# taz.de -- Entscheidung rückt näher: Holm muss sich der Uni erklären | |
> Die taz hatte Einblick in die ungeschwärzte Akte des Staatssekretärs. | |
> Danach hat sich die Stasi vor 89 kaum um Holm gekümmert. Zahl der | |
> Unterstützer steigt. | |
Bild: Das Interesse an seinem Fall ist riesig: Holm bei eine Diskussion vergang… | |
Der in die Kritik geratene Staatssekretär Andrej Holm bekommt am heutigen | |
Donnerstag vielstimmige Unterstützung: Zivilgesellschaftliche Gruppen | |
wollen den Fraktionschefs von Rot-Rot-Grün im Abgeordnetenhaus knapp 15.000 | |
Unterschriften überreichen. Die UnterzeichnerInnen sprechen sich in der | |
Petition für einen Verbleib Holms im Amt aus. „Andrej Holm als neuer | |
Staatssekretär steht nicht einer Auseinandersetzung über DDR-Repression im | |
Weg, sondern dem Ausverkauf der Stadt“, heißt es in dem Schreiben. | |
An diesem Donnerstag endet auch die Frist, zu der Holm sich der | |
Humboldt-Universität (HU) gegenüber erklären muss. Holm hatte im September | |
1989 seine Ausbildung zum Stasi-Offizier begonnen. Trotzdem gab er bei | |
seiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter der HU 2005 in einem | |
Fragebogen an, nicht für die Stasi tätig gewesen zu sein. Er merkte | |
lediglich an, er habe seine militärische Grundausbildung beim | |
Stasi-Wachregiment Feliks Dzierzynski abgeleistet. Holm sagt heute, es sei | |
ihm 2005 nicht bewusst gewesen, dass er bereits mit der Ausbildung | |
hauptamtlich für die Stasi tätig war. | |
Wusste Holm 2005 wirklich nicht, was er da ankreuzte, oder hat er bewusst | |
gelogen? Musste er vielleicht sogar falsche Angaben machen, weil er die | |
Stelle an der Uni sonst nicht bekommen hätte? Die Einschätzungen darüber | |
gehen auseinander. | |
„Er stand beim Ausfüllen des Personalbogens vor einem schier unlösbaren | |
Problem“, sagt llko-Sascha Kowalczuk, Historiker bei der | |
Stasiunterlagenbehörde. Wäre er bei der Wahrheit geblieben, hätte er den | |
Job nicht gekriegt. „Die abverlangte Lüge war strukturell bedingt.“ Die | |
Humboldt-Uni dagegen erklärt: Hätte Holm angegeben, bei der Stasi gewesen | |
zu sein, hätte sich die Hochschule seine Akte angeschaut, also den | |
Einzelfall bewertet. | |
Martin Gutzeit ist seit 1993 Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in | |
Berlin. Die Innenverwaltung habe 1994 Kriterien zur Beurteilung von | |
Stasi-Tätigkeiten bei Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in einer | |
Mitteilung aufgelistet, berichtet er. Wenn jemand seinen Wehrdienst beim | |
Wachregiment Feliks Dzierzynski abgeleistet hatte oder wenn jemand direkt | |
nach einem Schulabschluss 1989 zur Stasi kam, sei die Weiterbeschäftigung | |
als zumutbar zu werten, heiße es darin – ebenso wenn eine Tätigkeit nur | |
kurz ausgeübt wurde oder lange zurücklag. Holm hätte diesen Kriterien | |
zufolge den Job also durchaus bekommen können. | |
Nach Angaben von Gutzeit wurde im öffentlichen Dienst in Berlin Anfang der | |
90er Jahre fast durchgehend mit Fragebögen wie dem von Holm gearbeitet. Die | |
Praxis sei aber ausgelaufen. 2007 wurde mit der Reform des | |
Stasi-Unterlagengesetzes der Kreis derer, die sich überprüfen lassen | |
müssen, deutlich eingeschränkt. Bei wissenschaftlichen Mitarbeitern wäre | |
das heute nur noch ab einer bestimmten Gehaltsgruppe möglich. | |
Die Stasiunterlagenbehörde hat den Medien inzwischen die komplette, 201 | |
Seiten umfassende Aktensammlung zu Andrej Holm zugänglich gemacht. Wegen | |
der Persönlichkeitsrechte Holms und seiner Verwandten sind viele Seiten | |
geschwärzt. Der taz lag jedoch auch die ungeschwärzte Akte vor. Sie enthält | |
keine Hinweise, die über das bisher Bekannte hinausgehen. Es finden sich | |
darin keine Spitzelberichte oder ähnlich Belastendes. | |
Vielmehr dokumentiert sie überwiegend die verschiedenen formalen Schritte, | |
mit der die Stasi sich und Andrej Holm auf die Ausbildung zum Stasioffizier | |
vorbereitete. Dabei geht es vor allem um das Abklopfen von ihm und seiner | |
Verwandtschaft auf mögliche Westkontakte. Auch wird ausführlich aus | |
Zeugnissen und medizinischen Untersuchungen zitiert. | |
Spannend für die Frage, wie sehr Holm indoktriniert wurde, ist eine | |
Akten-Notiz von Ende 1988. Darin reagiert die Stasi auf den schriftlichen | |
Vorwurf von Holms Mutter, die Behörde kümmere sich zu wenig um ihren Sohn. | |
Dies sei „aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu entkräften“, heißt es … | |
der Akte. Ein Stasi-Hauptmann stellt darin fest, dass es lediglich zwei | |
Aussprachen zwischen 1986 und 1988 gegeben habe. Die Akte endet mit der | |
Entlassung Holms im Januar 1990 aufgrund „struktureller Veränderungen“. | |
12 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
Christoph Villinger | |
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