# taz.de -- Mäzenatentum in Potsdam: Wer schenkt, hat recht | |
> Am Freitag eröffnet in Potsdam das Museum Barberini. Ein weiteres | |
> Projekt, das vom Software-Milliardär Hasso Plattner gestiftet wurde. | |
Bild: Hasso Plattner im April 2015, vor dem Richtfest des Palastes Barberini in… | |
Es stimmt nicht, sagt Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, dass Reiche | |
die Entwicklung der Stadt bestimmen. Er sagt im selben Atemzug aber auch: | |
„Potsdams neue Mitte darf nicht zu einer Spaltung der Stadt führen, Ziel | |
ist es, zu verhindern, dass über die Frage, wie sich die Mitte entwickelt, | |
ein Spalt durch die Stadtgesellschaft geht.“ | |
Mit den Reichen – von denen gibt es in der kleinen Landeshauptstadt nicht | |
wenige – meint er vor allem die großzügigen Großspender für von der Stadt | |
gewollte Projekte: den Wiederaufbau des Stadtschlosses etwa, den noch | |
geplanten Wiederaufbau der Garnisonkirche und das vom Software-Milliardär | |
Hasso Plattner gleich ganz gestiftete Museum Barberini, das an diesem | |
Freitag mit jeder Menge Glamour – angeblich kommt sogar Hasso Plattners | |
Kumpel Bill Gates – eröffnet wird. | |
Neben Plattner, der schon Bau und Lehrbetrieb des nach ihm benannten | |
Forschungsinstituts am Griebnitzsee mit mindestens 200 Millionen Euro | |
finanziert hat, zählt zu den Spendern und Mäzenen auch der Fernsehmillionär | |
Günter Jauch. Aber Plattners Einfluss ist, nicht zuletzt wegen des neuen | |
Museums, deutlich größer. Wer der Stadt ein Museum schenkt – ein Museum, in | |
dem er nicht nur einen Teil seiner privaten Kunstsammlung ausstellen will, | |
sondern das auch jedes Jahr drei temporäre Ausstellungen zeigen will – dem | |
kann man wenig übel nehmen. Da ist Dankbarkeit schon angebracht – und | |
Plattner bekommt sie: „Die Potsdamer haben sich an ihn ganz persönlich | |
gewandt und ihm gesagt, wie viel es für sie bedeutet, dass dieser Ort | |
wieder entsteht als Ort der Begegnung und der Kunst“, sagt Ortrud | |
Westheider, Direktorin des Museums Barberini. | |
Das ist das grundsätzliche Problem jedes Mäzenatentums. Wer zahlt, nimmt | |
Einfluss, wie sehr er sich aus inhaltlichen Detailfragen auch heraushält. | |
Weil er bestimmt, was entsteht. Klar, Plattner hat mit Ortrud Westheider, | |
die zuletzt das Bucerius Kunst Forum in Hamburg geleitet hat, eine | |
unabhängige Direktorin für sein Museum eingesetzt. Und klar ist es toll, | |
dass Potsdam ein Museum für moderne Kunst bekommt, einfach so. Das wäre | |
ohne Plattner nicht passiert. | |
## Stadtbild sähe ohne Plattner völlig anders aus | |
Aber klar ist auch: Es ist Plattners mehr oder weniger privater | |
Kunstgeschmack, den die ständige Sammlung repräsentiert. Nicht seine vielen | |
Impressionisten, die lässt er wegen des neuen Kulturgutschutzgesetzes wohl | |
in den USA: Ein Teil davon wird aber, ergänzt um Leihgaben, in der ersten | |
der drei Eröffnungsausstellungen gezeigt und wirbt jetzt für das Museum. | |
Fest zur Sammlung gehören werden aber seine mehr als 80 Werke der | |
DDR-Kunst. | |
Nebenbei hat Plattner der Stadt gleich noch einen Lieblingswunsch erfüllt: | |
die Rekonstruktion des Palastes Barberini, ein Teil des barocken Ensembles | |
um das ebenfalls nachgebaute Stadtschloss, in dem heute der Landtag | |
residiert. Für den Plattner ja auch schon mehr als 22 Millionen Euro | |
springen ließ. Für die historische Fassade und das Kupferdach. Sprich: Das | |
Stadtbild sähe ohne ihn völlig anders aus. Und nicht so, wie es sich Jann | |
Jakobs wünscht. | |
Es sähe vielleicht mehr so aus, wie ein anderer Teil der Potsdamer es sich | |
wünscht. Viele Linke, viele, die in der DDR geboren wurden. An der | |
Architektur hat sich in Potsdam ein ideologischer Graben aufgetan: Zwischen | |
denen, die die „historische Mitte“ rekonstruieren wollen – und denen, die | |
sagen: Auch was zwischen 1954 und 1989 gebaut wurde ist Teil der | |
Stadtidentität. | |
Logisch, dass sich durchsetzt, wer private Bauvorhaben quasi aus der | |
Portokasse bezahlen kann. Und ebenso logisch, dass sich die andere Seite | |
überrumpelt fühlt. Und fragt: Was ist mit unserer Vorstellung? Identität | |
besteht in Potsdam, vielleicht noch mehr als anderswo, vor allem aus | |
Steinen: Fachhochschule in DDR-Moderne hier, barocker Landtag dort. | |
## Widerstand als nicht ausgereiftes Verständnis abgetan | |
Plattner ist in diesem Tauziehen einer der wichtigsten Player. Faktisch | |
kann man ihm wenig vorwerfen, er hält sich aus politischen Debatten verbal | |
heraus. Etwa damals, als er die Idee, der Stadt ein Museum zu bauen, zum | |
ersten Mal vortrug. Sein Vorschlag war: Der Stadt einen Lieblingswunsch | |
erfüllen und das von der Stadt und den Barock-Fans gehasste Hotel Mercure – | |
Relikt aus DDR-Zeiten – zu kaufen, abzureißen und dort eine moderne | |
Kunsthalle zu bauen. Als sich gegen die Schleifung des übrigens gut | |
ausgelasteten Hotels heftiger Widerstand regte, vor allem durch die Linke, | |
nahm er von diesen Plänen wieder Abstand. | |
Hinterfragt wurde diese Handreichung zwischen Geld und Politik in den | |
lokalen Medien kaum. Im Gegenteil, Kritik galt als defätistisches | |
Nörglertum, als provinziell. Potsdams SPD-Chef Mike Schubert fragte, „wo | |
diese selbstzerstörerischen Debatten Potsdam noch hinführen sollen“, | |
Modeschöpfer Wolfgang Joop, gebürtiger Potsdamer, beklagte: „Diese Stadt | |
kennt statt Demut und Dankbarkeit nur Neid und Missgunst.“ | |
Wenn am Freitag das Museum Barberini eröffnet wird, wird für Kritik am | |
Grundsätzlichen, am Rekonstruktionswahn etwa, natürlich kein Anlass sein. | |
Aber eben auch sonst nicht, wenn man es wie Thomas Albrecht, Architekt des | |
neuen Palastes Barberini, sieht, der sagt: „Ich glaube aber, wenn die | |
Gebäude längere Zeit stehen und zu wirken beginnen, wenn wir sie täglich | |
sehen und ,benutzen' – dann ändern viele Menschen, viele Bewohner der Stadt | |
auch ihre Meinung über Rekonstruktionsarchitektur.“ | |
Das ist das Problem: Jeder Widerstand wird in Potsdam gern als noch nicht | |
ausgereiftes Verständnis von Ästhetik abgetan. Das ist nicht Plattners | |
Haltung, aber er unterstützt als Stifter und privater Bauherr die, die sie | |
vertreten. | |
17 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Ariane Lemme | |
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