# taz.de -- Gespaltene Sozialdemokraten: Saleh provoziert Koalitionskrach | |
> Nachdem der SPD-Fraktionschef am Donnerstag die eigene Koalition | |
> attackierte, sehen Linke und Grüne Gesprächsbedarf. Saleh sei eine | |
> „tickende Zeitbombe“. | |
Bild: Ein bisschen Donald Trump in Berlin: Raed Saleh | |
Der jüngste Auftritt des SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh im | |
Abgeordnetenhaus wird ein Nachspiel haben. Auf einer gemeinsamen Sitzung | |
der Fraktionsvorstände der rot-rot-grünen Koalition Anfang der Woche wollen | |
Linke und Grüne Salehs Rede zum Thema machen. „Wir werden deutlich machen, | |
dass das kein vertrauensvoller Umgang miteinander ist“, sagte der | |
Fraktionsvorsitzende der Linken, Udo Wolf, am Freitag der taz. | |
Raed Saleh hatte sich im Abgeordnetenhaus am Donnerstag nach der | |
Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) zu | |
Wort gemeldet und eine „zeitgemäße Videoüberwachung“ sowie die sofortige | |
Abschiebung von Gefährdern gefordert. Radikale Gruppen dürften in der Stadt | |
nicht unbehelligt bleiben, so Saleh: „Wir müssen diese Brutzellen des | |
Terrors verbieten, und zwar besser heute als morgen.“ | |
Der Applaus, den der SPD-Fraktionschef für seine Einlassungen bekam, | |
stammte von AfD und CDU. Linke und Grüne sowie Teile der SPD waren dagegen | |
konsterniert: Rot-Rot-Grün hatte sich erst am Montag auf einer | |
Koalitionsklausur auf ein Sicherheitspaket verständigt. Eine bessere | |
Ausrüstung der Polizei gehörte ebenso dazu wie eine temporäre und | |
anlassbezogene Videoüberwachung an Orten wie dem Kottbusser Tor. Müller | |
hatte sich nach der Klausur zufrieden gezeigt: „Ich bin erstaunt, wie viel | |
wir jetzt erreichen konnten. Das hilft richtig.“ | |
Dass der SPD-Fraktionsvorsitzende den Kompromiss nun ausgerechnet nach der | |
Regierungserklärung Müllers in Bausch und Bogen verdammt, hat auch die | |
Grünen überrascht. „Wir sind etwas irritiert“, sagte die grüne | |
Fraktionschefin Antje Kapek. Während der Senatsklausur, bei der auch die | |
Fraktionsvorsitzenden anwesend waren, habe Saleh keinen Widerspruch | |
angemeldet. „Dort hat er weder seine am Donnerstag vertretene Position | |
eingebracht, noch hat er zu erkennen gegeben, dass er den Beschluss des | |
Senats inhaltlich nicht mitträgt.“ | |
„Es hat uns alle überrascht“, sagte auch Linken-Fraktionsvorsitzender Wolf, | |
der auch das Koalitionsklima belastet sieht. „So wird es schwierig, einen | |
gemeinsamen Korridor der Koalition über die gesamte Legislaturperiode offen | |
zu halten.“ | |
Salehs Attacke war nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Schon nach der | |
Wahl am 18. September hatte der 39-Jährige den Regierenden Bürgermeister | |
kritisiert, ohne ihn beim Namen zu nennen. In einem Wortbeitrag im | |
Tagesspiegel hatte er moniert, dass die SPD „von einer Volkspartei zu einer | |
Staatspartei“ geworden sei. Ausdrücklich hatte Saleh Müllers Vorgänger | |
Klaus Wowereit gelobt: „Klaus Wowereit hat es mit seiner menschlichen Art | |
lange geschafft, diese Kluft zu überbrücken, im letzten Jahr ist uns das | |
nicht genug gelungen.“ | |
Seitdem rätseln die Genossen, welche Agenda Saleh mit seinen Angriffen auf | |
Müller und nun sogar die gesamte Koalition verfolgt. In der Umgebung des | |
Regierenden Bürgermeisters hielt man es lange Zeit für möglich, dass Saleh | |
im nächsten Jahr versucht, Müller vom Landesvorsitz zu verdrängen. Die | |
gerade erst gebildete Koalition anzugreifen würde dazu aber nicht passen. | |
Etwas deutlicher wird man bei einem der beiden Koalitionspartner: „Saleh | |
ist eine tickende Zeitbombe.“ | |
13 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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