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# taz.de -- Neueröffnung der daadgalerie in Berlin: Die Geister werden besänf…
> Die renommierte daadgalerie ist nach Berlin-Kreuzberg umgezogen.
> Künstlerin Minouk Lim eröffnet die Galerie mit einem Ritual.
Bild: Spirituelle Begrüßung: Minouk Lim in Berlin
Es riecht nach Kleber in den hohen Räumen der neuen Galerie. Bis in die
Nacht wurde hier noch gearbeitet. Von den Wänden des geräumigen Loftraums
strahlt viel Weiß zurück. Die Kunstwerke, Hybride aus industriellem und
organischem Material, stehen vereinzelt als Skulpturen im Raum, vor allem
bedecken sie den Boden. Bevor man sie näher betrachten kann, strömen aber
viele Menschen in den Raum. Sie sind gekommen, um dabei zu sein, wenn die
daadgalerie das erste Mal in den neuen Räumen in der Oranienstraße
ausstellt.
Allmählich verändert sich der Geruch, es riecht nach Wein, verschiedenen
Parfüms und ein internationales Stimmengewirr füllt den Raum. Wer nicht
angerempelt werden will, bleibt auf der Stelle stehen und wartet. Dann
ertönt über Lautsprecher „O Tannenbaum“, die Gespräche werden unterbroch…
Eine Performance beginnt. Und damit ist die daadgalerie wieder eröffnet.
Im neuen Haus verfügt die Galerie des DAAD nun über zirka 500 Quadratmeter,
die sich auf zwei Stockwerke verteilen. In den neuen, größeren Räumen
können nun die vier Sparten Bildende Kunst, Film, Literatur und Musik unter
einem Dach vereint werden. DAAD, die Abkürzung für Deutscher Akademischer
Austauschdienst, und sein Berliner Künstlerprogramm stehen für eine lange
und verdienstvolle Geschichte in der Kunstszene Berlins. Das
DAAD-Förderprogramm, das international Künstler nach Berlin einlädt, gibt
es seit 1966. Gegründet wurde es damals mit der Intention, die kulturelle
Szene nach dem Mauerbau in Westberlin zu beleben.
1978 wurde die daadgalerie in der Kurfürstenstraße in Berlin Tiergarten
eröffnet, 2005 folgte der Umzug nach Berlin Mitte in die Zimmerstraße. Nun
also der dritte Ortswechsel: „In Kreuzberg leben viele Künstler, und es ist
ein organisch gewachsenes Viertel. Vor allem die Oranienstraße ist spannend
und lebendig“, sagt Bettina Klein, Spartenleiterin Bildende Kunst des DAAD.
Auch die Veränderungen im Umfeld des alten Standorts trugen zu dem Wunsch
nach einem Wechsel bei.
## Künstlerische Raumbesetzung
Die benachbarten Galerien zogen im Laufe der Zeit weg, weil zu viele
Touristen in Richtung Checkpoint Charlie strömten. Jetzt seien dort nur
noch Hotels ansässig, erzählt Bettina Klein. Durch den Umzug in die
Oranienstraße fühle es sich jetzt fast so an, als besäße die daadgalerie
ein eigenes Haus, sagt Katharina Narbutovic, die Leiterin des Berliner
Künstlerprogramms. Endlich habe man die Möglichkeit, Ausstellungen und
Veranstaltungen parallel stattfinden zu lassen, denn neben dem 250
Quadratmeter großen Galerieraum im Erdgeschoss bietet das Studio im ersten
Stock zusätzlich Platz für 100 Besucher. Das ehemalige Schuhkaufhaus wurde
im Jahr 1910/12 von dem ungarisch-jüdischen Theaterarchitekten Oskar
Kaufmann gebaut, der unter anderem auch die Volksbühne am
Rosa-Luxemburg-Platz entwarf.
„Topophilia/Topophobia“ heißt das zehntägige Eröffnungsfestival der
Galerie. Es beschäftigt sich mit den ambivalenten Gefühlen, die Räume
hervorrufen können. Für die Eröffnung installierte die koreanische
Künstlerin Minouk Lim in der Galerie verschiedene Lichtquellen,
beispielsweise aus alten Autoscheinwerfern, aber auch Skulpturen und ein
Video, das Kritik an Gentrifizierung übt.
Die materiellen Werke sind aus Dingen gemacht, die von draußen kommen. Sie
symbolisieren den Einzug ins neue Haus. So zum Beispiel eine Art Teppich,
gegossen aus flüssigem Latex, der tagelang der Witterung ausgesetzt war.
Bei der Eröffnung tritt Lim zu diesen Werken durch eine Performance in
Kontakt, deren Spiritualität sich erahnen lässt, auch wenn sie rätselhaft
bleibt.
Die Künstlerin blickt durch ein Loch, sammelt Dornenzweige und singt einem
ausgestopften Raben mit leiser Stimme etwas vor. Vorher hat Lim erzählt,
dass zur Zukunft auch immer die Vergangenheit gehört. In ihrer Performance,
so sagt sie, will sie die alten Bewohner dieses Hauses bitten, die neuen
Bewohner und Gäste willkommen zu heißen. Das geschieht in einem ruhigen und
nachdenklichen Ritual, ohne Lautstärke, ohne Hektik.
## Ambivalenz wird wertgeschätzt
Minouk Lim kommt aus Südkorea, einem Land, in dem es viel
Schwarz-Weiß-Denken gibt, sagt sie. Deshalb möchte sie es anders machen:
„Ich lade die Menschen ein, sich ihre eigenen Gedanken zu machen, will aber
keine Vorschriften geben.“ An der Kunst fasziniert sie vor allem die
Ambivalenz der Dinge, dass etwas positiv und zugleich negativ sein kann.
Für den Ausstellungstitel wurde der Name von Lims Film, „New Town Ghost“,
der in der Ausstellung zu sehen ist, mit dem koreanischen Wort „Gaga Hoho“
ergänzt. Das steht für die Gesamtheit der Häuser oder der Familien.
Den Ort zum Thema machen sei gerade für Künstler wichtig, die eine kreative
Schutzzone brauchen, sagt Narbutovic. Der neue Ort soll eine solche
Schutzzone sein und mit einem positiven Gefühl besetzt werden. Die
daadgalerie soll dadurch zu einem neuen kulturellen Treffpunkt in Kreuzberg
werden.
17 Jan 2017
## AUTOREN
Linda Gerner
## TAGS
Kunst Berlin
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mit den Verantwortlichen für Bildende Kunst, Ariane Beyn & Bettina Klein.
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