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# taz.de -- Bananenanbau in Kamerun: Wachstum ohne Mehrwert
> Kameruns Bananenproduktion boomt. Konzerne aus den USA und Europa
> profitieren. Doch viele Einheimische erhalten nur einen Hungerlohn.
Bild: Fast 12 Kilogramm Bananen isst der Durchschnittsdeutsche im Jahr
Berlin taz | Nummer 5 weltweit, Nummer 1 in Afrika – die aktuellen Zahlen
zur Bananenproduktion in Kamerun klingen gut. Für Jean-Baptiste Zipa trügen
sie aber gewaltig: „Das ist eine koloniale Wirtschaftsform, die die alten
Abhängigkeiten und Formen der Erniedrigung fortsetzt“, sagt der einstige
Chefredakteur der kamerunischen Tageszeitung Le Messager. Zipa beschäftigt
sich seit seiner Studienzeit mit der kamerunischen Bananenproduktion. Was
ihn besonders ärgert: „Unsere nationalen Eliten profitieren von diesem
System und lassen sich von den Unternehmen der Bananenbranche kaufen.“
Diese Firmen kommen meistens aus dem Ausland und haben in Kamerun
Tochterunternehmen. Marktführer ist La Compagnie frutière aus Marseille,
die in dem zentralafrikanischen Land unter dem Namen Plantations du haut
Penja (PHP) agiert. Zweitgrößter Player ist die Cameroon Development
Cooperation (CDC), seit den 90er Jahren ein Tochterunternehmen des
US-Konzerns Del Monte.
Das Geschäft läuft. 2015 hat Kamerun laut aktuellen Zahlen sogar die
Elfenbeinküste als Spitzenerzeuger für Bananen in der
Afrika-Karibik-Pazifik-Region mit einer Rekordernte von 278.450 Tonnen
überholt. Der Staat hat davon allerdings wenig: Die Tochterunternehmen
deklarieren ihre Produktionsstätten in Kamerun als „Cooperative agricole“,
also als landwirtschaftliche Kooperative. Diese Organisationsform fällt in
den Bereich der Entwicklungshilfe – und ist deshalb in Kamerun von Steuern
befreit. „Ein Unternehmen, das mehrere Millionen Dollar Umsatz im Jahr
macht, ist doch keine Entwicklungskooperative!“, ärgert sich Zipa.
Aber es ist nicht nur die Steuerflucht der Unternehmen, die der
Bananenproduktion in Kamerun ihren schlechten Ruf einhandelt.
Internationale Menschenrechtsorganisationen und die kamerunische
Zivilgesellschaft bemängeln vor allem die Arbeitsbedingungen auf den
Plantagen: Die Arbeiter leiden unter 14-Stunden-Schichten, bekommen weniger
als 35 Euro Monatslohn – und das bei völlig unzureichendem Arbeitsschutz
und miserablen Wohnbedingungen.
## Kolonialherren etablieren die Banane
Laut Recherchen des französischen Fernsehsenders France Info aus dem Jahr
2013 benutzen die Unternehmen zudem Pestizide, die in Europa bereits seit
Jahren verboten sind. Diese Chemikalien sind nicht nur für die
ArbeiterInnen schädlich, sondern auch für die Menschen in den umliegenden
Dörfern.
Die Behörden handeln nicht – aus gutem Grund: „Abgeordnete der Regierung
sitzen gleichzeitig im Vorstand von PHP. Sie garantieren der Firma, dass
ihre Profitinteressen gewahrt werden und können beispielsweise Streiks
unterdrücken“, sagt Zipa. Auch wenn nur 4 Prozent der in Deutschland
konsumierten Bananen aus Kamerun stammen, beginnt die Geschichte der
Bananenplantagen in dem zentralafrikanischen Land in den [1][deutschen
Kolonialzeiten]. Ende des 19. Jahrhunderts eroberten die Deutschen in zwei
blutigen Feldzügen die fruchtbaren Gebiete um Buea im kamerunischen
Bergland, enteigneten und vertrieben die Bakweri-Bevölkerung und zerstörten
deren Landwirtschaft. Stattdessen installierten sie die ersten
Bananenplantagen im Land und verschifften bis zum Ende des Zweiten
Weltkrieges kamerunische Bananen nach Deutschland. Frankreich und
Großbritannien bauten nach dem Ersten Weltkrieg als neue Kolonialherren
auf diesen Strukturen auf.
Gegen die Zustände in der kamerunischen Bananenproduktion machen sich heute
Organisationen wie die britische NGO BananaLink stark. Sie unterstützen
lokale kamerunische Gewerkschaften und versuchen durch internationale
Kampagnen, auch die Konsument_innen in Europa auf die miserablen
Bedingungen in der Fruchtproduktion vieler Länder des Globalen Südens
hinzuweisen. Nach Ansicht des Journalisten Zipa sollte die
Bananenproduktion reformiert und nicht boykottiert werden: „Die
Bananenproduktion ist mit 46.000 Arbeitsplätzen eine der wichtigsten
Arbeitgeber in der Landwirtschaft. Das, was sich ändern muss, sind die
Produktionsbedingungen, die Steuerflucht und die korrupten Doppelrollen der
lokalen Politiker. Es kann nicht sein, dass die Menschen von einem seiner
größten Exportzweige kaum profitieren.“
23 Jan 2017
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## AUTOREN
Katharina Lipowsky
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Kamerun
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