| seiner früheren Bundeswehrzeit mit Munition auskennt. Zur Tatzeit habe er | |
| auch über ein Schweißgerät verfügt, mit dem die selbstgebaute Handgranate | |
| wohl bearbeitet wurde. Und S. habe bei seinen Rundgängen mit seinen Hunden | |
| die „Routineabläufe“ der Opfer ausgekundschaftet, so Moll. | |
| Für Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück ist klar: „Der Tat lag eine | |
| fremdenfeindliche Absicht zugrunde.“ Fast alle seiner damaligen Probleme | |
| habe Ralf S. Ausländern zugeschrieben, ergänzt Moll. Der Vorwurf lautet nun | |
| auf versuchten Mord in zwölf Fällen. Nur durch Zufall sei es zu keinen | |
| Todesopfern gekommen, betont Herrenbrück. | |
| NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) lobt die Festnahme. „Es ist wichtig, | |
| dass die Opfer endlich erfahren, wer dieses feige und hinterhältige | |
| Verbrechen verübt hat“. Auch Michael Szentei-Heise von der Jüdischen | |
| Gemeinde Düsseldorf spricht von „vorsichtigem Optimismus“. „Das Verbrech… | |
| bekommt die Chance, gesühnt zu werden.“ | |
| ## Thema im NSU-Ausschuss in NRW | |
| Am kommenden Dienstag wird sich auch der NSU-Untersuchungsausschuss in NRW | |
| in einer Sondersitzung mit dem Anschlag Wehrhahn beschäftigen. Das Gremium | |
| wurde in den letzten Wochen vertraulich über die Ermittlungsstände | |
| informiert. Ausschusschef Sven Wolf (SPD) begrüßt die Festnahme: Die langen | |
| Spekulationen über eine rechtsextremes Motiv seien nun beendet. | |
| Gegen Ralf S. erließ ein Richter inzwischen Haftbefehl. S. bestreitet die | |
| Vorwürfe pauschal und schweigt. Bis zuletzt bot er seine Dienste als | |
| „Sicherheitsberater“ an, bewarb „Survival Outdoor Trainings“. Offenbar … | |
| Erfolg: Die Ermittler bezeichnen S. als arbeitslos. | |
| Seine Gesinnung hatte sich der 50-Jährige wohl bewahrt. Eine Einbindung in | |
| rechtsextreme Strukturen sei nicht bekannt, sagt Oberstaatsanwalt | |
| Herrenbrück zwar. Im Internet aber zeigte sich S. in Tarnkleidung oder bei | |
| einem Schießtraining. Zum Weihnachtsfest versandte er Grüße auch an | |
| „Kameraden“. Später fragte er: „Was aber wollen wir? Ruhe, Friede oder | |
| Multikulturelle?“ | |
| 1 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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