| # taz.de -- Eröffnungsfeier des Afrika-Cups: Ali Bongo und der „Blut-Cup“ | |
| > Gabuns umstrittener Präsident eröffnet das Großereignis. Derweil werden | |
| > hochrangige Politiker wegen Korruption verhaftet. | |
| Bild: Letzte Reinigungsarbeiten im Stade de l'Amitie Sino. Erst seit dieser Woc… | |
| Berlin taz | Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Zweizimmerwohnung mit | |
| neun anderen Personen. Vier sind arbeitslos, drei (darunter Sie selbst) | |
| haben prekäre Jobs, eine Person ist sehr krank, eine geht zur Schule, aber | |
| das Schulgeld ist nicht bezahlt, eine hat Probleme mit der Justiz. Die | |
| Miete und die Rechnungen sind seit zwei Monaten unbezahlt, der Kühlschrank | |
| ist leer. Die kranke Person stirbt, weil die angeklagte Person die | |
| Medikamente verkauft hat, um einen Anwalt zu bezahlen. Dann will diese | |
| Person eine Party schmeißen, für die Sie und die anderen beiden Arbeitenden | |
| bezahlen sollen, und lädt 30 Freunde ein, obwohl Sie das nicht wollen.“ | |
| Mit diesem Text unter der Überschrift „Der Afrika-Cup in Gabun für Doofe“ | |
| erläutert die oppositionelle „Bewegung Jean Ping“ in dem | |
| zentralafrikanischen Land [1][ihren Twitter-Lesern] das Problem mit der | |
| Afrika-Fußballmeisterschaft, die an diesem Samstag in Gabun beginnt. | |
| Normalerweise sind internationale Sportturniere ein Anlass für Staaten zu | |
| protzen. In Gabun ist der Afrika-Cup 2017 für die Regierung ein Anlass, | |
| Angst vor Unruhen zu haben und für die Opposition eine Gelegenheit, den | |
| Frust der Bevölkerung zu kanalisieren. | |
| Jean Ping war einst Kommissionschef der Afrikanischen Union, also ein | |
| weltweit geachteter Diplomat. Dann beging er Majestätsbeleidigung, als er | |
| bei der Präsidentschaftswahl in Gabun am 27. August 2016 gegen Staatschef | |
| Ali Bongo antrat. Bongo gewann diese Wahl den offiziellen Angaben zufolge | |
| ganz knapp. Ping lag eigentlich vorn, bis die Wahlkommission in letzter | |
| Minute feststellte, dass in Bongos Heimatprovinz Haut-Ogooué 99,93 Prozent | |
| der registrierten Wähler an die Urnen geströmt seien, viel mehr als | |
| irgendwo sonst. Über 95 Prozent der Stimmberechtigten sollen für Bongo | |
| gestimmt haben. Niemand glaubt diese Zahlen, aber Bongo ist jetzt weiter | |
| Präsident und wird auch den Afrika-Cup am Samstag feierlich eröffnen. | |
| ## Ein Drittel lebt in Armut | |
| Gabun ist kein normales Land. Es hat etwa die Bevölkerungszahl Hamburgs und | |
| fördert genug Öl, um jedem Bewohner ein Pro-Kopf-Einkommen von über 10.000 | |
| Euro im Jahr zu garantieren. Aber ein Drittel der Bevölkerung lebt in | |
| absoluter Armut mit weniger als einem Euro am Tag, und die Slums der | |
| Hauptstadt Libreville sind nicht besser als die jedes anderen Landes in | |
| Zentralafrika. Ein und dieselbe Familie regiert Gabun mit harter Hand seit | |
| 50 Jahren: Omar Bongo bis 2009, sein Sohn Ali seitdem. Für die | |
| Exkolonialmacht Frankreich ist das korrupte Gabun ein verlässlicher Freund. | |
| Damit die Menschen das alles nie vergessen, heißen die beiden größten | |
| Städte der Bongo-Heimatprovinz Haut-Ogooué, wo die Wahlen gefälscht wurden, | |
| Franceville und Bongoville. | |
| Franceville ist nun auch einer der vier Austragungsorte des Afrika-Cups, | |
| neben der Hauptstadt Libreville, der großen südlichen Hafenstadt | |
| Port-Gentil und der Kleinstadt Oyem im Norden. Der Rasen in Franceville, | |
| versichern Verantwortliche, sei inzwischen viel besser als beim letzten | |
| Länderspiel im Oktober, als sich Gabun und Marokko 0:0 trennten und alle | |
| Spieler frustriert waren, auf was für einem Acker sie da antreten mussten. | |
| In Franceville spielt jetzt die Gruppe B aus Algerien, Senegal, Simbabwe | |
| und Tunesien. | |
| Die Gruppe A mit Gastgeber Gabun sowie Burkina Faso, Guinea-Bissau und | |
| Kamerun darf in der Hauptstadt Libreville bleiben, was zumindest für die | |
| Begegnung mit dem fußballverrückten Nachbarn Kamerun am 22. Januar volle | |
| Ränge verspricht. Peinlich für Präsident Bongo: Der afrikanische | |
| Fußballverband, geleitet vom Kameruner Issa Hayatou, hat das große | |
| Omar-Bongo-Stadion von Libreville als ungenügend abgelehnt; nun muss das | |
| kleinere Angondjé-Stadion herhalten. | |
| ## Die neuen Stadien | |
| Die neu gebauten Stadien von Port-Gentil und Oyem sind erst in dieser Woche | |
| überhaupt fertiggeworden. In Port-Gentil legte 2015 Lionel Messi den | |
| Grundstein und soll dafür 50.000 Euro kassiert haben, mehr als der | |
| Durchschnittsgabuner in seinem ganzen Leben zu sehen bekommt. | |
| In Oyem musste die chinesische Baufirma vor einigen Monaten die Arbeiten | |
| wochenlang pausieren lassen, weil wütende Anwohner dagegen protestierten, | |
| dass der Fußballplatz Strom kriegen soll, sie selbst aber nicht. Das | |
| Stadion von Oyem liegt 17 Kilometer außerhalb der Stadt im Wald. Über seine | |
| Eröffnung durch Präsident Bongo am 7. Januar berichtete die chinesische | |
| People’s Daily [2][auf ihrer Webseite]: „Laut Gabuns Behörden werden die | |
| Bauarbeiten – Trainingsplätze samt Nebengebäude, das Hotel, weitere | |
| Sportanlagen, die Straße rund um das Stadion, Parkplätze, Einzäunung, | |
| Kanalisation, Brandschutz und so weiter – während und nach dem Afrika-Cup | |
| fortgesetzt.“ Die Begegnungen der Gruppe C aus der Demokratischen Republik | |
| Kongo, der Elfenbeinküste, Marokko und Togo könnten also aus anderen als | |
| sportlichen Gründen spannend werden. | |
| Oyem ebenso wie die Slums von Libreville sowie Port-Gentil – wo die Gruppe | |
| D aus Ägypten, Ghana, Mali und Uganda antritt – war eine Hochburg der | |
| Proteste gegen Bongos Wahlbetrug, deren Niederschlagung Ende August nach | |
| damaligen Oppositionsschätzungen über 500 Tote forderte, unabhängigen | |
| Berichten zufolge über 50 und laut Regierung 5. In Libreville ging das | |
| Parlamentsgebäude in Flammen auf, Oppositionsanhänger wurden durch die | |
| Straßen gejagt, manche verschwanden spurlos. Gabun hat sich von dieser | |
| blutigen politischen Konfrontation noch immer nicht erholt; es herrscht | |
| zwar Ruhe, aber keine politische Versöhnung. | |
| ## Das offizielle Budget | |
| Die Unruhen brachten auch Gabuns Wirtschaft massiv durcheinander, die | |
| ohnehin unter den gesunkenen Ölpreisen leidet. Gabuns Staatskassen sind | |
| leer, für die Bevölkerung ist nichts übrig, aber für den Afrika-Cup ist | |
| Geld da: das offizielle Budget beläuft sich auf 463,1 Milliarden CFA-Francs | |
| (706 Millionen Euro). Zum Vergleich: Im Staatshaushalt 2016 beliefen sich | |
| die staatlichen Gesundheitsausgaben auf 57 Milliarden CFA-Francs, die für | |
| das Schulwesen auf 133 Milliarden. | |
| Rund ein Drittel der Gesamtsumme wird auf Kredit aufgenommen. Der | |
| gabunische Ökonom Mays Mouissi, der das Afrika-Cup-Budget [3][auf seinem | |
| Blog] aufgeschlüsselt hat, wundert sich, wie viele Posten darin stehen, die | |
| eigentlich schon beim letzten Afrika-Cup 2012 hätten abgeschlossen sein | |
| müssen, als in Libreville und Franceville bereits gespielt wurde. | |
| Nicht nur Mouissi vermutet massive Korruption und Unterschlagung von | |
| Sportgeldern durch Baufirmen. Kritiker sehen sich dadurch bestätigt, dass | |
| Präsident Bongo pünktlich zum Afrika-Cup einen Feldzug gegen Korruption | |
| ausgerufen hat. Am Dienstag wurde der frühere Wirtschaftsminister Magloire | |
| Ngambia unter dem Vorwurf inhaftiert, 500 Milliarden CFA-Francs | |
| unterschlagen zu haben – mehr als das Afrika-Cup-Budget. Seit | |
| Donnerstagabend sitzt auch Ölminister Etienne Dieudonné Ngoubou hinter | |
| Gittern. | |
| In Libreville, stellen gabunische Medien jetzt befremdet fest, habe es | |
| keinerlei Verschönerungsarbeiten für die internationalen Sportgäste gegeben | |
| – aber immerhin seien noch einige Reste von 2012 übrig. Damals trug Gabun | |
| seinen ersten Afrika-Cup aus, gemeinsam mit dem ebenfalls ölreichen | |
| Nachbarland Äquatorialguinea, dem einzigen Land Afrikas, in dem die | |
| Einkommensunterschiede noch grotesker sind als in Gabun. Äquatorialguinea | |
| schied damals in der Vorrunde aus, Gabun im Viertelfinale, was für leere | |
| Stadien in der Schlussphase sorgte. Diesmal wollen Protestgruppen das von | |
| Anfang an erreichen. | |
| ## Statisten in den Stadien? | |
| „Nein zum Blut-Cup in Gabun!“ [4][lautet der Boykottaufruf des | |
| Oppositionskollektivs Gabon Démocratie]. Der Pariser Aktivist Laurent | |
| Duarte, Sprecher einer Koalition afrikanischer Demokratiebewegungen, sagte | |
| in einem Interview: „Afrikanische Diktatoren leben von internationaler | |
| Legitimität. Der Afrika-Cup 2017 soll zeigen, dass Bongo Stabilität und | |
| Frieden garantiert, er will sich damit bei der Welt gutstellen.“ Boykott | |
| sei das einzige Mittel, Gabuns Präsidenten zu „ächten“. | |
| Oppositionsmedien gehen davon aus, dass Angehörige der Sicherheitsorgane | |
| samt Familien zu den Spielen dienstverpflichtet werden, um die Ränge zu | |
| füllen. Der Sprecher des offiziellen Organisationskomitees, Pablo Moussodji | |
| Ngoma, warnte bereits im französischen RFI-Rundfunk: „Das | |
| Sicherheitsaufkommen wird erheblich sein, um jede Störung zu vermeiden; wir | |
| übersehen keine Bedrohung.“ Schließlich seien ja aufgrund der Weltlage | |
| „alle internationalen Großereignisse nunmehr gefährdet“, und auch in | |
| Brasilien habe es vor der Fußballweltmeisterschaft 2014 Proteste gegeben. | |
| Die dortige Präsidentin Dilma Rousseff wurde übrigens zwei Jahre später | |
| abgesetzt. | |
| 14 Jan 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/MouvancePing/status/818747580427489280 | |
| [2] http://french.peopledaily.com.cn/Afrique/n3/2017/0110/c96852-9164911.html | |
| [3] http://www.mays-mouissi.com/2016/04/28/gabon-463-milliards-fcfa-de-can-2017/ | |
| [4] http://www.afrik-foot.com/tribune-non-a-la-can-de-sang-au-gabon | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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