# taz.de -- Nach dem Treffen mit Erdogan: 500 Flüchtlinge pro Monat | |
> Nach dem Besuch bei Erdogan traf sich Bundeskanzlerin Merkel mit | |
> Oppositionspolitikern. Zum Referendum über das Präsidialsystem äußerte | |
> sie sich vage. | |
Bild: Erstmal ein Schluck Wasser, nach den vielen harten Worten | |
ANKARA afp | Bei ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip | |
Erdogan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Einhaltung der | |
Meinungsfreiheit in der Türkei gepocht. Sie habe „darauf hingewiesen, dass | |
in diesem tiefgreifenden Umbruch die Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit | |
gewahrt sein“ müssen, sagte Merkel am Donnerstag im Präsidentenpalast in | |
Ankara. „Opposition gehört zu einem demokratischen Staat dazu“, betonte | |
sie. | |
Die Bevölkerung habe sich bei dem Putschversuch vom 15. Juli sehr deutlich | |
für die Demokratie eingesetzt. „Gerade deshalb ist jetzt eine entscheidende | |
Frage die Meinungsfreiheit“, sagte Merkel bei einer gemeinsamen | |
Pressekonferenz mit Erdogan. Sie habe „sehr ausführlich“ mit Erdogan über | |
die Freiheit der Presse gesprochen. | |
Merkel sagte dem türkischen Präsidenten gleichzeitig eine enge | |
Zusammenarbeit im Kampf gegen jede Form des Terrorismus zu. Dabei verwies | |
die Kanzlerin nicht nur auf islamistische Anschläge, sondern auch auf die | |
verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Ankara wirft der Bundesregierung | |
vor, die Türkei im Kampf gegen die PKK sowie bei ihrem Vorgehen gegen | |
mutmaßliche Putschisten der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah | |
Gülen zu wenig zu unterstützen. | |
„Wir waren uns einig, dass der Kampf gegen den Terror sehr wichtig ist, | |
auch gegen die Urheber des Putschversuches“, sagte Merkel. Sie betonte | |
aber, dass „die Schuld individuell festgestellt werden muss“. | |
## Kritik an Begriff „islamistischer Terror“ | |
Erdogan kritisierte den Begriff des „islamistischen Terrorismus“, den auch | |
Merkel verwendet hatte. „Islamistischer Terror ist ein Ausdruck, den wir | |
sehr bedauern, denn Terror ist nicht vereinbar mit dem Islam, denn Islam | |
bedeutet Friede“, sagte Erdogan. „Als muslimischer Staatspräsident | |
akzeptiere ich das nicht.“ Die Kanzlerin erwiderte daraufhin, es sei | |
wichtig, zwischen Islam und Islamismus sprachlich zu unterscheiden. | |
Ein Grund für das derzeit angespannte Verhältnis zwischen Ankara und Berlin | |
sind auch die Asylgesuche von einer Reihe von türkischen Nato-Soldaten, die | |
bei ihrer Rückkehr in die Türkei fürchten, als angebliche Putschisten | |
inhaftiert zu werden. Zur türkischen Forderung nach Auslieferung | |
mutmaßlicher Putschisten sagte die Kanzlerin: „Wir können nur dann | |
vorgehen, wenn wir Erkenntnisse haben, und die werden von Gerichten | |
bewertet.“ | |
Deutschland würde sich wünschen, dass bei dem Referendum im April über die | |
Einführung des Präsidialsystems OSZE-Beobachter dabei sein können, sagte | |
Merkel weiter. Erdogan versicherte, dass die Gewaltenteilung erhalten | |
bleibe. | |
Merkel lobte ausdrücklich, dass die Türkei „Außergewöhnliches“ geleistet | |
habe für die Integration der 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land. | |
Das im vergangenen März geschlossene EU-Flüchtlingsabkommen mit Ankara sei | |
„in beiderseitigem Interesse“, sagte Merkel. „Wir sind aber noch nicht am | |
Ende der Umsetzung.“ | |
## Treffen mit der HDP | |
Sie sicherte zu, dass die vereinbarten Hilfen rasch ausgezahlt werden. Nach | |
einem Gespräch mit Ministerpräsident Binali Yildirim sagte die Kanzlerin | |
zudem die Aufnahme von 500 Flüchtlingen pro Monat zu. Dabei handelt es sich | |
um eine Aufstockung der Flüchtlingsaufnahme im Rahmen des | |
EU-Türkei-Abkommens. | |
Vorwürfe der Opposition in Deutschland und der Türkei, sie würde mit ihrem | |
Besuch Wahlkampfhilfe für die türkische Regierung vor dem Referendum über | |
das Präsidialsystem im April machen, wies die Kanzlerin zurück. „Die | |
Bevölkerung der Türkei wird ihre Entscheidung allein treffen, und ich | |
glaube nicht, dass ein Besuch von mir diese Entscheidung beeinflussen | |
wird“, sagte sie. | |
Am Abend traf Merkel in der deutschen Botschaft Oppositionsführer Kemal | |
Kilicdaroglu und Vertreter der prokurdischen Demokratischen Partei der | |
Völker (HDP). | |
Merkel war vor dem Putschversuch vergangenes Jahr wiederholt zu Gesprächen | |
über die Flüchtlingskrise in der Türkei, doch war es ihr erster Besuch seit | |
dem Umsturzversuch. Dass seitdem kein hoher deutscher Regierungsvertreter | |
die Türkei besuchte, war in Ankara als Mangel an Solidarität kritisiert | |
worden. | |
3 Feb 2017 | |
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