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# taz.de -- Open access und Lizenzverträge: Missbrauch der Marktmacht
> Unis und Forschungsinstitute liegen mit Elsevier, einem
> Wissenschaftsverlag, im heftigen Clinch. Es geht auch um freien Zugang zu
> Publikationen.
Bild: Viele Bibliotheken klagen über die hohen Kosten bei den Lizenzverträgen…
Berlin taz | Der Streit zwischen deutschen Wissenschaftseinrichtungen und
dem [1][Wissenschaftsverlag Elsevier] ist eskaliert. Weil im Dezember keine
Einigung über einen neuen Lizenzvertrag zur Nutzung elektronischer
Zeitschriften erreicht wurde, hat der Verlag mit Hauptsitz in Holland den
Onlinezugang zur Jahreswende gesperrt.
„Seit Januar 2017 stehen an der Universität Göttingen keine Volltexte von
Zeitschriften des Elsevier-Verlags mehr zur Verfügung“, meldet die
Uni-Bibliothek auf ihrer Webseite. In Göttingen gilt die Sperre für 440
Zeitschriften. Speziell aus den Wirtschaftswissenschaften sei „der Zugang
zu sämtlichen Volltexten entfallen“.
Gleiche Beschränkungen gelten für weitere rund 60 deutsche
Wissenschaftseinrichtungen, die sich unter Führung der
Hochschulrektorenkonferenz im Interessenverbund [2][„DEAL – Bundesweite
Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage]“
zusammengeschlossen haben. „Trotz unserer nachdrücklichen Forderungen nach
einer Kulanzregelung hat Elsevier offenbar bei einigen Einrichtungen die
Zugänge zum 1. Januar 2017 ganz oder teilweise abgeschaltet“, erklärt
DEAL-Sprecherin Wiebke Beckmann in einer Internetmitteilung. Die
Verhandlungen mit Elsevier würden aber fortgesetzt.
Der Verlag ist formal im Recht, weil die Mitglieder des DEAL-Konsortiums –
Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungsinstitute und
Regionalbibliotheken – ihre individuellen Lizenzverträge zum Ende 2016
gekündigt hatten. Das sollte den Druck auf Elsevier erhöhen, einem
bundeseinheitlichem Lizenzvertrag zuzustimmen, mit dem auch der bislang
ungebremsten Kostenexplosion bei der Wissenschaftsliteratur ein Riegel
vorgeschoben werden sollte.
„Wir wollen fairere Konditionen für den Literaturerwerb“, sagte der
Präsident der Hochschulrektorenkonferenez (HRK), Horst Hippler, im Sommer
zum Start der Verhandlungen mit Elsevier. Mit zwei weiteren großen
Wissenschaftsverlagen – [3][Springer Nature] und [4][Wiley] – sollen in
2017 erste Sondierungsgespräche geführt werden.
## Die Preise steigen
„Die fortschreitende Konzentration der großen, international agierenden
Wissenschaftsverlage hat die Marktmacht der Anbieter weiter gestärkt und
die Preise dramatisch steigen lassen“, begründet DEAL den Handlungsdruck
auf Bibliotheksseite. Auch sollen die neuen Verträge eine
„Open-Access-Komponente“ enthalten. Mit ihr sollen die von den
Wissenschaftseinrichtungen getragenen Kosten für diese frei zugänglichen
Veröffentlichungen berücksichtigt werden.
Open Access (freier Zugang) ist zudem eine breite Bewegung in der
wissenschaftlichen Welt, die die Publikation von Forschungsberichten
jenseits der großen Verlage in eigener Regie anstrebt. Das Problem: Die
Verlage besitzen die Journale mit dem höchsten Renommee, die für eine
wissenschaftliche Karriere entscheidend sind.
Die Verhandlungen führten dann Anfang Dezember in die Sackgasse. Das von
Elsevier vorgelegte Angebot war für die deutsche Wissenschaft nicht
akzeptabel. Es entspreche, äußerte sich die Allianz der deutschen
Wissenschaftsorganisationen, „nicht den Prinzipien von Open Access und
einer fairen Preisgestaltung“. Obwohl der Verlag eine Umsatzrendite von 40
Prozent erziele, setze er „weiter auf Preissteigerungen jenseits der
bislang bezahlten Lizenzsummen“, zeigte sich die deutsche
Wissenschaftsspitze konsterniert. „Elsevier versucht damit, seine
marktbeherrschende Stellung zu nutzen und droht allen
Wissenschaftseinrichtungen, deren Verträge Ende 2016 auslaufen, mit einem
Abschalten aller Zugänge“, empörte sich damals HRK-Präsident Hippler. So
ist es dann auch gekommen.
Wie das Tauziehen um die wissenschaftliche Literaturversorgung in
Deutschland weitergeht, ist derzeit offen. Die Fronten sind verhärtet. In
Großbritannien, wo Elsevier bei einem vergleichbaren Konflikt seine
Bedingungen durchsetzte, wollen die Vertreter der Wissenschaft aber nun
eine kartellrechtliche Beschwerde wegen des „Missbrauchs von Marktmacht“
einbringen.
13 Jan 2017
## LINKS
[1] https://www.elsevier.com/catalog?producttype=journals
[2] https://www.projekt-deal.de/
[3] http://www.springernature.com/de/
[4] http://eu.wiley.com/
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Publikation
Elsevier
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