# taz.de -- Kommentar Merkels Treffen mit Erdoğan: Verrat an türkischen Demok… | |
> Die deutsche Kanzlerin legitimiert den türkischen Präsidenten. Das ist | |
> der Preis dafür, dass Flüchtlinge die Türkei im Wahljahr nicht verlassen. | |
Bild: Die Kanzlerin, hier bei einem Treffen mit Erdoğan 2014 in Berlin | |
Am Donnerstag kommt Angela Merkel zum neunten Mal während ihrer | |
Kanzlerschaft in die Türkei. [1][Was immer sie mit diesem Besuch offiziell | |
bezweckt], im Land selbst vermittelt er vor allem eine Botschaft: Recep | |
Tayyip Erdoğan, der Mann, der sich gerade anschickt, die Türkei in eine | |
finstere Autokratie zu verwandeln, ist für die wichtigste Regierungschefin | |
der Europäischen Union ein honoriger Gesprächspartner. | |
Der Grundsatz, man könne sich in der Außenpolitik seine Gesprächspartner | |
nun mal nicht aussuchen, ist in diesem Fall abwegig. Denn es ist Merkel, | |
die in Ankara das Gespräch sucht. Es ist Merkel, die Erdoğan ihre | |
Aufwartung macht – und das zu einem Zeitpunkt, in dem dieser Aufmerksamkeit | |
aus Europa gut brauchen kann. | |
Schließlich steht Erdoğan kurz davor, das wichtigste Ziel seiner gesamten | |
politischen Laufbahn zu erreichen und sich durch eine neue | |
Präsidialverfassung die Alleinherrschaft in der Türkei zu sichern. Auch | |
wenn die WählerInnen nach wie vor noch alle fünf Jahren einmal ihre Stimme | |
abgeben dürfen, Sinn und Substanz der Demokratie werden mit der neuen | |
Verfassung ausgehebelt. Mit ihrem Besuch legitimiert Bundeskanzlerin Merkel | |
dieses Vorhaben und lässt ein weiteres Mal erkennen, dass ihr die | |
Demokraten in der Türkei völlig egal sind. | |
Wie schon im Herbst 2015, vor der entscheidenden Wahl am 1. November, als | |
Merkel mit einem Besuch kurz vor der Wahl Erdoğan entscheidende | |
Reputationspunkte verschaffte, signalisiert sie mit ihrem heutigen Besuch | |
erneut, dass ihr das Regime Erdoğans lieber ist als eine demokratische | |
Alternative. Denn Merkel interessiert nur eins: Dass Erdoğan nicht im | |
Wahljahr 2017 erneut Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa ziehen lässt. | |
Dafür verrät sie die Demokratie in der Türkei. | |
Sie glaubt, wie auch die türkischen Erdoğan-Fans, dass nur das autoritäre | |
Regime des Mannes mit seinen Wurzeln im politischen Islam die Stabilität | |
der Türkei garantieren kann – angeblich die Voraussetzung dafür, dass der | |
Nahe Osten nicht völlig kollabiert. Doch das Gegenteil ist der Fall. | |
Erdoğan ist mit seinem Totalitarismus im Innern und seiner aggressiven | |
Außenpolitik längst selbst zum Sicherheitsrisiko geworden. Vielleicht nicht | |
mehr Merkel als Kanzlerin, aber Deutschland und Europa insgesamt wird das | |
noch schmerzlich erfahren. | |
2 Feb 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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