# taz.de -- Ex-EPA-Chefin über US-Umweltschutz: „Es ist leicht, eine Behörd… | |
> Die Republikanerin Todd Whitman war bis 2003 Chefin der US-Umweltbehörde | |
> EPA. Sie bezweifelt, dass ihr Nachfolger Pruitt versteht, welche Aufgabe | |
> er vor sich hat. | |
Bild: Reine Luft, sauberes Wasser – das ist das Ziel. Wie hier im Yosemite-Na… | |
taz: Frau Whitman, können Donald Trump und Scott Pruitt die EPA zerstören? | |
Christine Todd Whitman: Das geht nicht einfach so. Wir leben in einem | |
Rechtsstaat, man kann nicht einfach sagen: verschwinde! Das gilt auch für | |
Gesetze und Verordnungen im Umweltbereich. Sie sind erlassen worden, gegen | |
viele ist geklagt worden und sie sind von Gerichten bestätigt worden. Die | |
kann man nicht einfach aussetzen, das wäre ein langer Prozess. Was man | |
machen kann und wahrscheinlich auch tun wird, ist das Budget der EPA weiter | |
streichen, was weniger Personal bedeutet. Und Vorschriften können blockiert | |
werden. | |
Kann man die EPA von innen faktisch lahmlegen? | |
Es ist sehr schwer, ein Regierungsprogramm zu stoppen, man kann aber | |
versuchen, die Wirtschaft zu entlasten. Wir müssen uns endlich von der Idee | |
verabschieden, dass Umweltschutz und Wirtschaftswachstum sich gegenseitig | |
ausschließen. Seit wir 1990 die Schwefelemissionen in den USA über den | |
„Clean Air Act“ reguliert haben, erlebten wir ein Bevölkerungswachstum, 30 | |
Prozent mehr Energieverbrauch und ein Wirtschaftswachstum von fast 50 | |
Prozent. Und trotzdem haben wir die sechs schlimmsten Schadstoffe um 60 | |
Prozent reduziert. Wir können also beides. Aber ich glaube nicht, dass Mr. | |
Pruitt das in der Tiefe versteht, wie er es sollte. | |
Bei welchen Themen ist die EPA besonders wichtig? | |
Im 21. Jahrhundert ist das Wasser und Luft. 2013 sind in den USA 91.000 | |
Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung gestorben, dreimal so viel wie | |
im Straßenverkehr. Wir reden viel darüber, wie wir Autos und Straßen | |
sicherer machen, aber mit der Luftverschmutzung leben alle, ob wir Auto | |
fahren oder nicht. Das sollten wir ernst nehmen – ganz egal, wie man zum | |
Klimawandel steht. | |
Donald Trump sagt, er wolle sauberes Wasser und saubere Luft. Kann man sich | |
darum sorgen und sich nicht um Klimaschutz kümmern? | |
Nein, das kann man nicht. Der Klimaschutz vermindert den Kohlenstoffgehalt | |
in der Luft. Wenn sich Leute nun mit der Luftqualität befassen, weil sie es | |
als Gesundheitsthema entdecken, ist das auch gut. Mir ist egal, warum die | |
Leute etwas richtig machen. | |
Die Republikaner werfen der EPA schon lange vor, sie schade der Wirtschaft. | |
Es ist leicht, eine Regulierungsbehörde zu hassen. Jedes Mal, wenn sie eine | |
Regel erlässt oder ändert, zwingt sie Menschen, Geld auszugeben oder ihr | |
Leben zu ändern für ein Problem, das sie nicht sehen oder nicht für real | |
halten. Doch diese Regulierungen sind Schutzvorschriften. Nicht etwas, das | |
sich ein Bürokrat ausdenkt, um anderen das Leben schwer zu machen. Es gibt | |
sicher auch fragwürdige Vorschriften, deren Standards unerreichbar sind, da | |
muss man genau hinsehen. Aber wer denkt, wir bräuchten gar keine Regeln, | |
wird uns dramatisch zurückwerfen. | |
Zweiter Vorwurf: Die EPA schränkt die Rechte der Bundesstaaten zu sehr ein. | |
Die EPA setzt einen US-weiten Standard, der auf wissenschaftlichen | |
Grundlagen vorgibt, was zum Schutz der Menschen nötig ist. Wenn ein | |
Bundesstaat mehr machen will, fein, aber es gibt eine Untergrenze, denn | |
Mutter Natur sind geopolitische Grenzen egal. Was in einem Staat passiert, | |
betrifft den Nachbarstaat. Die dreckige Luft bläst von West nach Ost. Als | |
ich Gouverneurin von New Jersey war, hätte ich jede einzelne Fabrik in | |
meinem Staat schließen können und trotzdem die Grenzwerte für saubere Luft | |
nicht eingehalten, weil die dreckige Luft aus den Kohlestaaten West | |
Virgina, Pennsylvania und Kentucky zu uns zog. Das Gleiche gilt fürs | |
Wasser, das bleibt nicht, wo es ist. Wir müssen verstehen, dass unsere | |
Aktionen hier Konsequenzen woanders haben. | |
Beim „Clean Power Plan“ zur Regulierung der Kohlekraftwerke sagen viele | |
Staaten, dass sie diese Vorschriften lieber selbst aufstellen wollen. | |
Ja, das sagen sie, aber ich bin anderer Meinung. Der Plan soll CO2 | |
reduzieren, um Mensch und Umwelt zu schützen. Die Gegner haben bis zum | |
Supreme Court geklagt, die EPA hat bisher immer Recht bekommen. Also muss | |
sie laut Gesetz, das vom Kongress beschlossen wurde, handeln, die | |
Kraftwerke müssen sauber werden. Die Staaten könnten das selbst regulieren, | |
wenn die Luft bei ihnen bliebe und die Bevölkerung zufrieden wäre. Aber so | |
ist es nicht. | |
Was bedeutet eine Schwächung der EPA international? | |
Wir sind eine der Führungsnationen beim Klimaschutz. Das dürfen wir als | |
große Wirtschaftsnation nicht aufgeben. Wir müssen uns engagieren statt | |
wegzulaufen. Die Probleme wandern über Grenzen und über Ozeane. Wir sehen | |
Gift im Gewebe von Fischen, die wir an der Westküste fangen; Gifte, die bei | |
uns verboten, aber im Südpazifik noch erlaubt sind. | |
Fürchten Sie, dass die Gerichte mit neuen Richtern demnächst gegen die EPA | |
entscheiden? | |
Das könnte passieren. Es kommt darauf an, wie der Fall liegt. Die Richter | |
sollten nicht ihre persönliche Meinung vertreten, sondern sich am einzelnen | |
Fall orientieren. Es kommt auch immer darauf an, ob man mit einem Fall eine | |
Regulierung zurücknehmen oder stärken kann. | |
Welche EPA-Regeln werden Trump und Pruitt angreifen? | |
Vor allem den „Clean Power Plan“ werden sie soweit sie können angreifen. | |
Ich bin auch sehr besorgt darüber, dass sie öffentliches Land rücksichtslos | |
für Bohrungen öffnen könnten. Der designierte Energieminister Rick Perry | |
hat das schon signalisiert. Das ist das erste Mal, dass ich mich entsinnen | |
kann, dass eine Regierung so viele Leute ernennt, die Behörden leiten, die | |
sie am liebsten abschaffen würden. Manche sagen, das sei gut, weil es eine | |
gesunde Skepsis schafft. Aber das kann auch blockieren. | |
Erwarten Sie Widerstand von den Mitarbeitern der EPA? | |
Das sind Beamte, die sehr engagiert Gesundheit und Umwelt schützen. Sie | |
sind stolz auf ihre Arbeit und wollen die Welt ein wenig besser machen. | |
Wenn sie sehen, das willst du auch, werden sie mit dir arbeiten. Aber wenn | |
sie denken, du willst das nicht, können sie dir das Leben schwer machen. | |
Sie wissen sehr genau, wie man eine Behörde lahmlegt. Sie können Abläufe | |
verzögern, Anfragen liegen lassen und so weiter. Es könnte also eine Zeit | |
voller Streit werden in Washington. | |
Im Gegensatz zu Ihrer Amtszeit ist die Umweltpolitik stark politisiert. Sie | |
reden heute wie eine Demokratin, nicht wie die Republikanerin, die Sie | |
sind. | |
Ich sage, was ich denke. Meine Partei zeigt bei diesem Thema keine | |
Führerschaft. Das ist frustrierend für uns Republikaner, die sich um die | |
Umwelt sorgen. Und von denen gibt es viele. Das ist eigentlich eine | |
republikanische Idee – die EPA wurde von Richard Nixon gegründet, zum | |
ersten Mal wurde öffentliches Land in Yosemite zum Schutzgebiet unter | |
Abraham Lincoln, Teddy Roosevelt hat das ausgeweitet. Wir haben eine lange | |
Tradition, uns um die Umwelt zu kümmern. | |
Wie sehen Sie die Zukunft der EPA unter Pruitt? | |
Die wird eine Weile umstritten sein. Aber sie werden es schon schaffen. | |
19 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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