# taz.de -- Gewerkschaften zum Jahresauftakt: Weniger Panik, mehr Schulklos | |
> Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert die Bundesregierung. Und er | |
> schlägt den Parteien Wahlkampfthemen vor. | |
Bild: Hat keinen eigenen Twitter-Account: DGB-Chef Hoffmann vor der Jahres-Pres… | |
BERLIN taz | Über Trump wollte er eigentlich gar nicht reden. Reiner | |
Hoffmann, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sprach am Montag | |
in Berlin lieber über Niedriglöhne, Technisierung und den Brexit. Aber am | |
Ende der DGB-Jahrespressekonferenz fragte dann doch jemand nach: Was | |
bedeutet das für deutsche Beschäftigte, wenn Trump seine Drohungen über | |
Strafzölle wahr macht? | |
Zur Antwort zog Hoffmann die Schultern zusammen und lachte so kurz wie | |
ironisch. Natürlich sei „Trumps Pfad ein Holzpfad“, und sinkende Exporte | |
könnten auch deutsche Arbeitsplätze gefährden, meinte er. Aber es mache | |
wenig Sinn, in Panikmache zu verfallen. | |
„Wer den Trend zu radikalen Positionen und zu Rechtspopulismus ernsthaft | |
brechen will, darf nicht deswegen Grenzen hochziehen oder sich hinter neuem | |
Protektionismus verschanzen“, sagte er. Wirksamer sei ein Kurswechsel, der | |
zu mehr sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit führe. | |
Für den Rechtsruck in Deutschland machte Hoffmann deshalb auch die | |
Bundesregierung mitverantwortlich. Deren „arbeitnehmerfeindliche Politik“ | |
rufe „Menschenfeindlichkeit“ in der Unter- und Mittelschicht hervor. Als | |
Beispiel nannte Hoffmann den Brexit. Der sei im Grunde „kein Votum gegen | |
Migranten, sondern ein Votum gegen Ausbeutung und fehlende Perspektiven“ | |
gewesen, meint Hoffmann. | |
## Dem Staat fehlen 110.000 Bedienstete | |
Für das Jahr 2017 forderten die Gewerkschaften eine Steuerreform. | |
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell wies darauf hin, dass der DGB bereits | |
einen Vorschlag formuliert und der Bundesregierung vorgelegt hatte. Durch | |
die Reform müssten neun von zehn Steuerpflichtigen künftig weniger zahlen, | |
so Körzell. Stattdessen sollten die Reichen für Finanztransaktionen zahlen | |
und die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden. „Klar ist: Einen | |
Magerstaat können wir uns nicht leisten. Die öffentliche Hand ist | |
unterfinanziert“, sagte Körzell. | |
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sagte, es müsse mehr in | |
die Schulen investiert werden, notfalls auch vom Bund. Es könne nicht so | |
bleiben, dass „in den Schulen Schimmel die Wände hoch kriecht und die | |
Toiletten verstopft sind“. Dem Staat fehlten laut Hannack 110.000 | |
Bedienstete – in Schulen und bei der Polizei seien Stellen frei, aber | |
niemand wolle sich dort bewerben. | |
Bei der Gleichstellung der Geschlechter halte sich die Regierung nicht an | |
ihren eigenen Koalitionsvertrag. Die dort vereinbarten Gesetze würden „auf | |
die lange Bank geschoben“, beklagte Hannack. Das Mutterschutzgesetz müsse | |
dringend überarbeitet werden. Sie verlangte ein Rückkehrrecht in die | |
vorherige Arbeitszeit auch nach monate- oder jahrelanger Pause. „Denn das | |
Problem ist für viele: einmal Teilzeit, immer Teilzeit“, sagte Hannack. Die | |
Teilzeitfalle könne zu „gravierenden Problemen“ wie Altersarmut führen. | |
## Kurswechsel in der Rentenpolitik | |
Dafür lobte die stellvertretende DGB-Chefin das neue Transparenzgesetz als | |
Mittel gegen die Lohnlücke. Allerdings drang sie darauf, dass Angestellte | |
überall nach dem Durchschnittslohn der Kolleg*innen fragen dürfen und nicht | |
nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Außerdem beharrte der DGB | |
auf einem Kurswechsel der Rentenpolitik: Die Rente soll beim jetzigen | |
Niveau stabilisiert und im zweiten Schritt um die Hälfte angehoben werden. | |
Nur so ermögliche die Rente „ein menschenwürdiges Leben im Alter“, sagte | |
Hoffmann. | |
Die Parteien forderte der DGB dazu auf, sich im Bundestagswahlkampf auf das | |
Thema soziale Gerechtigkeit zu konzentrieren. Die acht Mitgliedsverbände | |
des DGB vertreten insgesamt rund sechs Millionen Arbeitnehmer*innen aller | |
Branchen. Im Jahr 2016 sind mehr Menschen ausgetreten oder verstorben als | |
neu eingetreten: Die Gewerkschaften verzeichneten einen Rückgang von über | |
50.000 Mitgliedern. | |
17 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Jana Anzlinger | |
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