| # taz.de -- Flüchtlingsunterbringung: MUF für 100 Jahre | |
| > In Berlin-Marzahn wird ab Dienstag die erste Flüchtlingsunterkunft in | |
| > modularer Bauweise bezogen. Die 300 BewohnerInnen kommen aus | |
| > Steglitz-Zehlendorf. | |
| Bild: Sozialsenatorin Elke Breitenbach, Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle, C… | |
| Endlich selbst entscheiden können, wann man das Licht an- oder ausschaltet | |
| – einer der künftigen Bewohner kann sein bevorstehendes Glück noch kaum | |
| fassen. Ab Dienstag sollen 300 Flüchtlinge, die seit über einem Jahr ohne | |
| jede Privatsphäre in Turnhallen wohnen, die erste fertiggestellte „Modulare | |
| Unterkunft für Flüchtlinge“ – kurz MUF genannt – beziehen. | |
| Die zwei parallelen Riegel mitten im Plattenbauwohngebiet von Marzahn haben | |
| mehr Charme, als die wenig schmeichelnde Abkürzung ahnen lässt. Die Fassade | |
| aus grauen Betonplatten und bodentiefen Fenstern hat die schlichte Eleganz | |
| moderner Bürobauten. Dass auch der Außenbereich mit Spiel- und Ballplatz, | |
| Sitzgelegenheiten und Beeten für die AnwohnerInnen schön wird, verraten | |
| bislang nur Pläne – wegen des Frosts. Im Erdgeschoss bieten die Häuser | |
| abgeschlossene, teils barrierefreie Apartments mit Küche und Bad für vier | |
| Personen, in den Etagen darüber Wohneinheiten, in denen sich jeweils | |
| maximal 15 Menschen Küche und Bäder teilen. Die Einrichtung ist schlicht, | |
| die Räume erinnern an moderne Studentenwohnheime. Der größte Luxus: eine | |
| Fußbodenheizung. | |
| Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und Sozialsenatorin Elke | |
| Breitenbach (beide Linke) sprechen lieber von „Flüchtlingsunterkünften in | |
| modularer Bauweise“ als von MUFs. Die neuen Senatorinnen haben von ihren | |
| Vorgängern zwar viele Probleme mit der Flüchtlingsunterbringung und – zu | |
| deren Lösung – das Projekt der modularen Wohnbauten übernommen, das | |
| „Wording“ übernehmen wollen sie aber offenbar nicht. 60 der Modularbauten | |
| für Geflüchtete sollen langfristig entstehen – die Initiative dazu kam Ende | |
| 2015 angesichts der Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung von (dem | |
| alten und neuen) Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Zehn der MUFs | |
| baut die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung selbst. Der Komplex in | |
| Marzahn-Hellersdorf ist eine davon. | |
| Vier weitere seien bereits zur Übergabe fertig, andere in Bau oder | |
| „unmittelbar vor Baubeginn“, erläutert die Stadtentwicklungssenatorin bei | |
| der Besichtigung der ersten MUFs am Freitag. Für eine werde noch ein | |
| Grundstück gesucht. Maximal 450 bis 500 Personen bietet eine MUF Platz. | |
| Langfristig können alle Etagen zu abgeschlossenen Einheiten umgestaltet | |
| werden, sodass die Gebäude auch wohnungsweise vermietet werden können, | |
| sollten sie als Unterkünfte für Geflüchtete nicht mehr gebraucht werden. In | |
| Ahrensfelde wird zunächst eine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet, | |
| Träger wird vorläufig die Volkssolidarität sein – von Senatorin Breitenbach | |
| nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) dazu | |
| verpflichtet und nur so lange, bis ein langfristiger Träger die ordentliche | |
| Ausschreibung für den Betrieb der Unterkunft gewonnen hat. | |
| Sie wolle so die „elende Lebenssituation“ der Flüchtlinge in den Turnhallen | |
| möglichst schnell beenden, so Breitenbach. Die Modularbauten seien für | |
| diese eine „großartige Verbesserung“ ihrer Lebensqualität. Dass in die | |
| erste MUF am äußersten östlichen Stadtrand ausgerechnet Flüchtlinge aus | |
| dem weit entfernten Bezirk Steglitz-Zehlendorf ziehen, sei zwar „nicht | |
| optimal“. Doch es habe in dem Südwestbezirk keine alternativen | |
| Unterbringungsmöglichkeiten für diese gegeben. | |
| Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeisterin Dagmar Pohle, ebenfalls bei der | |
| Besichtigung der ersten MUF dabei, kommentiert das mit etwas freundlichem | |
| Spott: Gerne sei sie bereit, die Flüchtlinge aus Steglitz-Zehlendorf | |
| unterzubringen, „wo das offenbar nicht so gut klappt wie hier“. Immerhin | |
| sei ihr Bezirk der erste gewesen, in dem kein Flüchtling mehr in einer | |
| Turnhalle leben muss. | |
| Schulplätze für die 50 schulpflichtigen Kinder unter den 300 | |
| ErstbewohnerInnen stünden direkt nach den Winterferien bereit, einige | |
| ältere hätten sich entschlossen, an ihren bisherigen Schulen zu bleiben und | |
| den weiten Weg dorthin auf sich zu nehmen. Pohle nutzt die Gelegenheit, | |
| darauf hinzuweisen, dass es trotz der anfangs starken Proteste gegen | |
| Flüchtlingsunterkünfte in ihrem Bezirk mittlerweile eine weit stärkere | |
| Unterstützerbewegung gibt. Auch die nächsten bezugsfertigen MUFs sind in | |
| Marzahn-Hellersdorf. Der Bezirk erhöht damit die Zahl seiner bisher | |
| aufgenommenen Flüchtlinge von etwa 2.400 um bis zu 2.200. Nur in | |
| Lichtenberg und Spandau sind mehr Flüchtlinge untergebracht. In | |
| Steglitz-Zehlendorf werden es nach dem Umzug etwa 1.700 sein. | |
| Etwas gibt die Bezirksbürgermeisterin den Senatorinnen am Ende der | |
| Besichtigung deshalb mit auf den Weg: Sie erwarte, dass die Mittel für | |
| Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge, die der Senat den Bezirken mit dem | |
| Masterplan Integration 2016 zugewiesen hat, „entsprechend umverteilt | |
| werden“, mahnt Pohle ihre Parteigenossinnen. | |
| 29 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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| Unterbringung von Geflüchteten | |
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| Tempelhofer Feld | |
| Matthias Kollatz-Ahnen | |
| Matthias Kollatz-Ahnen | |
| Elke Breitenbach | |
| Die Linke Berlin | |
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